Mit seiner Entscheidung vom 10.04.2018 (1 BvR 1236/11, RS1267788) hat das BVerfG § 7 Satz 2 GewStG, der Veräußerungsgewinne bei Personengesellschaften grundsätzlich der Gewerbesteuer unterwirft, den grundgesetzlichen Segen erteilt. Das Verfahren bot Gelegenheit, sich mit dem ganzen Kanon verfassungsrechtlicher Stolpersteine für ein Steuergesetz auseinanderzusetzen.
Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip?
§ 7 Satz 2 GewStG führt bei Anteilsveräußerungen zu einer Schieflage: die – meist hohen – Veräußerungserlöse stehen dem veräußernden Gesellschafter zu, die Gewerbesteuer hierauf hat jedoch die Gesellschaft zu zahlen. Das BVerfG sieht hierin keinen Widerspruch zum Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Dies lässt sich jedoch nicht allein mit dem Hinweis auf die Mitunternehmerstellung des Gesellschafters begründen, wie es der BFH standardmäßig noch getan hat. Denn im Veräußerungsfall wird die Verbundenheit zur Mitunternehmerschaft ja gerade beendet, so dass keine Zuschreibung der Steigerung der Leistungsfähigkeit auf Ebene des Mitunternehmers zur Gesamt-Mitunternehmerschaft mehr möglich ist. Zwei Argumente nennt das BVerfG: Zum einen würde die Leistungsfähigkeit der Personengesellschaft durch die Veräußerung nicht geschmälert, da die (anteilig) veräußerten Vermögensgegenstände weiterhin in ihrem Betrieb verbleiben. Zum anderen soll die Personengesellschaft indirekt von der Besteuerung des Veräußerungsgewinns profitieren: Die folgende Aufstockung der stillen Reserven wirke sich steuermindernd auf zukünftige Gewinne sowohl auf Ebene der (neuen) Gesellschafter als auch auf Ebene der Gesellschaft selbst aus.
Diese Argumentation überzeugt nicht. Besteuerung und Aufstockung der Buchwerte sind zwei Seiten einer Medaille, indem die spätere Doppelbesteuerung von Wertsteigerungen und stillen Reserven vermieden wird. Die Aufstockung ist damit notwendige Folge der Besteuerung eines Veräußerungsgewinns. In ihr eine Steigerung der Leistungsfähigkeit der Personengesellschaft zu sehen, stellt den wirtschaftlichen Gehalt auf den Kopf.
Es bleibt der Hinweis des BVerfG, dass die Verteilung der Gewerbesteuer auf Veräußerungsgewinne innerhalb der Personengesellschaft und mit den Gesellschaftern vertraglich geregelt werden kann. Solche Steuerklauseln sind mittlerweile Standard bei M&A-Transaktionen. Darüber hinaus gehört ein Ausgleich des Steueraufwands zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern zum Einmaleins der Gestaltung des Gesellschaftsvertrags. Das kann und darf zwar keine Rechtfertigung für eine Belastung sein (und wird vom BVerfG auch nicht als solche ins Feld geführt), weist aber den Ausweg für einen großen Teil der Praxisfälle.
Rechtfertigung der Differenzierung nach der Rechtsform
§ 7 Satz 2 GewStG kann als Paradebeispiel für die steuerliche Differenzierung anhand der Rechtsform angesehen werden. Das BVerfG bestätigt, dass eine Differenzierung zwischen Kapitalgesellschaften und natürlichen Personen aufgrund der völlig unterschiedlichen Ausprägungen der Rechtsform ohne weiteres zulässig ist. Die Ausdehnung der Veräußerungsgewinnbesteuerung auf Personengesellschaften wird vom BVerfG der Festlegung des Steuergegenstands zugerechnet, für die dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt ist, und bleibt deshalb unbeanstandet.
Eine relevante Ungleichbehandlung wird lediglich in der Differenzierung zwischen Mitunternehmerschaften mit natürlichen Personen und solchen mit Kapital- und Personengesellschaften als unmittelbar Beteiligten gesehen. An den hierfür erforderlichen Rechtfertigungsgrund stellt das BVerfG im Ergebnis keine erhöhten Anforderungen aufgrund des Ausmaßes der Ungleichbehandlung – anders als insbesondere im Erbschaftsteuer-Urteil von 2016. Dies erstaunt vor dem Hintergrund, dass es im Urteilsfall um eine Gewerbesteuer in Höhe von mehr als 100 Millionen Euro ging, doch sehr. Das BVerfG behilft sich mit der Annahme, dass Veräußerungen durch unmittelbar beteiligte natürliche Personen in der Tendenz ein geringeres Volumen ausmachten als bei mehrstöckigen Gestaltungen. Empirisch wird das vom BVerfG nicht belegt und deckt sich auch nicht zwingend mit der Praxiserfahrung. Hier hätte man sich eine tiefgehendere Auseinandersetzung und Begründung gewünscht.
Die Diskriminierung von mehrstöckigen Mitunternehmerschaften wird konkret mit dem legitimen Ziel der Verhinderung von Steuerumgehungen begründet. Kapitalgesellschaften sollte die Möglichkeit genommen werden, durch Ausgliederung auf eine Personengesellschaft und anschließende Anteilsveräußerung die Entstehung eigener gewerbesteuerpflichtiger Veräußerungsgewinne zu umgehen. Die Einbeziehung auch der Personengesellschaft als unmittelbar Beteiligten wird damit gerechtfertigt, dass sie sich per se für Umgehungsgestaltungen eher eigne als die Einschaltung einer natürlichen Person. Hier macht es sich das höchste Gericht doch sehr einfach. Aus Sicht des BVerfG war der Gesetzgeber dabei auch nicht verpflichtet, den Anwendungsbereich der Norm auf Umgehungsfälle zu beschränken. Von Verfassungs wegen ist es also ausreichend, wenn der Gesetzgeber für das legitime Ziel der Unterbindung von Steuerumgehungen eine geeignete Lösung wählt, die den praktischen Hauptanwendungsfall „trifft“; „Kollateralschäden“ sind in Kauf zu nehmen.
Neues zum Wegfall des Vertrauensschutzes
Hintergrund des Urteils war ein kurioses Gesetzgebungsverfahren: nach der Einführung des § 7 Satz 2 GewStG im Jahr 2001 mit Wirkung ab 01.01.2002 wurde die Vorschrift vor ihrer erstmaligen Anwendung versehentlich durch ein anderes Gesetzgebungsverfahren aufgehoben und dann erst im Juli 2002 mit Wirkung zum 01.01.2002 wieder aufgenommen. Genau in diese Zeitspanne fielen die diversen Schritte der Anteilsveräußerung im Urteilsfall. Es handelt sich nach den Feststellungen des BVerfG um eine sogenannte unechte Rückwirkung, da die Rechtsänderung vor Ende des maßgebenden Erhebungszeitraums und damit vor der Steuerentstehung in Kraft getreten ist. Entscheidungserheblich für die Zulässigkeit der Rückwirkung war somit die Schutzwürdigkeit des Vertrauens der Gesellschafter in die bestehende Rechtslage zum Zeitpunkt ihrer verbindlichen Disposition über ihre Gesellschaftsanteile. Dieser fiel auf den 01.09.2001, wobei der Veräußerungsgewinn erst in 2002 realisiert wurde. Bereits vor diesem Zeitpunkt war dem Bundesrat von der Bundesregierung ein Gesetzentwurf zur Einführung der Steuerpflicht auf Veräußerungsgewinne bei Personengesellschaften zugeleitet und auch der Öffentlichkeit bekannt geworden. Die Einbringung in den Bundestag erfolgte erst am 10.09.2001. Beide Gesetzesentwürfe enthielten einen der im Jahr 2002 endgültig eingeführten Fassung ähnlichen § 7 Satz 2 GewStG, der aber die Steuerfreiheit noch für alle auf natürliche Personen entfallende Veräußerungsgewinne vorsah. Die Beschränkung auf unmittelbar Beteiligte war erst in der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses des Bundestages vom 07.11.2001 enthalten.
Zur unechten Rückwirkung enthält das Urteil in drei Punkten Fortentwicklungen der bisherigen Rechtsprechung:
- Erstens hält es das BVerfG bei dieser außergewöhnlichen Fallgestaltung für berechtigt, die nachträglich fehlgeschlagene Einführung der Steuerpflicht für Veräußerungsgewinne in 2001 und das letztlich erfolgreiche Gesetzgebungsverfahren in 2002 als eine Einheit zu betrachten. Bereits mit der Zuleitung des Gesetzentwurfs an den Bundesrat im August 2001 war erkennbar, dass die bisherige Rechtslage keinen Fortbestand haben könnte; damit war der Vertrauensschutz beseitigt.
- Zum zweiten stellt das BVerfG die Zuleitung eines Gesetzentwurfs der Regierung an den Bundesrat der Einbringung in den Bundestag gleich.
- Schließlich war für den Wegfall des Vertrauensschutzes unerheblich, dass der ursprüngliche Gesetzentwurf noch alle natürlichen Personen von der Steuerpflicht ausgenommen hatte, während die Begrenzung auf nur unmittelbar Beteiligte erst nach dem Dispositionszeitpunkt ins Gesetz aufgenommen wurde. Begründung: Relevant ist nicht das Vertrauen in die Umsetzung eines bestimmten Gesetzentwurfs, sondern nur die Zerstörung des Vertrauens in den Fortbestand der alten Rechtslage.
Das BVerfG hat mit diesen drei Weichenstellungen den Wegfall des Vertrauensschutzes auf einen sehr frühen Zeitpunkt gelegt. Für die Praxis wird damit die Bestimmung der Grenzen des Vertrauensschutzes deutlich schwieriger: Welche Gesetzgebungsverfahren sind zusammenzufassen, welche Modifikationen im Gesetzgebungsverfahren sind noch gedeckt? Voraussetzung für eine Gesamtbetrachtung sind Gesetzgebungsvorhaben mit identischem Ziel und identischem Inhalt sowie, dass der identische Gesetzgeber betroffen ist. Fällt ein Gesetzentwurf der Diskontinuität zum Opfer, lebt der Vertrauensschutz wieder auf. Dem Urteil ist zu entnehmen, dass nach Auffassung des BVerfG auch das Scheitern eines Gesetzgebungsverfahrens (d.h. die formale Ablehnung) den Vertrauensschutz wieder aufleben lässt. Und schließlich stellt das BVerfG auf den „Regelungsbereich“ eines Gesetzentwurfs ab, um die noch von diesem abgedeckten Modifikationen im Gesetzgebungsverfahren abzugrenzen. Dieses Kriterium mag im Urteilsfall getragen haben, wird aber in der zukünftigen Praxis noch viel Unsicherheit und Streit auslösen und bedarf sicherlich der weiteren Schärfung durch das BVerfG.