Der BFH hat mit seinem Urteil vom 24.10.2017 (VIII R 13/15, DB 2017 S. 3035) entschieden, dass der endgültige Ausfall einer im Privatvermögen gehaltenen Darlehensforderung zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen führt. Darin liegt zugleich die höchstrichterliche Bestätigung eines Paradigmenwechsels, den der Gesetzgeber bereits mit Einführung der Abgeltungsteuer im Jahre 2009 vollzogen hat. Die vom BFH bejahte Kernfrage des Falles war hierbei, ob der endgültige Ausfall einer Darlehensforderung als eine Veräußerung i.S.v. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2 EStG anzusehen ist. Die Finanzverwaltung lehnt vorerst eine Anwendung des Urteils über den Einzelfall hinaus ab.
Sachverhalt
Geklagt hatte ein im Streitjahr 2012 zusammenveranlagtes Ehepaar. Der Kläger gewährte einem Dritten ab August 2010 ein mit 5% zu verzinsendes Darlehen. Die vereinbarten Tilgungszahlungen blieben seit August 2011 aus. Im August 2012 wurde über das Vermögen des Darlehensnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet, woraufhin der Kläger die noch offene Darlehensforderung zur Insolvenztabelle anmeldete. In der gemeinsamen Einkommensteuererklärung für 2012 machten die Kläger den Ausfall der Darlehensforderung als Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend.
Das Finanzamt setzte die Einkommensteuer für das Streitjahr jedoch ohne Berücksichtigung dieses Verlustes fest; Einspruch und Klage vor dem FG Düsseldorf blieben zunächst ohne Erfolg. Mit der eingelegten Revision wurden die Kläger allerdings gehört. Der BFH erkennt die Abziehbarkeit der ausgebliebenen Darlehensrückzahlungsbeträge als Verluste im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen grundsätzlich an.
Entscheidungsgründe
Der BFH bestätigt die herrschende Auffassung im Schrifttum, wonach der Gesetzgeber im Zuge der Einführung der Abgeltungsteuer zugleich im Rahmen von § 20 Abs. 2 EStG die traditionelle quellentheoretische Trennung von Vermögens- und Ertragsebene für Einkünfte aus Kapitalvermögen zugunsten einer vollständigen steuerrechtlichen Erfassung aller Wertveränderungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen aufgegeben hat. Dieser Paradigmenwechsel führt nach Ansicht des BFH dazu, dass der vorliegend in Frage stehende Ausfall der Darlehensforderung zu einem steuerlich zu berücksichtigenden Verlust führen kann. Dieser Verlust resultiert aus der Veräußerung der Darlehensforderung als sog. sonstige Kapitalforderung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG.
Dem steht, so der BFH, nicht entgegen, dass mit dem bloßen Ausfall der Darlehensforderung kein Rechtsträgerwechsel verbunden ist, weswegen der Ausfall begrifflich nicht unter den engen Veräußerungsbegriff des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG fällt. Denn den Begriff der Veräußerung hat der Gesetzgeber gerade um verschiedene Ersatztatbestände erweitert. So steht u.a. der Gewinn aus der Rückzahlung privater Darlehensforderungen einer Veräußerung gleich (§ 20 Abs. 2 Satz 2 EStG). Wenn also die Rückzahlung über dem Nennwert zu einem steuerbaren Gewinn führt, müsse gemäß dem Gebot der Folgerichtigkeit die Rückzahlung einer Kapitalforderung unter dem Nennwert zu einem steuerlich zu berücksichtigenden Verlust führen. Der BFH zieht zudem einen Vergleich zur Übertragung wirtschaftlich wertloser Wirtschaftsgüter ohne Gegenleistung, bei denen anerkanntermaßen ebenfalls ein Veräußerungsverlust entsteht. Aus wirtschaftlicher Sicht ist es unerheblich, ob der Steuerpflichtige die Forderung noch kurz vor dem Ausfall zu Null veräußern kann oder nicht.
Die Verlustverrechnung kann nach Auffassung des BFH losgelöst vom sog. Sparer-Pauschbetrag von 801 € (1.602 € bei zusammenveranlagten Ehegatten) nach § 20 Abs. 9 EStG geltend gemacht werden. Denn der Verlust ist nach § 20 Abs. 4 EStG zu berechnen, wodurch die Werbungskostenverrechnungsgrenze des § 20 Abs. 9 EStG insoweit überlagert wird. Die Verluste sind hingegen weiterhin nach § 20 Abs. 6 EStG nicht mit Verlusten anderer Einkunftsarten und nur beschränkt mit anderen Verlusten aus Kapitalvermögen verrechenbar.
Einordnung und Ausblick
Die für den Steuerpflichtigen günstige Entscheidung ist zu begrüßen, da sie eine neue Verlustverrechnungsmöglichkeit bei den Einkünften aus Kapitalvermögen eröffnet. Allerdings wird jeweils anhand des Einzelfalles zu entscheiden sein, ob die betreffende Darlehensforderung tatsächlich endgültig ausgefallen ist. Allein die Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Darlehensschuldners reicht hierfür nach zutreffender Auffassung des BFH nicht, denn es ist ungewiss, ob und in welcher Höhe eine quotale Befriedigung durch den Insolvenzverwalter erfolgen wird. Darüber hinaus trifft der BFH keine Aussage darüber, wann vom endgültigen Ausfall der Darlehensforderung auszugehen ist, sondern verweist insoweit an das FG Düsseldorf zurück. Dieses hat nun die Aufgabe festzustellen, wann die Darlehensforderung endgültig ausgefallen ist. Aus Sicht der Praxis ist zu hoffen, dass das FG Düsseldorf diese Gelegenheit nutzt, um den Rechtsanwendern möglichst klare Vorgaben an die Hand zu geben. Es bietet sich dabei an, auf die zur Zuordnung von Auflösungsverlusten i.S.v. § 17 Abs. 4 EStG entwickelten Grundsätze zurückzugreifen.
Die Besprechungsentscheidung dürfte zudem für andere Fallkonstellationen Relevanz haben, z.B. im Zusammenhang mit dem Urteil des BFH vom 11.07.2017 (XI R 36/15, DB 2017 S. 2330). Dort hatte der BFH u.a. entschieden, dass eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfen eines Gesellschafters an seine Gesellschaft nach Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG grundsätzlich nicht mehr als nachträgliche Anschaffungskosten auf seine Beteiligung im Rahmen von Veräußerungen von wesentlichen Beteiligungen gemäß § 17 EStG zu behandeln sind; ein aus solchen Finanzierungshilfen resultierender Verlust ist in diesem Rahmen nur noch aus Gründen zeitlich beschränkten Vertrauensschutzes berücksichtigungsfähig. Aufgrund des aktuellen Urteils sollten künftig Verluste aus solchen – privat veranlassten – Finanzierungshilfen unter den vorgenannten Voraussetzungen (endgültiger Ausfall) im Rahmen von Einkünften aus Kapitalvermögen abziehbar sein (eingehend Moritz/Strohm, DB 2018 S. 86).
Unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Veranlassungszusammenhangs sollte die aktuelle Entscheidung schließlich auch auf den Verzicht auf eine private Kapitalforderung übertragbar sein.
Der BFH widerspricht mit seinem Urteil der (bisherigen) Verwaltungsauffassung, wonach der Forderungsausfall nicht als Veräußerung i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG anzusehen sein soll (vgl. OFD NRW vom 23.01.2018, DB 2018 S. 415; BMF vom 21.10.2010 (DB 2010 S. 2417). Das Urteil ist bisher noch nicht im BStBl. veröffentlicht, eine Anwendung über den Einzelfall hinaus ist bis zur gemeinsamen Abstimmung der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder nicht zu erwarten. Gleichwohl sollten betroffene Steuerpflichtige entsprechende Verluste gegenüber dem örtlichen Finanzamt unter Berufung auf die Besprechungsentscheidung geltend machen.
Hallo,
ich denke, dass dieser Paradigmenwechsels des BFH endlich mal Zeit wurde. In der Praxis liefert das einem mehr Rechtssicherheit.
Viele Grüße aus Frankfurt