Die Abgrenzung zwischen beteiligungsähnlichen und obligationsähnlichen Genussrechten bestimmt maßgeblich die Besteuerung von Genussrechten in Deutschland. Der BFH hat mit Urteil vom 14.08.2019 (I R 44/17, DB 2020 S. 1376) die Abgrenzung konkretisiert.
Hintergrund: Unterschiedliche Besteuerung von Genussrechten
Fremdübliche Vergütungen aus Genussrechten sind grundsätzlich wie Zinseinkünfte zu versteuern (obligationsähnliches Genussrecht, § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG), weil Genussrechtskapital für steuerliche Zwecke als Fremdkapital einzuordnen ist (vgl. Finanzbehörde Hamburg, Fachinformation vom 25.01.2019 – S 2133 – 2017/001 – 52/S 2742 – 2017/003 – 53, DStR 2019 S. 1093). Im Falle einer inländischen Kapitalgesellschaft als Genussrechtsinhaberin bedeutet dies, dass die Vergütungen vollständig der Körperschaft- und Gewerbesteuer unterliegen. Die genussrechtsemittierende Gesellschaft ist korrespondierend hierzu für Zwecke der deutschen Besteuerung grundsätzlich berechtigt, gezahlte Vergütungen als Betriebsausgaben abzuziehen.
Dagegen werden die Vergütungen wie Dividenden besteuert, wenn der Genussrechtsinhaber kumulativ am Gewinn und am Liquidationserlös der genussrechtsemittierenden Gesellschaft beteiligt ist (beteiligungsähnliches Genussrecht, § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Im Falle einer inländischen Kapitalgesellschaft als Genussrechtsinhaberin sind die Vergütungen daher grundsätzlich von der Besteuerung freigestellt (§ 8b Abs. 1 KStG). Dabei gelten 5% der Vergütungen als nichtabziehbare Betriebsausgaben (§ 8b Abs. 3 Satz 1 KStG), sodass sie einer effektiven Besteuerung i.H.v. ca. 1,6% unterliegen. Der genussrechtsemittierenden Gesellschaft ist korrespondierend zur Steuerfreistellung auf der Ebene des Genussrechtsinhabers der Betriebsausgabenabzug verwehrt (vgl. § 8 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 KStG).
Somit entscheidet die Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös über die Abgrenzung der beiden Arten von Genussrechten. Dabei setzt die Beteiligung am Liquidationserlös grundsätzlich die Teilhabe an stillen Reserven voraus. Nach Ansicht der Finanzverwaltung handelt es sich hierbei – jedenfalls für Zwecke der Versagung des Betriebsausgabenabzugs nach § 8 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 KStG – indes nicht um eine zwingende Voraussetzung. Der Genussrechtsinhaber sei auch dann am Liquidationserlös beteiligt, wenn er Alleingesellschafter der genussrechtsemittierenden Gesellschaft ist (vgl. BMF vom 27.12.1995 – IV B 7–S 2742–76/95, BStBl. I 1996 S. 49) oder die Laufzeit des Genussrechts mehr als 30 Jahre beträgt (vgl. BMF vom 08.12.1986 – IV B 7-S 2742-26/86, BB 1987 S. 667). Der BFH widerspricht jetzt dieser Ansicht.
BFH: Kein Ersatz für die Beteiligung an stillen Reserven
Die Klägerin, eine deutsche Aktiengesellschaft, ist Alleingesellschafterin einer kanadischen Tochtergesellschaft. Die Tochtergesellschaft räumte der Klägerin im Jahr 2004 zur Begleichung einer Kaufpreisschuld mehrere Genussrechte mit einer gewinnabhängigen Vergütung und einer maximalen Laufzeit bis zum Jahr 2043 ein. Die Klägerin hatte das Recht, anstelle der Rückzahlung des Genussrechtskapitals Anteile an der Tochtergesellschaft zu erwerben (Wandlungsrecht). Eine Beteiligung an stillen Reserven sahen die Genussrechte nicht vor.
Die Tochtergesellschaft hat die Genussrechtsvergütungen im Rahmen ihrer Besteuerung in Kanada als Betriebsausgaben abgezogen. Die Klägerin behandelte die Vergütungen als steuerfreie Dividenden. Dagegen qualifizierte das Finanzamt die Vergütungen als steuerpflichtige Zinseinkünfte. Damit folgte das Finanzamt ersichtlich nicht den Abgrenzungskriterien i.S.d. genannten BMF-Schreibens. Auf deren Grundlage hätte es zu dem Ergebnis kommen müssen, dass aufgrund der Stellung der Klägerin als Alleingesellschafterin und der über 30-jährigen Laufzeit ein beteiligungsähnliches Genussrecht und demnach steuerfreie Vergütungen vorliegen.
Der BFH gab dem Finanzamt Recht. Ein beteiligungsähnliches Genussrecht sei mangels Beteiligung der Klägerin am Liquidationserlös ihrer Tochtergesellschaft nicht gegeben, weil die Klägerin nicht an stillen Reserven ihrer Tochtergesellschaft partizipierte.
Wandlungsrecht zugunsten des Genussrechtsinhabers
Nichts anderes ergebe sich aus dem Wandlungsrecht der Klägerin, auch wenn der Wert erhaltener Anteile ggf. über dem Nennbetrag des Genussrechts liegen würde. Im Streitfall war nämlich nicht abzusehen, ob die Klägerin ihr Wandlungsrecht überhaupt ausüben wird. Der BFH konnte daher dahinstehen lassen, ob etwas anderes gilt, wenn geradezu ein wirtschaftlicher Zwang zur Ausübung des Wandlungsrechts besteht (so BMF vom 08.12.1986, a.a.O.).
Stellung als Alleingesellschafter
Auch die Stellung der Klägerin als Alleingesellschafterin sei für die Qualifikation des Genussrechts nicht entscheidend. Der BFH unterscheidet hier zu Recht zwischen verschiedenen Sphären. Als Genussrechtsinhaberin ist die Klägerin nicht an stillen Reserven beteiligt. Die Teilhabe an stillen Reserven als Alleingesellschafterin ist kein Ersatz hierfür.
Über 30-jährige Laufzeit des Genussrechts
Schließlich sei eine Beteiligung an stillen Reserven auch dann nicht verzichtbar, wenn die Laufzeit des Genussrechts über 30 Jahre beträgt. Der BFH verweist zu Recht darauf, dass auch typische Fremdkapitalinstrumente eine derartige Laufzeit aufweisen können. Ohnehin ändert die Laufzeit nichts daran, dass der Genussrechtsinhaber nach deren Ablauf – anders als ein Gesellschafter – nicht an stillen Reserven beteiligt ist.
Folgen für die Praxis
Es bleibt abzuwarten, ob sich die Finanzverwaltung insgesamt der Ansicht des BFH anschließt. Jedenfalls muss die Finanzverwaltung zu einer einheitlichen Abgrenzung für alle Besteuerungsebenen, d.h. sowohl für den Genussrechtsinhaber als auch für den Genussrechtsemittenten, finden. In der Praxis sollte dennoch geprüft werden, ob bestehende Genussrechte aufgrund des BFH-Urteils ggf. einer Anpassung bedürfen.
Gerade im internationalen Konzern ist zu beachten, dass seit 2014 eine Freistellung von Genussrechtsvergütungen nicht mehr in Betracht kommt, wenn die Vergütungen von der genussrechtsemittierenden Gesellschaft als Betriebsausgaben abgezogen worden sind (§ 8b Abs. 1 Satz 2 KStG, allgemeines Korrespondenzprinzip). Damit soll eine fehlende Abstimmung bei der Besteuerung von hybriden Finanzinstrumenten (Betriebsausgabenabzug einerseits und steuerfreie Einkünfte andererseits) verhindert werden.