Veräußert eine Muttergesellschaft sämtliche Anteile an ihrer Tochtergesellschaft stellt dies einen umsatzsteuerbaren, jedoch grundsätzlich nach § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG umsatzsteuerfreien Vorgang dar. In Bezug auf die mit der Veräußerung im Zusammenhang stehenden Beratungsleistungen kann dann kein Vorsteuerabzug vorgenommen werden. Ein entsprechender Vorsteuerabzug ist jedoch möglich, wenn die Veräußerung eine Geschäftsveräußerung im Ganzen gem. § 1 Abs. 1a UStG darstellt. Mit der Frage, wann eine solche Anteilsveräußerung eine Geschäftsveräußerung im Ganzen darstellen kann, hat sich der BFH in seiner Entscheidung vom 18.09.2019 (XI R 33/18) beschäftigt.
Sachverhalt
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war 100%ige Gesellschafterin der B-GmbH, an die sie Betriebsgrundstücke entgeltlich vermietete. Die Klägerin war umsatzsteuerliche Organträgerin der B-GmbH, die ihrerseits eine eigenunternehmerische Tätigkeit in Form der Herstellung von Waren ausübt. Die Klägerin verkaufte den überwiegenden Anteil ihrer Beteiligung an der B-GmbH an eine Beteiligungsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH. Die restlichen Anteile brachte die Klägerin im Wege einer Sachkapitalerhöhung in die Erwerberin ein. Zusammen genommen übertrug die Klägerin 100% der Anteile an der B-GmbH auf die Erwerberin. Die Klägerin verzichtete nicht auf die Umsatzsteuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG. Die Betriebsgrundstücke wurden nicht mitveräußert. Die Klägerin begehrte den Vorsteuerabzug für Beratungsleistungen, die sie im Zusammenhang mit der Veräußerung in Anspruch genommen hatte. Das Finanzamt lehnte das ab.
Rechtliche Würdigung des FG
Das FG Nürnberg wies die daraufhin erhobene Klage mit Urteil vom 02.05.2018 (2 K 309/16) als unbegründet ab. Der 2. Senat kam zu dem Ergebnis, dass der Vorsteuerabzug aus den Beratungsleistungen gem. § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ausgeschlossen sei, weil sie in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit steuerfreien Umsätzen stünden. Die Veräußerung der Anteile sei zwar im Rahmen des Unternehmens der Klägerin erfolgt, da zum einen das Halten der Anteile mit der Vermietung der Betriebsgrundstücke als steuerpflichtige Leistungen verbunden gewesen sei und zum anderen die Klägerin Organträgerin der B-GmbH war. Somit unterliege die Veräußerung der Anteile grundsätzlich der Umsatzsteuer, sei allerdings gem. § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG von der Umsatzsteuer befreit.
Eine Geschäftsveräußerung im Ganzen (GiG) liege ferner ebenfalls nicht vor, sodass ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang mit steuerpflichtigen Umsätzen auch dadurch nicht begründet werde. Das FG hat offengelassen, ob dem das Urteil des BFH vom 27.01.2011 (V R 38/09, DB 2011 S. 565) entgegenstehen könnte, da dies jedenfalls durch das Urteil des EuGH vom 30.05.2013 (Rs. C-651/11, X, DB 2013 S. 1531) überholt sei. Mit diesem Urteil hat der EuGH sein Urteil vom 29.10.2009 (Rs. C-29/08, SKF, DB 2009 S. 2695), auf welches sich der BFH bei seinem Urteil maßgeblich stützte, erheblich eingeschränkt. So steht – zumindest nach Lesart des FG Nürnberg – die neuere Rechtsprechung des EuGH der Annahme einer GiG im vorliegenden Fall entgegen. Der EuGH habe ausdrücklich festgestellt, dass eine GiG zwingend voraussetzt, dass eigenständige Einheiten übertragen werden, die eine selbstständige wirtschaftliche Betätigung ermöglichen, und diese Tätigkeit vom Erwerber fortgeführt wird; eine bloße Veräußerung von Anteilen ohne gleichzeitige Übertragung von Vermögenswerten versetze den Erwerber nicht in die Lage, die Tätigkeit fortzuführen. So lag es dem FG zufolge auch in dem zu entscheidenden Fall. Ferner endete die Organschaft mangels Übertragung der vermieteten Betriebsgrundstücke mit der Übertragung der Anteile und mithin das zu einer mehrwertsteuerlich relevanten wirtschaftlichen Tätigkeit aufwertende Element; die Absicht der Erwerberin, eine Organschaft zu begründen, reiche für die Annahme einer GiG entsprechend der EuGH-Rechtsprechung nicht aus.
Rechtliche Würdigung des BFH
Der BFH hob im Revisionsverfahren das Urteil des FG Nürnberg auf (Urteil vom 18.09.2019 (XI R 33/18) und verwies die Sache zurück, da keine tatsächlichen Feststellungen getroffen wurden, ob zwischen der Erwerberin und der B-GmbH eine Organschaft besteht.
Der XI. Senat stimmte mit dem FG Nürnberg zunächst darin überein, dass insoweit Teile des Urteils des V. Senats vom 27.01.2011 (V R 38/09, a.a.O.) der neueren Rechtsprechung des EuGH widersprächen und diese damit als überholt anzusehen seien.
Allerdings war das Urteil des FG dennoch aufzuheben, da verkannt wurde, dass die unternehmerische Tätigkeit der Klägerin als Organträgerin aufgrund der Organschaft nicht im Halten der Beteiligung, sondern in einer eigenunternehmerischen Tätigkeit, nämlich der Produktion von Waren (ausgeführt durch die Organgesellschaft, die B-GmbH), bestand. Sollte zwischen Erwerberin und B-GmbH eine Organschaft vorliegen und die Tätigkeit somit fortgeführt werden, würde die Beteiligung an der B-GmbH ein Teilvermögen bzw. hinreichendes Ganzes im Sinne der EuGH-Rechtsprechung darstellen, mit dem die Erwerberin die bisherige eigenunternehmerische Tätigkeit fortführen könnte. Dem steht entsprechend der EuGH-Rechtsprechung nicht entgegen, dass notwendige Gegenstände wie die Betriebsgrundstücke nicht mitübertragen werden, sondern von der Erwerberin angemietet werden müssen.
Praxishinweis
Das Urteil des BFH entscheidet zwar nicht abschließend in der Sache, liefert jedoch wertvolle Hinweise für die Frage, wann im Fall von Anteilsveräußerungen eine Geschäftsveräußerung im Ganzen (§ 1 Abs. 1a UStG) zu bejahen sein dürfte. Dies dürfte vor allem für die Frage eines etwaigen Vorsteuerabzugs im Hinblick auf die Kosten der Anteilsveräußerung relevant sein.
Es bleibt bei dem Grundsatz, dass der Vorsteuerabzug bei Kosten für Beratungsleistungen, die ein Steuerpflichtiger zur Durchführung einer Anteilsveräußerung in Anspruch nimmt, ausgeschlossen ist, wenn bzw. weil die Beratungsleistungen in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit steuerfreien Umsätzen (§ 4 Nr. 8 Buchst. f UStG) stehen.
Das Urteil des BFH befasst sich mit dem speziellen Fall, in dem eine Organschaft zwischen Veräußerin und Zielgesellschaft besteht und die Organschaft bei der Erwerberin fortgeführt werden soll. Maßgeblich ist demnach, ob die Beteiligung beim Veräußerer als Organgesellschaft eingegliedert war und sie beim Käufer ebenfalls in eine Organschaft eingegliedert wird. Nur dann kann die für eine Geschäftsveräußerung im Ganzen erforderliche Fortführung einer wirtschaftlichen Tätigkeit angenommen werden. Es kommt hierbei entscheidend auf die Absicht zur Eingliederung in eine neue Organschaft an. Es bedarf in diesem Fall dann keiner Veräußerung zusätzlicher Vermögenswerte (wie im vorliegenden Fall z.B. Betriebsgrundstücke). Bei der isolierten Veräußerung einer Organgesellschaft ohne Anschlussorganschaft dürfte grundsätzlich keine Geschäftsveräußerung im Ganzen vorliegen.
Der vom BFH entschiedene Fall hatte eine Veräußerung sämtlicher Anteile zum Gegenstand. Ob die Entscheidung auch auf die Veräußerung von geringeren Beteiligungen übertragen werden kann, bleibt weiterhin offen.
Es dürfte fraglich bleiben, wie der Fall, in dem eine Managementholding, die nicht Organträgerin der Zielgesellschaft ist, ihre Beteiligung veräußert, zu beurteilen ist. Die Geschäftsveräußerung im Ganzen setzt eine fortführungsfähige wirtschaftliche Tätigkeit voraus, die in diesem Falle allenfalls in der Erbringung von Managementleistungen gegenüber der Tochtergesellschaft bestehen könnte. Ob die Erbringung derselben Managementleistungen durch die Erwerberin die Fortführung der ursprünglichen wirtschaftlichen Tätigkeit der Veräußerin darstellt oder die Erbringung einer „neuen“ wirtschaftlichen Tätigkeit darstellt kann nicht zweifelsfrei beantwortet werden und bleibt daher abzuwarten.