Non-Profit-Organisationen: Vereinzelte Gestaltung führt zu Verschärfung beim Kapitalertragsteuerabzug

RA/FAStR Dr. Anna Katharina Gollan, LL.M., Counsel bei P+P Pöllath + Partners, Berlin

Die durch Aktiengeschäfte in zeitlicher Nähe zum Ausschüttungstermin entstandenen Steuerausfälle werden auch als größter Steuerskandal der Geschichte bezeichnet. Gemeinnützige Organisationen werden in der öffentlichen Wahrnehmung mit Cum-/Ex- oder Cum-/Cum-Fällen zu Recht nicht in Verbindung gebracht. Ein Fall des FG Hessen betraf allerdings eine entsprechende Gestaltung und hatte zum Jahresbeginn 2019 weitere Verschärfungen beim Kapitalertragsteuerabzug für gemeinnützige Organisationen zur Folge (FG Hessen vom 17.08.2018 – 4 V 1131/17, RS1281643; vgl. hierzu auch Amann, StR kompakt, DB1287146).

 

Sachverhalt

Die Antragstellerin bezweckt nach ihrer Satzung die Förderung von Kunst und Kultur und erfüllte die Anforderungen der AO für gemeinnützige Körperschaften, was vom zuständigen Finanzamt im Jahr 2015 gem. § 60a AO gesondert festgestellt wurde.

Im Jahr 2016 kaufte die Antragstellerin kurz vor dem Dividendenstichtag Aktien in Milliardenhöhe von ausländischen Anteilseignern. Die Kaufpreiszahlungen hatte sie fremdfinanziert. Die Dividendenauszahlung erfolgte aufgrund der Vorlage des Bescheides nach § 60a AO ohne Kapitalertragsteuerabzug. Unmittelbar nach Lieferung der Aktien verkaufte die Antragstellerin die Aktien wieder zurück an den ausländischen Anteilseigner. Das Gesamtvolumen der Dividendengutschriften im Sommer 2016 betrug 50 Mio. €. Durch die jeweils einen Tag später erfolgte Rückveräußerung der Aktien verblieben die Erträge allerdings nicht bei der Antragstellerin. Mangels ausreichender Liquidität wurden im Jahr 2016 mit Ausnahme einer sechstägigen Kunstausstellung sowie einer nicht bezifferten Zuwendung an einen Kunstverein keine gemeinnützigen Aktivitäten durchgeführt.

Versagung der Gemeinnützigkeit mangels Selbstlosigkeit und Ausschließlichkeit

Das FG Hessen bestätigte in seinem Beschluss die durch das Finanzamt vorgenommene Aberkennung der Gemeinnützigkeit. Im Rahmen der tatsächlichen Geschäftsführung der Antragstellerin fehle es an einer selbstlosen und ausschließlichen Zweckverfolgung gem. §§ 55, 56 AO. Der überwiegende Teil der Geschäftsführung sei auf die professionelle Durchführung der Aktiengeschäfte zur Vermeidung des Kapitalertragsteuerabzugs gerichtet gewesen. Hierfür sprachen aus Sicht des Gerichts folgende Indizien: Der überwiegende Anteil der Tätigkeiten und Aktivitäten lag im Bereich des Aktientransfers. Gegenüber dem zugehörigen Aufwand in Form von komplexen vertraglichen Gestaltungen, Sicherungsgeschäften und der Fremdfinanzierung der Geschäfte nahmen die ideellen Tätigkeiten einen untergeordneten Umfang ein. Auch die langjährige berufliche Erfahrung des Geschäftsführers der Antragstellerin in der Bank- und Finanzmarktbranche sowie seine Einstufung als professioneller Anleger im Sinne des WpHG sprachen aus Sicht des Gerichts dafür, dass es der Antragstellerin von Anfang an nicht um die Förderung von Kunst und Kultur ging.

Das Gericht ordnete sämtliche Einkünfte dem Gewerbebetrieb, hilfsweise dem steuerpflichtigen wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb zu.

Nicht verallgemeinerbare Einzelfallentscheidung

Die Begründungsansätze des FG Hessen, wonach das Verhältnis des Umfangs der Aktiengeschäfte zur ideellen Tätigkeit, die Fremdfinanzierung sowie die Einstufung als professioneller Anleger im Sinne des WpHG gegen eine selbstlose und ausschließliche Tätigkeit der Organisation sprechen, sind m.E. nicht verallgemeinerbar:

  • Eine überwiegende Finanzierung durch wirtschaftliche Tätigkeiten stellt – wie auch die Finanzverwaltung in AEAO Nr. 1 zu § 56 AO anerkennt – nicht automatisch die Ausschließlichkeit der Zweckverwirklichung infrage. Folgerichtig knüpft das FG Hessen auch nicht an ein „quantitatives Ungleichgewicht“ an.
  • Aber auch eine überwiegende Aktivität im wirtschaftlichen Bereich stellt nicht zwangsläufig die Steuerbefreiung infrage (vgl. BFH vom 04.04.2017 – I R 76/05, DB 2007 S. 1443). Gerade wenn Mittelbeschaffungskörperschaften satzungsgemäß eine bestimmte Empfänger-Organisation fördern (z.B. Schulfördervereine) und sich, ggf. zu einem erheblichen Teil aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben (z.B. Basaren) finanzieren, wird der Schwerpunkt des Personaleinsatzes typischerweise im wirtschaftlichen Bereich liegen. Die ideelle Tätigkeit wird nämlich im Wesentlichen durch die Ausführung von Überweisungen ausgeübt. In entsprechenden Fällen liegt regelmäßig dennoch eine ausschließlich gemeinnützige Zweckverfolgung vor.
  • Auch eine Darlehensaufnahme ist für gemeinnützige Körperschaften im Rahmen der Vermögensverwaltung grundsätzlich zulässig, soweit sie für die Darlehenstilgung nicht zeitnah zu verwendende Mittel verwenden.
  • Zudem weist die Eigenschaft eines Organmitglieds als professioneller Anleger regelmäßig nicht auf einen Verstoß gegen das Ausschließlichkeitsgebot hin. Eine andere Auslegung würde die häufig geforderte Professionalisierung des Sektors deutlich behindern.
  • Schließlich kann auch der Umstand, dass vorliegend im Streitjahr 2016 nur Mittel in geringem Umfang für gemeinnützige Zwecke verwendet wurden, nicht die Versagung der Steuerbefreiung rechtfertigen. Denn die Verwendungsfrist lief erst Ende 2018 ab (vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO).

Das FG hat die einzelnen Umstände lediglich als Indizien herangezogen und erst in der Gesamtwürdigung die Steuerbefreiung verneint. Im Ergebnis mag die Aberkennung der Gemeinnützigkeit auch zutreffend sein: Schädlich wäre es, wenn – was naheliegend ist – eigentlicher Zweck der Antragstellerin die Verschaffung wirtschaftlicher Vorteile für die ausländischen Anteilseigner war. Insbesondere ein Mitteleinsatz und im Rahmen der Aktiengeschäfte eingegangene Risiken, welche in keinem vernünftigen Verhältnis zu dem erzielten Gewinn standen, dürften auf eine gemeinnützigkeitsschädliche Zweckverwirklichung hinweisen. Diese Punkte spricht das FG Hessen in seiner Begründung jedoch nicht an, weshalb sie zu kurz greift.

Gesetzliche Verschärfungen

Auch über die Aussagen zum Verhältnis mittelbeschaffender und zweckverwirklichender Tätigkeit hinaus ist der besprochene Fall für die meisten gemeinnützigen Organisationen von erheblicher Bedeutung, denn er war Anlass für eine drastische Verschärfung der geltenden Regelungen für den Kapitalertragsteuerabzug: Bereits zum 01.01.2016 wurde die grundsätzlich vorgesehene Abstandnahme vom Kapitalertragsteuerabzug für Dividenden aus sammelverwahrten Aktien für gemeinnützige Organisationen unter bestimmten Voraussetzungen gesetzlich eingeschränkt: Überschreiten die Dividenden 20.000 € oder beträgt die Haltedauer vor Zufluss weniger als ein Jahr, so sind sie aufgrund der Neuregelung in § 36a Abs. 4 EStG gegenüber dem Finanzamt zur Anzeige und ggf. zur Abführung der Kapitalertragsteuer verpflichtet, falls die Voraussetzungen für eine Anrechenbarkeit der Kapitalertragsteuer nach § 36a Abs. 1 bis 3 EStG nicht vorliegen.

Aus der im Besprechungsfall unterbliebenen Anzeige hat der Gesetzgeber auf ein Vollzugsdefizit dieser Regelung geschlossen und den Fall zum Anlass für eine weitere Verschärfung genommen: Zum 01.01.2019 ist für Dividenden aus sammelverwahrten Aktien, die eine Grenze (technisch wohl ein Freibetrag) von 20.000 € übersteigen und bei denen vor Zufluss keine mindestens einjährige Haltedauer vorliegt, ein Steuerabzug in Höhe von drei Fünfteln (also 15 Prozent) vorzunehmen (vgl. § 44a Abs. 10 Nr. 3 EStG). Für die gemeinnützigen Organisationen bedeutet das neue System zumindest einen erheblichen Mehraufwand und Liquiditätsverlust, zumal die Finanzverwaltung bis Ende dieses Jahres einen Steuerabzug auch bei Kapitalerträgen unterhalb der Bagatellgrenze von 20.000 € nicht beanstandet und die gemeinnützigen Organisationen auf das Erstattungsverfahren nach § 44b Abs. 2 EStG verweist (vgl. BMF-Schreiben vom 17.12.2018, DB 2019 S. 99).

Einordnung der Kapitalerträge

Im Beschwerdeverfahren (Az. I B 57/18) wird sich der BFH voraussichtlich mit der hier nicht vertieften Frage der Einordnung der Einkünfte als solche nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG sowie der Anwendung des § 8b Abs. 7 KStG beschäftigen (siehe hierzu auch Oellerich, EFG 2018 S. 1754). Zu hoffen ist, dass auch eine richtigstellende Einordnung der gemeinnützigkeitsrechtlichen Aussagen erfolgt.

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