Quellensteuereinbehalt nach § 50a EStG bei Online-Werbung

StB Dipl.-Fw. (FH) Raphael Baumgartner, P+P Pöllath + Partners Rechtsanwälte und Steuerberater mbB, München

In jüngster Vergangenheit rückt die Besteuerung der digitalen Wirtschaft zunehmend in den Fokus. Neben der OECD, die dieses Thema im Aktionspunkt 1 des BEPS-Projekts aufgegriffen hat, legt insbesondere die Finanzverwaltung ein immer größeres Augenmerk auf dieses Thema. Letztere vertritt aktuell die Auffassung, dass Vergütungen an ausländische Internetportalbetreiber (z.B. Suchmaschinenanbieter und Social-Media-Plattformen) für das Schalten von Online-Werbung der Quellensteuer nach § 50a EStG unterliegen (vgl. hierzu auch Diffring/Saft, DB 2019 S. 387). Die Mehrbelastung deutscher Kunden beläuft sich hierdurch grds. auf 15% (zzgl. 0,825% Solidaritätszuschlag), wird sich in den meisten Fällen aufgrund vertraglicher „Gross-Up“-Klauseln jedoch auf ca. 18,8% der Vergütung erhöhen (vgl. H 50a.2 EStH). Besonders belastet werden dadurch meist kleinere werbeintensive Unternehmen, denen in der Folge die Insolvenz drohen könnte.

Beschränkte Steuerpflicht und Quellensteuereinbehalt

Von Teilen der Finanzverwaltung (vgl. Hruschka, DStR 2019 S. 88 ff.) wird aktuell vertreten, dass ausländische Anbieter (i.S.v. § 1 Abs. 4 EStG bzw. § 2 Nr. 1 KStG) durch das Erbringen der vereinbarten Werbeleistung beschränkt steuerpflichtig in Deutschland werden. Dies sei der Fall, da es sich bei der Werbeleistung der ausländischen Anbieter um eine Nutzungsüberlassung von Rechten und ähnlichen Erfahrungen (Überlassung von Know-how) handelt (§ 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG).

Quellensteuereinbehalt nach Auffassung der Finanzverwaltung

Bei beschränkt Steuerpflichtigen wird nach § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG die Steuer auf Einkünfte, die aus Vergütungen für die Überlassung der Nutzung oder des Rechts auf Nutzung von Rechten sowie Know-how herrühren, durch Quellensteuereinbehalt erhoben. Gegenwärtig wird entgegen der Meinung des BMF (vgl. BMF-Schreiben vom 25.11.2010, DB0394933, Rn. 22) vertreten, dass der Begriff des Rechts i.S.v. § 50a EStG weit auszulegen sei und der Tatbestand des § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG bei der Schaltung von Online-Werbung erfüllt sei, da ein Recht auf Nutzung von Know-how zeitlich befristet überlassen werde (vgl. u.A. Schlotter/Hruschka, in: StBJB 2017/2018 S. 711 f.). Die einzubehaltende und für Rechnung des ausländischen Anbieters abzuführende Quellensteuer (§ 50a Abs. 5 Satz 1-3 EStG) beträgt grundsätzlich 15% (zzgl. 0,825% Solidaritätszuschlag) der geleisteten Zahlungen ohne Umsatzsteuer (vgl. BMF vom 25.11.2010, a.a.O., Rn. 45). Da die meisten namhaften Anbieter sog. „Gross-up-Klauseln“ (vgl. Pinkernell/Schlotter, in: Rübenstahl/Idler, „Tax Compliance 2018“, S. 1145) vereinbaren, erhöht sich die Quellensteuerbelastung auf ca. 18,8% der an den Anbieter zu zahlenden Vergütung. Sollte den Pflichten nicht nachgekommen werden und wird dies während einer späteren Betriebsprüfung aufgedeckt, kann der deutsche Kunde in Haftung genommen werden (§ 50a Abs. 5 Satz 4 EStG).

Da die meisten DBA das Besteuerungsrecht für die Vergütungen dem ausländischen Staat zuweisen, hat der ausländische Anbieter grundsätzlich die Möglichkeit eines Erstattungsantrags nach § 50d Abs. 1 EStG bzw. eines Freistellungsantrags nach § 50d Abs. 2 EStG. Diese Anträge könnten trotz der EuGH-Rechtsprechung zu § 50d Abs. 3 EStG (EuGH vom 20.12.2017 – Rs. C-504/16, DeisterHolding AG und Rs. C-613/16, Juhler Holding A/S, RS1260132, sowie vom 14.06.2018 – Rs. C-440/17, GS, RS1275119) unter Berufung auf das BMF-Schreiben vom 04.04.2018 (BStBl. I 2018 S. 589 = DB 2018 S. 861) abgelehnt werden, da die Voraussetzungen des § 50d Abs. 3 EStG nicht erfüllt sein könnten. Dadurch ergibt sich eine endgültige Belastung für den deutschen Kunden.

Eigene Auffassung

Dieser Auffassung ist m.E. nicht zuzustimmen. Tatsächlich bekommt der deutsche Kunde nicht das Know-how vom ausländischen Anbieter überlassen, da diesem gerade nicht das Wissen des Anbieters zur Verfügung gestellt wird. Ohne die Mitwirkung des ausländischen Anbieters wäre der Kunde nicht in der Lage, die Online-Werbung selbstständig zu schalten. Der ausländische Anbieter nutzt somit sein Know-how zur Erbringung einer Dienstleistung. Diese Auffassung wird auch durch das BGH-Urteil vom 22.03.2018 (BGH vom 22.03.2018 – VII ZR 71/17, RS1268229) bestätigt. Darin wurde entschieden, dass es sich bei einem Vertrag über die Platzierung von Bannerwerbung im Internet um einen Werkvertrag handelt. Auch der BFH hat bereits zu ähnlichen Sachverhalten entschieden. So stellt dieser für die Abgrenzung zwischen einer Dienstleistung und einer Rechteüberlassung auf das aktive Tätigwerden des Anbieters ab. M.E. werden die ausländischen Anbieter durch die Werbeleistung aktiv tätig, da diese eine Rechenleistung an den deutschen Kunden erbringen. Auch das sog. „Bandenwerbungsurteil“ (BFH vom 16.05.2001 – I R 64/99, BStBl. II 2003 S. 641 = DB 2001 S. 2532), mit dem darin enthaltenen Verweis auf ein BGH-Urteil vom 26.01.1994 (BGH vom 26.01.1994 – XII ZR 93/92), stützt diese These, wenngleich der BFH die Rechtsfrage in diesem Fall explizit offen gelassen hat. Der BGH hatte entschieden, dass es sich bei der Einräumung des Rechts zum selbstständigen Aufstellen von Werbetafeln um eine Rechteüberlassung handelt. Im Gegensatz zur Online-Werbung war keine aktive Tätigkeit des überlassenden Rechtsträgers erforderlich.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass der ausländische Anbieter nicht beschränkt steuerpflichtig wird und keine Pflicht zum Quellensteuereinbehalt besteht.

Praxisfolgen

Gegenwärtig sollten die Pflichten zum Einbehalt und zur Abführung der Quellensteuer beachtet werden, um eine Geldbuße von bis zu 25.000 € (§ 380 AO) zu vermeiden und keine leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 AO) oder gar Steuerhinterziehung (§ 370 AO) zu begehen (so auch Pinkernell/Schlotter, in: Rübenstahl/Idler, Tax Compliance 2018, S. 1171).

Die Anmeldung der Quellensteuer sollte – obwohl diese kraft Gesetzes unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht (§§ 168 i.V.m. 164 AO) – mit Einspruch angefochten werden (zur Einspruchsberechtigung des deutschen Kunden vgl. BMF vom 25.11.2010, a.a.O., Rn. 68). Da sich das zuständige Bundeszentralamt für Steuern gegenwärtig eine Meinung zu diesem Thema bildet, kann der Einspruch mit einem erfolgsversprechenden Antrag auf Aussetzung der Vollziehung verbunden werden. Bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung durch den BFH werden Verträge über das Schalten von Online-Werbung mit ausländischen Anbietern immer wieder zu Streitigkeiten mit der Finanzverwaltung führen, da neben dem Quellensteuereinbehalt auch eine gewerbesteuerliche Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG sowie die Anwendung der Lizenzschranke nach § 4j EStG im Raum steht.

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