Richtlinienentwurf für neue Besteuerungsregeln für Digitalunternehmen

WP/StB Andreas Schubert, Partner bei der Berliner Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft Crowe Horwath Trinavis.

Die Europäische Kommission hat am 21. März 2018 ihren Richtlinienentwurf für eine europäische Digitalsteuer vorgelegt. Bisher zahlen internationale Digitalkonzerne im europäischen Durchschnitt deutlich weniger Steuern als die analoge Wirtschaft. Mit einer Digitalsteuer will die EU internationale Technologiekonzerne wie Google, Amazon und Co. stärker zur Kasse bitten.

Besteuerung der digitalen Wirtschaft im Fokus

Die derzeitige Ertragsbesteuerung von Unternehmen wurde vor mehr als 100 Jahren konzipiert und knüpft in erster Linie an die physische Präsenz der Unternehmen (Betriebsstätte) an. Das sind in der Regel Produktionsstätten, Bergwerke, Baustellen, Verkaufseinrichtungen oder Warenlager. Der Wertschöpfungsprozess hat sich gerade in den letzten Jahren jedoch rasant geändert und das Steuerrecht hat mit dieser Entwicklung nicht Schritt gehalten. Im Rahmen des BEPS-Projekts (Base Erosion and Profit Shifting) der OECD wurden und werden deshalb u.a. die Besteuerung der digitalen Wirtschaft (BEPS-Aktionspunkt 1) und die Aktualisierung des Betriebsstättenbegriffs (BEPS-Aktionspunkt 7) diskutiert.

Anknüpfungspunkt digitale Betriebsstätte

Der Vorschlag der EU-Kommission definiert nun die „signifikante digitale Präsenz“ als Ergänzung des Begriffs der Betriebsstätte und geht damit auch deutlich über den Betriebsstättenbegriff des Multilateralen Instruments hinaus. Diese sogenannte „digitale Betriebsstätte“ soll es den EU-Mitgliedstaaten künftig erlauben, Internet-Unternehmen auch dann zu besteuern, wenn diese keine physische Präsenz in dem jeweiligen Land haben sondern lediglich einen „digitalen Fußabdruck“ hinterlassen.

Als Anknüpfungspunkte für eine signifikante digitale Präsenz sollen im jeweiligen EU-Mitgliedstaat folgende Parameter und Schwellenwerte gelten:

  • Erträge aus der Bereitstellung digitaler Dienstleistungen überschreiten 7 Mio. Euro
  • die Zahl der Nutzer digitaler Dienstleistungen überschreitet 100.000 Nutzer oder
  • die Zahl der Verträge über digitale Dienstleistungen übersteigt 3.000 Verträge.

Umsetzung des Richtlinienentwurfs bleibt fraglich

Allerdings besteht auch innerhalb der EU keine Einigkeit hinsichtlich der neuen Regelung, so dass die Umsetzung des Richtlinienvorschlags zum 1. Januar 2020 sehr fraglich ist. Die Frage der Besteuerung der digitalen Wirtschaft stand auch auf der Agenda des G20-Treffens in Buenos Aires in der letzten Woche. Nach einer Verlautbarung der OECD vom 23. März 2018 haben mehr als 110 Staaten vereinbart, bis 2020 einheitliche internationale Maßstäbe für die grenzüberschreitende Besteuerung digitaler Unternehmen zu entwickeln.

Grundsätzlich ist das Bestreben der EU-Kommission, eine einheitliche Position der EU-Mitgliedstaaten zu entwickeln und den Betriebsstättenbegriff als einen wesentlichen Anknüpfungspunkt im Besteuerungsrecht fortzuschreiben, zu begrüßen. Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass der Richtlinienvorschlag in seiner aktuellen Form umgesetzt werden kann. Ein Alleingang der EU ist nicht sinnvoll, vielmehr ist eine internationale Lösung anzustreben. Wie diese letztlich aussehen wird, und ob ein solcher Konsens wie angestrebt bis 2020 gefunden werden kann, ist momentan schwer abschätzbar – insbesondere im Hinblick auf die protektionistische Politik der aktuellen US-amerikanischen Regierung aber auch in Bezug auf die Bestrebungen von Ländern wie z.B. China, Indien oder Brasilien, ihr eigenes Besteuerungssubstrat zu erhöhen.

Drohende Doppelbesteuerungsprobleme

Ohne eine Anpassung der bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen mit Drittstaaten wird die von der EU-Kommission vorgeschlagene Digitalsteuer jedoch ins Leere laufen. Ein Doppelbesteuerungsabkommen weist den beteiligten Staaten das Besteuerungsrecht zu; das ist zum einen der Sitzstaat des international agierenden Unternehmens, zum anderen der (andere) Staat, in dem sich dieses Unternehmen wirtschaftlich betätigt. Nach der bisherigen Konzeption von Doppelbesteuerungsabkommen erfordert ein Besteuerungsrecht des anderen Staates die Existenz einer Betriebsstätte im Sinne einer physischen Präsenz, so dass der Betriebsstättenbegriff unbedingt um die vorgeschlagene signifikante digitale Präsenz zu erweitern wäre. Gerade im Verhältnis zu den USA als Sitzstaat der meisten Internet-Unternehmen, die im Fokus der EU-Kommission stehen, ist derzeit unwahrscheinlich, dass eine solche Änderung der Doppelbesteuerungsabkommen der EU-Mitgliedsstaaten mit den USA erreicht werden kann.

Viele Fragen noch offen

Die Vorschläge der EU-Kommission werfen hinsichtlich ihrer praktischen Umsetzung eine Vielzahl von Fragen auf. So stellt sich die Frage, wie die Finanzverwaltung das Überschreiten der von der EU-Kommission definierten Schwellenwerte überwachen soll. Unternehmen müssten ihre Nutzerdaten bereithalten und auswerten lassen, was insbesondere im Hinblick auf datenschutzrechtliche Vorschriften ein schwieriges Unterfangen wäre.

Letztlich stellt sich die Frage, wie die der signifikanten digitalen Präsenz zuzuordnenden Gewinne ermittelt werden sollen. Hierzu enthält der Richtlinienvorschlag allgemeine Vorgaben und den Verweis auf den Authorized OECD Approach, der hinsichtlich der Gewinnabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen bzw. Stammhaus und Betriebsstätte seinen Niederschlag im deutschen Außensteuergesetz gefunden hat. In der täglichen Anwendung wird es aber hinsichtlich der Zuordnung von Erträgen, insbesondere aber auch der Aufwendungen insbesondere für immaterielle Wirtschaftsgüter (IP), große Probleme geben. Der administrative Aufwand sowohl auf Seiten der Unternehmen als auch der Finanzverwaltung dürfte jedenfalls sehr hoch sein.

Der Richtlinienvorschlag der EU-Kommission wird in der vorliegenden Form sehr wahrscheinlich nicht umgesetzt werden können, kann aber sicherlich seinen Niederschlag in den Diskussionen auf OECD-Ebene finden. Eine Fortentwicklung des aktuellen Betriebsstättenbegriffs ist auf internationaler Ebene richtig und notwendig. Ein Alleingang einzelner Staaten oder Staatengemeinschaften wird jedoch nicht zu einer Beseitigung der von der Öffentlichkeit als ungerecht empfundenen Besteuerung international tätiger Unternehmen führen.

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