„Alles beim Alten?“: Neues zur Einlagenrückgewähr von Drittstaatengesellschaften

StB Dipl.-Fw. (FH) Raphael Baumgartner, P+P Pöllath + Partners Rechtsanwälte und Steuerberater mbB, München

Mit Urteil vom 10.04.2019 – I R 15/16 (DB 2019 S. 2052) hat der BFH in Bestätigung seiner bisherigen Rechtsprechung erneut entschieden, dass Gesellschaften, die außerhalb der Europäischen Union ansässig sind (sog. „Drittstaatengesellschaften“), nicht in das Nennkapital geleistete Einlagen steuerneutral an ihre deutschen Anteilseigner zurückzahlen können. Ausgangsgröße für die Ermittlung der Einlagenrückgewähr sei das ausländische Handels- und Gesellschaftsrecht, auf dessen Basis die Berechnung der steuerneutralen Leistung unter Berücksichtigung der Verwendungsreihenfolge (§ 27 Abs. 1 Satz 3 und 5 KStG) zu erfolgen habe.

Status quo – Meinung der Finanzverwaltung

Die Finanzverwaltung vertritt noch immer die Auffassung, dass Drittstaatengesellschaften nicht dazu in der Lage seien, Kapitaleinlagen steuerneutral an ihre deutschen Anteilseigner zurück zu zahlen. Gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 KStG sei dafür erforderlich, dass für diese Ausschüttungen das steuerliche Einlagekonto der ausschüttenden Gesellschaft als verwendet gilt (vgl. u.A. OFD NRW vom 04.12.2013 – Kurzinfo ESt Nr. 31/2013, FinMin. Nordrhein-Westfalen vom 06.10.2011 – S 2836 – 17 – V B 4). Ein steuerliches Einlagekonto mit jährlicher gesonderter Feststellung zum Ende eines jeden Wirtschaftsjahres haben nur unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften zu führen (§ 27 Abs. 1 und 2 KStG). Die mit dem SEStEG eingefügt Vorschrift des § 27 Abs. 8 KStG (Wirkung ab Veranlagungszeitraum 2006) erweiterte die Anwendbarkeit der Reglungen zur Einlagenrückgewähr auf bestimmte EU-Gesellschaften. Fortan war es möglich, einen gesonderten Antrag zu stellen, durch den die ausländische Gesellschaft in analoger Anwendung der § 27 Abs. 1 – 6 sowie §§ 28 und 29 KStG nachweisen kann, dass es sich bei den Leistungen um die Rückzahlung von Einlagen handelt. Die Finanzverwaltung ist jedoch der Auffassung, dass der Gesetzgeber durch die Nichteinbeziehung von Drittstaatengesellschaften in den Wortlaut des § 27 Abs. 8 KStG eine bewusste Entscheidung getroffen habe, wonach Drittstaatengesellschaften keine steuerneutrale Einlagenrückgewähr erbringen können. Im Rahmen steuerlicher Betriebsprüfungen ist dies ein ständiger Prüfungsschwerpunkt.

BFH-Rechtsprechung

Bereits im Jahr 1992 hat der BFH (BFH vom 14.10.1992 – I R 1/91, DB 1993 S. 465) – entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung – entschieden, dass ausländische Kapitalgesellschaften Nennkapital steuerneutral an deutsche Anteilseigner zurückzahlen können. Darauf aufbauend entschied der BFH zum alten Recht, vor Einführung des § 27 Abs. 8 KStG, dass Drittstaatengesellschaften auch nicht in das Nennkapital geleistete Einlagen steuerneutral an ihre deutschen Anteilseigner auskehren können (BFH vom 27.04.2000 – I R 58/99, DB 2000 S. 2197; vom 20.10.2010 – I R 117/08, DB 2011 S. 453).

Am 13.07.2016 dann der nächste „Paukenschlag“. Zunächst bestätigte der BFH seine bisherige Rechtsprechung zum alten Recht (BFH vom 13.07.2016 – VIII R 73/13), um diese mit einem weiteren Urteil (BFH vom 13.07.2016 – VIII R 47/13, DB 2016 S. 2392) auf den Zeitraum nach Einführung des § 27 Abs. 8 KStG auszudehnen. Der BFH begründete seine Entscheidung damit, dass eine Nichtanerkennung einer steuerneutralen Einlagenrückgewähr durch Drittstaatengesellschaften sowohl gegen Art. 3 GG als auch gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstoßen würde. Eines gesonderten Antragsverfahrens bedürfe es mangels gesetzlicher Verpflichtung insoweit nicht, weshalb auch die Nachweisvorschriften, die für EU- und inländische Gesellschaften gelten, weder unmittelbar noch analog anwendbar sein können.

Der I. Senat schlug mit seinem Urteil vom 10.04.2019 (I R 15/16, DB 2019 S. 2052) in die gleiche Kerbe und bestätigte die Rechtsprechung des VIII. Senats. In Fortentwicklung der Rechtsprechung schrieb der BFH jedoch erstmals vor, dass die Höhe der Einlagenrückgewähr basierend auf dem ausländischen Handels- und Gesellschaftsrecht und unter Berücksichtigung der Verwendungsreihenfolge des § 27 Abs. 1 Satz 3 und 5 KStG zu ermitteln sei. Dadurch werden Gesellschafter von inländischen bzw. EU-Gesellschaften nicht besser, aber auch nicht schlechter gestellt, als Gesellschafter von Drittstaatengesellschaften.

Fazit

Die tragenden Argumente der Finanzverwaltung wurden sowohl vom I., als auch vom VIII. Senat des BFH in bemerkenswerter Deutlichkeit abgelehnt. Für laufende Betriebsprüfungs- und Rechtsbehelfsverfahren ist dies zunächst sehr erfreulich. Die Finanzverwaltung sollte eine steuerneutrale Einlagenrückgewähr durch Drittstaatengesellschaften nicht mehr per se ablehnen können, selbst wenn o.g. Urteile (noch) nicht im Bundessteuerblatt veröffentlicht sind. Klar ist nun, dass die Verwendungsreihenfolge des § 27 Abs. 1 Satz 3 und 5 KStG auch für Drittstaatengesellschaften gilt, es insoweit jedoch keines Antragsverfahrens nach § 27 Abs. 8 KStG bedürfe. Insbesondere die strenge Ausschlussfrist nach § 27 Abs. 8 Satz 4 KStG gilt daher nicht.

Die, für die Praxis spannendste Frage, ließ der I. Senat jedoch offen: „Welche Nachweise sind zu erbringen?“ Befürchtet werden darf, dass die Finanzverwaltung die Urteile akzeptieren, die Messlatte für die Nachweise aber derart hoch hängen wird, dass es de facto bei der bisherigen Verwaltungsmeinung bleibt: „eine steuerneutrale Einlagenrückgewähr durch Drittstaatengesellschaften ist nicht möglich“. Dabei sollte die Finanzverwaltung jedoch beachten, dass

  • eine Besteuerung einer Einlagenrückgewähr eine Besteuerung von Anschaffungskosten bedeuten würde und somit gegen Art. 3 GG verstoßen würde und
  • eine Besteuerung einer Einlagenrückgewähr einer Drittstaatengesellschaft einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit darstellen würde.

An die Nachweise sollten daher angemessene und keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Eine bloße Übertragung der Nachweisvorschriften des § 27 Abs. 8 KStG sollte nicht erfolgen (und ist meist auch nicht angemessen) da gem. BFH die Vorschriften hierzu weder unmittelbar noch analog anwendbar sind (BFH vom 13.07.2016 – VIII R 47/13, DB 2016 S. 2392).

Reaktion des Gesetzgebers?

Mit Spannung darf erwartet werden, ob oder wie der Gesetzgeber auf die mittlerweile gefestigte BFH-Rechtsprechung reagieren wird. Am wahrscheinlichsten ist, dass der Anwendungsbereich des § 27 Abs. 8 KStG auf Drittstaatengesellschaften erweitert wird und ein gesondertes Feststellungsverfahren notwendig wird. Ob ein solches zusätzliches Verfahren administrativ und verfahrensökonomisch überhaupt sinnvoll ist und ob die Finanzverwaltung über die nötige „Man-Power“ verfügt, darf zumindest bezweifelt werden. Sicher ist jedoch, dass sich die Bearbeitungszeit und die damit einhergehende Zeit fehlender Rechtssicherheit sowohl für EU-Gesellschaften, als auch für Drittstaatengesellschaften immens verlängern werden, wohl gemerkt: In Frage steht die Besteuerung von Anschaffungskosten. Ein Zustand, der für den Wirtschaftsstandort Deutschland nicht tragbar sein kann.

Wünschenswert wäre daher eine Neuausrichtung oder gar eine Abschaffung des § 27 Abs. 8 KStG einhergehend mit einer Überprüfung der Einlagenrückgewähr im individuellen Veranlagungsverfahren oder während Betriebsprüfungen bei den deutschen Anteilseignern.

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