Aller guten Dinge sind drei – Rechtsprechungsänderung bei der Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG, DBA-Sperrwirkung und Konzernrückhalt

StB Tobias Deschenhalm, P+P Pöllath und Partners, München

In drei Parallelentscheidungen hat der BFH seine Neuausrichtung zur steuerlichen Behandlung bei gewinnmindernden Ausbuchungen sowie Teilwertabschreibungen von grenzüberschreitenden Forderungen zwischen Konzerngesellschaften dargestellt (Urteile vom 27.02.2019 – I R 73/16, DB 2019 S. 1120; I R 51/17, DB 2019 S. 1999; I R 81/17, DB 2019 S. 2221). Mit den Urteilen ändert der BFH bisher gefestigt geglaubte Rechtsprechungsgrundsätze und richtet die steuerlichen Regelungen für Konzernfinanzierungsfragen neu aus. In rechtlicher Hinsicht hat sich der BFH in allen drei genannten Urteilen identisch geäußert, lediglich in Bezug auf den Sachverhalt liegen geringfügige Unterschiede vor. Daher wird in der nachfolgenden Urteilsdiskussion lediglich auf das Verfahren I R 73/16 näher eingegangen.

Sachverhalt

Die Klägerin, eine inländische GmbH, war Alleingesellschafterin und zugleich Organträgerin der inländischen A-GmbH. Die A-GmbH war selbst zu 99,98% an der B-NV, einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in Belgien, beteiligt. Die restlichen Anteile an der B-NV hielt die Klägerin. Die A-GmbH führte für ihre belgische Tochtergesellschaft ein Verrechnungskonto, welches mit 6% p.a. verzinst wurde. Im Jahr 2005 vereinbarte die A-GmbH gegenüber ihrer belgischen Tochtergesellschaft einen Forderungsverzicht gegen Besserungsschein in Verbindung mit dem für diese geführten Verrechnungskonto in Höhe eines Betrags, der nach Ansicht der Vertragsbeteiligten dem wertlosen Teil der bestehenden Forderung entsprach. Die A-GmbH erfasste diesen Vorgang daraufhin als Abschreibung der Forderung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Das Finanzamt neutralisierte sodann diese Abschreibung mit Rücksicht auf die fehlende Forderungsbesicherung nach § 1 Abs. 1 AStG durch eine außerbilanzielle Hinzurechnung.

Fremd(un)üblichkeit

Der BFH begründet seine Korrektur nach § 1 Abs. 1 AStG mit der Fremdunüblichkeit der dem Verrechnungskonto zugrundeliegenden Forderung. Aufgrund der Tatsache, dass diese nicht besichert war, geht der BFH in seiner Entscheidung davon aus, dass dies einem nicht fremdüblichen Umstand entspricht. Begründet wird dies damit, dass ein nicht verbundener Kreditgeber für die Forderung auf eine bankübliche Sicherheit bestanden hätte. Abweichendes könne laut dem BFH auch nicht dem Topos des sogenannten Konzernrückhalts entnommen werden (siehe nachfolgend).

Rückhalt im Konzern

Nach dem bisher von Rechtsprechung und Verwaltung vertretenen Konzept des sog. Konzernrückhalts stellt die bloße Konzernbeziehung zwischen zwei Gesellschaften bereits eine ausreichende Sicherheit für eine Darlehensbeziehung dar. Dies führte bisher dazu, dass bei einem Konzerndarlehen ohne ausdrückliche Besicherung kein fremdunübliches Darlehen vorlag und zudem kein zusätzlicher Risikozuschlag auf den Zinssatz notwendig war.

Der BFH führt in seiner aktuellen Entscheidung jedoch aus, dass die zwischen den beiden Unternehmen bestehende unbesicherte Forderung nicht als fremdüblich für Zwecke des § 1 Abs. 1 AStG beurteilt werden kann, nur weil in konzerninternen Darlehensbeziehungen aufgrund des Konzernrückhalts auf eine solche Besicherung verzichtet werden kann. Dies basiert auf der Auffassung, dass der Konzernrückhalt „ohne Hinzutreten einer rechtlichen Verpflichtung, für die Rückzahlung des Darlehens einzustehen, lediglich den rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmen der Unternehmensverflechtung und die Üblichkeit zum Ausdruck bringt, innerhalb des Konzerns Kreditansprüche nicht wie unter Fremden abzusichern“. Soweit aus vorangehenden Urteilen des BFH zum Konzernrückhalt Abweichendes zu entnehmen ist, wird laut dem vorliegenden Urteil hieran nicht mehr festgehalten.

Keine Sperrwirkung gem. Art. 9 Abs. 1 OECD-MA

Nachdem die vorinstanzlichen Finanzgerichte sich noch auf die Sperrwirkung des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA berufen hatten, gibt der BFH seine bisherige Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Sperrwirkung in den Fällen einer aufwandswirksamen Teilwertabschreibung einer unbesicherten Forderung gegen eine nahestehende Person auf.

Nach der bisherigen Rechtsprechung entfaltet Art. 9 Abs. 1 OECD-MA nur insoweit eine Sperrwirkung, als Verrechnungspreiskorrekturen ausschließlich „der Höhe nach“ zulässig sind (sog. Preiskorrektur). Fremdunübliche Bedingungen waren nach der bisherigen Rechtsauffassung demnach nur zu korrigieren, soweit sie sich auf die Höhe der Leistungsbedingungen auswirkten. Der BFH führt in seiner aktuellen Rechtsprechung aus, dass sich der Abkommensbegriff „vereinbarte Bedingung“ nicht nur auf die Höhe des vereinbarten Zinssatzes beschränkt, sondern nunmehr auch die Besicherung der Darlehensbeziehung umfasst, sodass Korrekturen „dem Grunde nach“ möglich und nicht mehr durch die Norm gesperrt sind.

Vereinbarkeit mit EuGH-Rechtsprechung (Hornbach-Baumarkt)

Das zuvor beschriebene Ergebnis des BFH stehe auch im Einklang mit dem Unionsrecht, wobei der BFH insbesondere auf das EuGH-Urteil vom 31.05.2018 (Rs. C-382/16, Hornbach-Baumarkt) verweist. Nach dem EuGH-Urteil soll dem Steuerpflichtigen ein Nachweis ermöglicht werden, dass etwaige Abweichungen vom Fremdvergleichsgrundsatz aus wirtschaftlichen Gründen, insbesondere der Gesellschafterstellung, vereinbart wurden.

Der BFH macht deutlich, dass das EuGH-Urteil nicht zu einem Automatismus führt, welcher die territorialen Besteuerungsrechte der Mitgliedstaaten durchgängig verdrängt. Vielmehr haben die nationalen Gerichte abzuwägen, mit welchem Gewicht die jeweils zu beurteilende Abweichung vom Maßstab des Fremdüblichen in die Zuordnung der Besteuerungsrechte eingreift.

Nach den Ausführungen des BFH sei der vorliegende Fall nicht mit dem des EuGH-Urteils vergleichbar, da im vorliegenden Fall der Verzicht auf die Forderung auf einen Kapitaltransfer gerichtet war und dies unmittelbare Auswirkungen auf die Vermögens- und Liquiditätslage der betroffenen Parteien hatte. Bei dem Fall, welcher vom EuGH zu beurteilen war, kam es jedoch durch die dort gemachte Garantie- bzw. Patronatserklärung nicht zu einer solchen Änderung des Vermögens- und Liquiditätsstatus der betroffenen Gesellschaften.

Auswirkungen auf die Praxis

Die o.g. Urteile des BFH können erhebliche praktische Auswirkungen auf bestehende Konzernfinanzierungen haben. So können z.B. Zinsen auf Outbound-Darlehen als unangemessen niedrig qualifiziert werden, soweit der bisher aufgrund des Konzernrückhalts nicht notwendige Risikoaufschlag für nicht besicherte Darlehen fehlt. Zudem besteht das Risiko, dass – wie in den Urteilsfällen – die aufwandswirksame Teilwertabschreibung auf Darlehensforderungen nicht mehr steuerlich wirksam berücksichtigt werden kann und in diesen Fällen eine Argumentation mit dem Konzernrückhalt oder der Sperrwirkung des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA entfällt.

Konzerne sollten daher ihre gesamten Konzernfinanzierungsverhältnisse darauf untersuchen, ob sie nicht bisher aufgrund des Konzernrückhalts auf entsprechende Besicherungen oder Risikozuschläge verzichtet haben, da sie ansonsten Gefahr laufen, dass etwaige Teilwertabschreibungen aufgrund der neuen BFH-Rechtsprechung nicht mehr steuerlich geltend gemacht werden können oder die Zinsen schlichtweg zu niedrig festgelegt wurden.

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