Das neue BMF-Schreiben zu § 50d Abs. 3 EStG in einem Wort zusammengefasst: Ungenügend!

StB Dr. Pia Dorfmueller, Partner bei P+P Pöllath + Partners, Frankfurt

Dividendenausschüttungen einer deutschen Kapitalgesellschaft an eine ausländische Kapitalgesellschaft unterliegen in Deutschland der Kapitalertragsteuer von 25% zzgl. 5,5% Solidaritätszuschlag hierauf (die effektive Steuerlast beträgt somit 26,375%). Unterliegt die die Dividende empfangende Kapitalgesellschaft in Deutschland der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht, so werden grundsätzlich zwei Fünftel der einbehaltenen und abgeführten Kapitalertragsteuer erstattet. Die effektive Steuerbelastung beträgt dann 16,375%. Durch die Zwischenschaltung einer Holdinggesellschaft und die entsprechende Umleitung der Dividende kann die Belastung mit deutscher Kapitalertragsteuer (Quellensteuer) vermieden oder zumindest reduziert werden.  Unter bestimmten Voraussetzungen werden die Quellensteuerentlastungen in Deutschland jedoch nicht gewährt. Das BMF hat sich jüngst dazu geäußert, wie mit der Entlastung vom Steuerabzug vom Kapitalertrag bei ausländischen Gesellschaften umzugehen ist.

Die Anti-Missbrauchsvorschrift des § 50d Abs. 3 EStG (2012)

Die Quellensteuerentlastung wird dann verweigert, wenn die Zwischenschaltung der Holdinggesellschaft hauptsächlich zur Erlangung von Abkommensvorteilen bzw. Vorteilen nach EU-Richtlinien (z.B. EU-Mutter-Tochter-Richtlinie oder EU-Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie) erfolgte und daher als missbräuchlich qualifiziert wird.

Das deutsche Steuerrecht enthält in § 50d Abs. 3 EStG für den Fall des Treaty / EU-Directive Shoppings eine spezielle Anti-Missbrauchsvorschrift, die Vorrang vor der allgemeinen Gestaltungsmissbrauchsklausel des § 42 AO hat. Nach der sog. Anti-Treaty (Anti-Directive) Shopping-Vorschrift werden Quellensteuerentlastungen in Deutschland nicht gewährt, soweit

  • Personen an der ausländischen Gesellschaft (hier: Holdinggesellschaft) beteiligt sind, denen die Steuerentlastung nicht zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielen und
  • die von der ausländischen Muttergesellschaft erzielten Erträge nicht aus ihrer eigenen Wirtschaftstätigkeit stammen; und alternativ
    • in Bezug auf diese Erträge auch keine wirtschaftlichen oder sonst beachtlichen Gründe für die Einschaltung der ausländischen Muttergesellschaft vorliegen oder
    • die ausländische Muttergesellschaft nicht mit einem für ihren Zweck angemessenen eingerichteten Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt.

Die EuGH-Entscheidung Deister Holding / Juhler

Der EuGH hat am 20.12.2017 in den verbundenen Rechtssachen Deister Holding (C-504/16) und Juhler (C-613/16, RS1261217) die Vorgängerfassung des derzeitigen § 50d Abs. 3 EStG (i.d.F. des JStG 2007) für mit EU-Recht unvereinbar erklärt (vgl. zur Vorlage des FG Köln, Herrmann, HB Steuerboard vom 09.08.2017).

Das BMF-Schreiben zur weiteren Anwendung der Anti-Missbrauchsvorschrift

Mit Schreiben vom 04.04.2018 (DB 2018 S. 861) hat das BMF zur Anwendung von § 50d Abs. 3 EStG in der Fassung des JStG 2017 sowie zur aktuellen Fassung Stellung genommen. Das BMF merkt hierin zur aktuellen Fassung von § 50d Abs. 3 EStG und des dazugehörigen BMF-Schreibens vom 24.01.2012 (BStBl. I 2012 S. 171 = DB 2012 S. 262) mit Blick auf das EuGH-Urteil vom 20.12.2017 lediglich drei Aspekte an:

  1. In Anwendungsfällen der EU-Mutter-Tochter-Richtlinie (§ 43b EStG) soll § 50d Abs. 3 Satz 2 EStG nicht mehr gelten. Somit sind auch konzerninterne Verhältnisse der ausländischen Gesellschaft, die eine Entlastung von deutscher Kapitalertragsteuer auf Dividenden beantragt, zu berücksichtigen. Somit werden nun auch Struktur- und Strategiekonzepte des Konzerns als relevant angesehen (vgl. entgegen BMF-Schreiben vom 24.01.2012, a.a.O., Tz. 8).
  2. Auch eine passive Beteiligungsverwaltung soll als eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr gelten, wenn die ausländische Gesellschaft ihre Rechte als Gesellschafterin tatsächlich ausübt (vgl. entgegen BMF-Schreiben vom 24.01.2012, a.a.O., Tz. 5.2).
  3. Für einen angemessenen Geschäftsbetrieb ist nicht zwingend Voraussetzung, dass die ausländische Gesellschaft ständig sowohl geschäftsleitendes als auch anderes Personal beschäftigt (vgl. entgegen BMF-Schreiben vom 24.01.2012, a.a.O., Tz. 7).

Bewertung: Ungenügend!

Das BMF-Schreiben vom 04.04.2018 ist mit Blick auf die EuGH-Entscheidung Deister Holding / Juhler in vielen Punkten als ungenügend zu bewerten:

  1. DBA-Fälle innerhalb der EU müssen ebenfalls erfasst werden.
  2. Es müssen neben den Dividenden auch die Fälle von § 50a EStG und § 50g EStG (Zinsen und Lizenzen) erfasst werden.
  3. Nicht nur EU-Fälle sind neu zu regeln, sondern auch EWR-Fälle sowie Drittstaaten-Fälle, sofern die Kapitalverkehrsfreiheit auch anzuwenden ist (vgl. z.B. das Diskriminierungsverbot des Art. 24 Abs. 1 und 4 DBA-USA).
  4. Die typisierende Missbrauchsvermutung muss bereits durch den Nachweis wirtschaftlicher Gründe widerlegt werden können. Die weitergehenden Anforderungen des § 50d Abs. 3 EStG (z.B. einer eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit) verstoßen gegen die Grundsätze der Rechtsprechung des EuGH i.S.d. Rechtssachen Cadburry Schweppes (Urteil vom 12.06.2006 – Rs. C-196/04, DB 2006 S. 2045 m. Anm. Wassermeyer) und Deister Holding / Juhler (a.a.O.).

Der Gesetzgeber muss nun kurzfristig reagieren, denn das teilweise Entschärfen der gesetzlichen Regelung durch das BMF-Schreiben reicht nicht aus.

Kommentare sind geschlossen.