Das Umwandlungssteuergesetz soll nach der Auffassung des BFH „die betriebswirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierung von Unternehmen … erleichtern und für den nach allgemeinen ertragsteuerrechtlichen Grundsätzen verwirklichten Realisationstatbestand … einen Steueraufschub … gewähren“ (zuletzt BFH vom 30.05.2018 – I R 31/16, DB 2018 S. 2907, Rz. 26). Allerdings wird dieser Programmsatz bei einer Umwandlung von Kapitalgesellschaften auf Personengesellschaften nach dem Verschmelzungsteil des Umwandlungssteuergesetzes (§§ 3-9, 16, 18 UmwStG) nicht für alle steuerlichen Aspekte der Umwandlung konsequent umgesetzt. Durch das prominente Wahlrecht der übertragenden Körperschaft nach § 3 Abs. 2 UmwStG kann zwar der Wertansatz der „übergehenden Wirtschaftsgüter“ in Grenzen gesteuert werden. Der übernehmende Rechtsträger ist dann an diese Werte gebunden (§ 4 Abs. 1 Satz 1 UmwStG).
Fiktive Dividende ist nicht zu verhindern
Bedingt durch den Systemwechsel von intransparenter zu transparenter Besteuerung ist allerdings zwingend eine „fiktive Dividende“ nach § 7 UmwStG anzusetzen. Diese sorgt durch eine – vereinfacht gesprochen – fiktive Vollausschüttung der vorhandenen Gewinnrücklagen dafür, dass der Fiskus eine Nachversteuerung auf Anteilseignerebene genießt. Es wird schlicht ein Bezug nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG fingiert. Nach der Umwandlung könnten die Mitunternehmer der übernehmenden Personengesellschaft ansonsten aus der Personengesellschaft ohne unmittelbare Besteuerungsfolgen Entnahmen tätigen. Zur Nachversteuerung käme es systembedingt nicht mehr. Auch ein übernehmender Einzelunternehmer unterläge insoweit keinen Restriktionen mehr. Die fiktive Dividende lässt sich nicht durch Anträge verhindern, auch wenn ihr Umfang indirekt von der Ausübung des Wahlrechts des § 3 Abs. 2 UmwStG abhängt: Je höher hier bewertet wird, desto höher ist auch die fiktive Dividende.
Fiktive Dividende hat zahlreiche Auswirkungen
Der Kapitalertragsteuereinbehalt ist die unmittelbare Folge der Entstehung der fiktiven Dividende (zu den ungewöhnlichen Modalitäten vgl. Umwandlungssteuererlass vom 11.11.2011, BStBl. I 2011 S. 1314, Tz. 07.08). Für ausländische Anteilseigner ist hier auch die fehlende Anwendbarkeit der Reduktionsmöglichkeiten der Mutter-Tochter-Richtlinie zu beachten (§ 43b Abs. 1 Satz 4 EStG). Durch die Zugehörigkeit der (meisten) Anteile an der übertragenden Körperschaft zum Betriebsvermögen (§ 5 UmwStG) wird dann nach dem Teileinkünfteverfahren oder § 8b KStG weiter verfahren, unter Anrechnung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer. Die fiktive Dividende hat jedoch weitere Auswirkungen für die Umwandlungsbeteiligten, die über diese unmittelbaren Besteuerungsfolgen hinausgehen. U.a. ist sie nach § 4 Abs. 5 Satz 2 UmwStG bei der Ermittlung des Übernahmegewinns „auf der zweiten Stufe“ wieder abzuziehen. Der Umwandlungssteuererlass illustriert diesen Zusammenhang mit einem Beispiel (dort Tz. 04.27). Zudem wird ein eventueller Übernahmeverlust (§ 4 Abs. 6 UmwStG) nur bis höchstens 60% der Bezüge i.S.d. § 7 UmwStG berücksichtigt. Der verbleibende Übernahmeverlust bleibt außer Ansatz (§ 4 Abs. 6 Satz 4 UmwStG).
Ermittlung der fiktiven Dividende im Fokus
Die vermeintlich klare Anweisung des § 7 Satz 1 UmwStG zur Ermittlung der Höhe der fiktiven Vollausschüttung hat mithin Relevanz. Die Definition knüpft an das „in der Steuerbilanz ausgewiesene Eigenkapital“ an. Davon abzuziehen ist der „Bestand des steuerlichen Einlagekontos“ (§ 27 KStG), allerdings nach Anwendung (der umwandlungsbedingten Veränderungen) des § 29 Abs. 1 KStG. Die Verwendung des steuerbilanziellen Eigenkapitals als Ausgangsgröße wirft mithin Fragen bezüglich möglicher außerbilanzieller Korrekturen auf. Wer hiervon einen Eindruck gewinnen will, dem sei die Körperschaftsteuerrichtlinie 7.1 empfohlen. Dort wird in zahlreichen Einträgen das „Universum“ außerbilanzieller Korrekturen deutlich.
Investitionsabzugsbetrag ist außerbilanziell zu bilden
In Zeile 6 nennt die Richtlinie auch den „Investitionsabzugsbetrag i.S.d. § 7g EStG“. Dieser stellt seit einer grundlegenden Veränderung im Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 eine außerbilanzielle Korrektur des Einkommens dar, während die zuvor hier geregelten Ansparabschreibungen eine innerbilanzielle Angelegenheit waren (Weiss, BB 2017 S. 1003). Daher war auch das FG Schleswig-Holstein in seinem Urteil vom 15.09.2016 (4 K 98/15, RS1229875) der Auffassung, dass keine Korrektur für den Investitionsabzugsbetrag bei der Ermittlung der fiktiven Dividende des § 7 Satz 1 UmwStG vorzunehmen sei.
Wortlaut des § 7 UmwStG ist teleologisch zu reduzieren
Der BFH hat diese Rechtsauffassung allerdings jetzt in seiner Revisionsentscheidung vom 11.04.2019 (IV R 1/17, DB 2019 S. 1361) abgelehnt. Die Berechnung der Höhe der fiktiven Dividende müsse den Zweck der Regelung, bisher unbesteuerte Gewinnrücklagen der Besteuerung zuzuführen, beachten. Dieser Zweck werde durch einen Abzug eines (am steuerlichen Übertragungsstichtag bestehenden) Investitionsabzugsbetrags bei der Ermittlung der fiktiven Dividende erreicht. Denn der Investitionsabzugsbetrag werde nach der Umwandlung beim übernehmenden Rechtsträger nach § 7g Abs. 2 Satz 1 EStG ertragswirksam aufgelöst. Durch einen Abzug bei der fiktiven Dividende werde eine nur einmalige Erfassung gerade sichergestellt. Eine teleologisch einschränkende Auslegung des Wortlauts sei daher geboten.
Einordnung und Ausblick
Ganz nebenbei hat der BFH weitere Fragen geklärt, die sich um die Umwandlungen nach den §§ 3 ff. UmwStG ranken. Insbesondere die sog. „erweiterte Einlagefiktion“ bei § 5 UmwStG hat er in Rz. 17 seiner Entscheidung vom 11.04.2019 – fast nebenbei – bestätigt. Zudem ist ein „Gewinn“ des nach § 5 Abs. 2 UmwStG (zwangsweise) Einlegenden als Gewinn der Gesamthand und nicht – wie vom FA behauptet – als Sonderbetriebseinnahme zu behandeln.
Die zentrale Frage der möglichen Korrektur des zu engen Gesetzeswortlauts bei § 7 Satz 1 UmwStG hat der BFH zu Recht zugunsten der Steuerpflichtigen entschieden. Eine solche Entscheidung hatte die Finanzverwaltung selbst durch die Erwähnung möglicher Korrekturposten wie „Passivposten, die aufgrund steuerrechtlicher Vorschriften erst bei ihrer Auflösung zu versteuern sind“ (Umwandlungssteuererlass, Tz. 07.04) allerdings schon vorgezeichnet. Die Praxis kann sich daher nicht mehr nur mit der Ermittlung des steuerbilanziellen Eigenkapitals und des umwandlungsbedingt veränderten Einlagekontos beschäftigen. Vielmehr muss der Sachverhalt vor Umsetzung der Umwandlung umfassender auf Möglichkeiten zur Reduktion der fiktiven Dividende untersucht werden. Maßgeblich ist dabei – wie in allen Fragen des § 7 UmwStG – der Stand zum „steuerlichen Übertragungsstichtag“ des § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwStG.