Schenkung- und Ertragsteuern bei verdeckter Gewinnausschüttung einer Kapitalgesellschaft

RA/StB Hermann-Ulrich Viskorf, Of Counsel bei TaylorWessing, München

Die steuerlichen Auswirkungen verdeckter Gewinnausschüttungen sind in der Vergangenheit sowohl bei der Ertragsteuer als auch bei der Schenkungsteuer kontrovers diskutiert worden. Der II. Senat des BFH hat mit drei Grundsatzentscheidungen vom 13.09.2017 (II R 54/15, II R 42/16 und II R 32/16, DB 2018 S. 293) unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung (Urteil vom 07.11.2007 – II R 28/06, DB 2008 S. 509) die schenkungsteuerrechtliche Beurteilung der vGA neu justiert. Die Finanzverwaltung ist der neuen Rechtsprechungslinie durch gleichlautende Erlasse vom 20.04.2018 (BStBl. I 2018 S. 632 = DB 2018 S. 1437) gefolgt. Bemerkenswert ist dabei das Zusammenspiel von Schenkung- und Ertragsteuer, welches weitgehend verhindert, dass es zu einer Doppelbelastung mit Schenkung- und Einkommensteuer kommt.

Betroffene Fallkonstellationen

Betroffen von dieser Rechtsentwicklung sind vornehmlich die Fälle der sog. mittelbaren verdeckten Gewinnausschüttungen (vGA) an nahestehende Personen. Merkmal einer solchen vGA ist es, dass versteckt in einer allgemein-schuldrechtlichen Vereinbarung überhöhte Entgelte an den Gesellschafter selbst oder eine ihm nahestehende Person, sei diese Mitgesellschafterin oder gesellschaftsfremde Dritte, geleistet werden. Es geht dabei um folgende Fallkonstellationen:

Beispiel 1: Vater (V) ist Alleingesellschafter der A-GmbH. Die A-GmbH zahlt mit Zustimmung des V an den Sohn (S) des V ein um 1 Mio. € überhöhtes jährliches Geschäftsführergehalt.

Beispiel 2: Vater (V) und Sohn (S) sind Gesellschafter der A-GmbH. V ist zu 75% und S zu 25% beteiligt. Die A-GmbH zahlt mit Zustimmung des V an S ein um 1 Mio. € überhöhtes jährliches Geschäftsführergehalt.

Körperschaftsteuer

In der Zahlung des überhöhten Gehalts an S liegt in beiden Fällen eine vGA der A-GmbH, die deren Einkommen nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG nicht mindert. Die GmbH kann deshalb das an S gezahlte Geschäftsführergehalt nur in Höhe der fremdüblichen Vergütung einkommensmindernd berücksichtigen.

Einkommensteuer

Die vGA führt bei demjenigen Anteilseigner (Gesellschafter), dem sie zufließt oder dem sie zuzurechnen ist, nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG zu Einkünften aus Kapitalvermögen. Die Leistungen der Gesellschaft müssen nicht unmittelbar dem Gesellschafter selbst zufließen. Vielmehr reicht es für die Annahme einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung nach h.M. aus, wenn die Leistungen auf Veranlassung eines Gesellschafters einem Dritten gewährt werden und es sich bei diesem um eine dem Gesellschafter nahestehende Person handelt. In diesen Fällen besteht ein Dreiecksverhältnis dergestalt, dass die GmbH im abgekürzten Leistungsweg eine dem Gesellschafter aus dem Gesellschaftsverhältnis zustehende Leistung auf dessen Veranlassung unmittelbar an den Dritten erbringt.

Im Beispielsfall 1 führt dies zu Einkünften aus Kapitalvermögen bei V in Höhe von 1 Mio. €. Denn V sind die überhöhten Zahlungen an S, der ihm als Sohn nahesteht, einkommensteuerrechtlich zuzurechnen. Diesen Leistungen an S liegt das Gesellschaftsverhältnis zwischen V und der A-GmbH zugrunde. Dieses verdrängt die schuldrechtlichen Vereinbarungen zwischen der GmbH und S, soweit die Zahlungen an S überhöht und deshalb als vGA zu behandeln sind. Diese einkommensteuerrechtliche Zurechnung bei V als Einkunft aus Kapitalvermögen schließt es aus, dieselben Einkünfte gleichzeitig auch bei S, dem Leistungsempfänger als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit nach § 19 EStG zu erfassen, so dass im Umfang der vGA keine Einkommensteuerbelastung der überhöhten Gehaltszahlungen bei S eintritt und somit eine ertragsteuerliche Doppelerfassung ein und derselben Leistung sowohl bei V als auch bei S vermieden wird.

Im Beispielsfall 2 besteht die Besonderheit darin, dass S anders im Beispielsfall 1 kein gesellschaftsfremder Dritter sondern Mitgesellschafter ist, und sich deshalb die Frage stellt, welchem Gesellschafter – dem S als Leistungsempfänger oder V als „Veranlasser“ – die vGA in welchem Umfang zuzurechnen ist. Die Frage hängt maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls insbesondere davon ab, ob die vGA zu einer disquotalen, d.h. den Beteiligungsquoten nicht entsprechenden Gewinnausschüttung führt. In solchen Fällen können ertragsteuerrechtlich die von der Beteiligungsquote abweichenden Zuwendungen zumindest dann dem im Verhältnis zu seiner Beteiligungsquote „benachteiligten“ Gesellschafter zugerechnet werden, wenn anzunehmen ist, dass dieser dem die Leistung empfangenden Gesellschafter etwas zuwenden wollte (z.B.: BFH vom 30.11.2010 – VIII R 19/07, RS0765726 = BFH/NV 2011 S. 449). In diesen Fällen kommt es zu einer quotalen Aufteilung der vGA auf beide Gesellschafter entsprechend ihren Beteiligungen. Steht der begünstigte Gesellschafter mehreren Gesellschaftern nahe, kommt es darauf an, welcher Gesellschafter die vGA veranlasst hat (BFH vom 14.03.2017 – VIII R 32/14, RS1242994 = BFH/NV 2017 S. 1174).

Im Beispielsfall 2 ist nach den gesamten Umständen davon auszugehen, dass V dem S mit den überhöhten Zahlungen etwas zuwenden wollte und auch beim Abschluss der Vereinbarung zwischen der A-GmbH und S mitgewirkt hat. Demnach ist ihm die vGA anteilig, seiner Beteiligungsquote von 75% entsprechend zuzurechnen. Dies gilt für S entsprechend. Soweit die vGA dem V zu 75% und S zu 25% zuzurechnen ist, weil Rechtsgrund für die Leistung das Gesellschaftsverhältnis ist, führt dies bei diesen zu Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG.

Schenkungsteuer

In seinen Grundsatzentscheidungen vom 13.09.2017 (a.a.O.) knüpft der II. Senat des BFH für die Schenkungsteuer an die ertragsteuerrechtliche Behandlung der vGA an und legt seiner Entscheidung dieselbe bürgerlich-rechtliche, gesellschafts- und steuerrechtliche Systematik zugrunde.

Im Ergebnis läuft die Entscheidung darauf hinaus, dass (offene oder verdeckte) Leistungen (Ausschüttungen) einer Kapitalgesellschaft unmittelbar an einen Gesellschafter oder an eine ihm nahestehende Person, die dem Gesellschafter einkommensteuerrechtlich zuzurechnen sind und bei ihm zu Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG führen, keine freigebige Zuwendung der GmbH an den Gesellschafter i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG darstellen. Es fehlt insoweit an dem Merkmal der Freigebigkeit, weil den Leistungen das Gesellschaftsverhältnis zugrunde liegt. Zudem handelt es sich beim Gesellschafter ertragsteuerrechtlich um Erwerbseinkommen, welches die Annahme einer Schenkung ausschließt.

Soweit den Zahlungen an S ein Gesellschaftsverhältnis zugrunde liegt und die Voraussetzungen einer vGA gegeben sind, scheidet eine Schenkungsbesteuerung aus. Diese Vorgänge unterliegen allein der Einkommensteuer. Voraussetzung für die einkommensteuerrechtliche Zurechnung als vGA ist jedoch, dass der Gesellschafter beim Abschluss der Vereinbarung zwischen der GmbH und der nahestehenden Person mitgewirkt hat. Die schenkungsteuerrechtliche Beurteilung knüpft damit an die einkommensteuerrechtliche Sicht an.

Eine freigebige Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG kommt in diesen Fällen aber im Verhältnis zwischen dem Gesellschafter und der nahestehenden Person (hier: V und S) in Betracht. In einem obiter dictum führt der II. Senat des BFH aus, dass durch die Mitwirkung bei dem zwischen der GmbH und einer nahestehenden Person abgeschlossenen Vertrag der Gesellschafter der ihm nahestehenden Person einen Vermögensvorteil verschaffe und insoweit über eigene künftige Gewinnausschüttungsansprüche oder Entnahmerechte gegenüber der GmbH verfüge. Zugleich ermächtige der Gesellschafter die GmbH, an die nahestehende Person mit befreiender Wirkung im sog. abgekürzten Zahlungsweg zu leisten.

Finanzverwaltung folgt neuer BFH-Rechtsprechung

Die o.g. gleichlautenden Ländererlasse weisen zu Recht darauf hin, dass in diesen Fällen ausnahmsweise keine freigebige Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gegeben ist, wenn nach der Ausgestaltung der zwischen dem Gesellschafter und der nahestehenden Person bestehenden Rechtsbeziehung eine Gegenleistung/ein anderweitiger Ausgleich für die überhöhte Vergütung vorliegt.

Danach ist im Beispielsfall 1 mangels eines anderweitigen Ausgleichs eine freigebige Zuwendung des V an S in Höhe von 1 Mio. € anzunehmen. Es kommt bei S nicht zu einer Doppelbelastung mit Einkommen- und Schenkungsteuer. Vielmehr wird die vereinbarte Geschäftsführervergütung aufgeteilt in einen dem Fremdvergleich entsprechenden Teil, der der Einkommensteuer unterliegt, und den als vGA einzustufenden Teil (1 Mio. €), der der Schenkungsteuer unterliegt. Für V stellt sich der Vorgang als Einkommensverwendung dar; er schenkt dem S aus versteuertem Einkommen.

Im Beispielsfall 2 ist bei der disquotalen vGA ebenfalls eine freigebige Zuwendung des V an S anzunehmen (so zutreffend gleichlautende Ländererlasse [a.a.O.] unter Tz. 2.6.4). Dies allerdings nur, soweit dem V die vGA einkommensteuerrechtlich zuzurechnen ist (75%). Dies setzt die Mitwirkung des V sowie sein Bewusstsein voraus, S (teil-)unentgeltlich zu bereichern. Fehlt es hieran, scheidet auch eine steuerbare Schenkung zwischen den Gesellschaftern in jedem Fall aus.

Anzeigepflichten

Für die Praxis wichtig sind die geänderten Anzeigepflichten nach § 30 ErbStG. Da nicht mehr die GmbH Zuwendende ist, scheidet sie als Anzeigeverpflichtete aus. Zur Anzeige verpflichtet sind der Gesellschafter als Zuwendender und die nahestehende Person als Zuwendungsempfänger. Die Nichtbeachtung der Anzeigepflichten in den Fällen der vGA an nahestehende Personen kann unangenehme, insbesondere auch strafrechtliche Folgen haben.

Kommentare sind geschlossen.