Man raunt in beteiligten Verkehrskreisen, die deutsche Finanzverwaltung – genauer das BZSt – habe eine Entdeckung gemacht und festgestellt, dass es nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f und Nr. 6 EStG bis dato unerkannte Schätze zu heben gebe, nämlich bei der entgeltlichen Nutzungsüberlassung von Rechten. Sind solche Rechte in ein inländisches Register eingetragen, dann seien daraus generierte Erträge im Inland zu versteuern. Sie unterfielen der beschränkten Steuerpflicht, gleichviel, von wem sie erwirtschaftet würden, also auch in tiefgestaffelten Konzernen, und gleichviel wo, ob im Inland oder aber im Ausland. Folge sei die Pflicht zur Einbehaltung von Abzugsteuern nach § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG. „Hintergründig-ursächlicher“ Auslöser für die fiskale „Entdeckung“ scheint bei alledem die ertragrealisierende Trump‘sche US Tax Reform aus dem Jahre 2018 zu sein, konkret die sog. „Transition Tax“ oder auch „Repatriation Tax“.
Die Regelungslage
Die Regelungslage ist eigentlich glasklar und bietet wenig Ansatzpunkte zur Deutung und Gegenwehr:
„Inländische Einkünfte im Sinne der beschränkten Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs. 4 EStG) sind“, so heißt es in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG, „Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§§ 15 bis 17 EStG), die, soweit sie nicht zu den Einkünften im Sinne des Buchstaben a gehören, durch (…) Vermietung und Verpachtung oder (…) Veräußerung von (…) Rechten, die (…) in ein inländisches öffentliches Buch oder Register eingetragen sind oder deren Verwertung in einer inländischen Betriebsstätte oder anderen Einrichtung erfolgt. …“. Desgleichen bezieht § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG Einkünfte aus der Überlassung registrierter Rechte ein, soweit sie nicht zu den Einkünften im Sinne der Nrn. 1 bis 5 gehören.
Das Zugriffsszenario
Hat die Finanzverwaltung nun nach Lektüre der vorstehenden Paragraphen und bei deren Anwendung leichtes Spiel auch bei folgend skizziertem Szenario? Es ist dem im Wortsinn bildkräftigen Beispiel entlehnt, das Jens Schönfeld und Benedikt Ellenrieder jüngst in der IStR 2020 S. 567 geformt haben:
Die amerikanische Konzernspitze Cartoon Inc. des weltweit tätigen Cartoon-Konzerns entwickelt speziell für das Internet eine neue Comicfigur für ein völlig neues, onlinebasiertes Entertainment- und Marketingkonzept. Dabei wird ganz auf einen pinken Elefanten gesetzt, der die Hauptrolle in einer Zeichentrickserie spielen soll. Das Konzept soll aber zunächst nur in einigen für aussichtsreich erachteten Ländern erprobt werden. Bereits vor dem öffentlichen Release des Konzepts werden daher in diesen Ländern, unter anderem in Deutschland, entsprechende Wort- und Bildmarken geschützt und u.a. im deutschen Markenregister eingetragen. Das chinesische Unternehmen SinCo wittert die große Chance und möchte so früh wie möglich Bekleidungsprodukte mit dem pinken Elefanten herstellen, die es dann in China vertreiben möchte. Es schließt einen entsprechenden Lizenzvertrag mit Cartoon Inc. ab und bezahlt daraufhin eine Lizenzvergütung.
Resultiert daraus für die US-Cartoon Inc. eine beschränkte Steuerpflicht in Deutschland? Muß sie die Lizenzvergütungen aus China in Deutschland dem Steuerabzug nach § 50a EStG unterwerfen, muß sie dafür Steueranmeldungen abgeben und Steuern abführen?
Das (Gegen-)Argumentationsspektrum
Das dagegen in Position gebrachte Geschütz findet sich bereits in manchem „Memo“, aber auch bereits in ersten Aufsätzen, so von Nadia Altenburg einerseits: „Besteuerung rein ausländischer Lizenzzahlungen – Begründung einer beschränkten Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 f und Nr. 6 EStG“, IStR 2020 S. 561, sowie von Jens Schönfeld und Benedikt Ellenrieder andererseits: „Beschränkte, aber grenzenlose Steuerpflicht? Oder: Einige Gedanken zu den leitenden Prinzipien des § 49 EStG und deren mäßigende Wirkung auf überschießende (extraterritoriale) Besteuerungsergebnisse“.
Die Untersuchungsergebnisse dieser Aufsätze lauten wie folgt:
Zunächst Altenburg: „Die Auslegung des § 49 EStG, das Zusammenspiel mit dem deutschen Marken- und Patentrecht und die Praxis der Rechtsprechung ergeben, dass für die Anwendung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 f und Nr. 6 EStG neben einer inländischen Registereintragung auch eine inländische Verwertung in dem Sinne stattfinden muss, so dass durch eingetragene Rechte tatsächlich Einkünfte im Inland generiert werden. Diese inländische Verwertung ist regelmäßig durch einen inländischen Zahlungsstrom gekennzeichnet. Die Eintragung in ein inländisches Register allein, begründet hingegen für sich noch kein Besteuerungsrecht.“
Und dann Schönfeld/Ellenrieder: „Die beschränkte Steuerpflicht ist selbst nicht unbeschränkt: Sie wird begrenzt durch die in § 49 Abs. 1 EStG katalogisierten inländischen Anknüpfungspunkte. Sie ist auch nicht sinnfrei, sondern getrieben vom historischen Telos, auch Nichtansässige zu besteuern, wenn sie im Inland wirtschaftliche Erfolge erzielen konnten oder aber Einkünftesubstrat aus dem Inland herauswirtschaften. Dieses Telos ist in Zeiten, in denen jeder Staat versucht, seinen „fair share“ am Steuersubstrat zu erhalten, auch aktueller denn je. Es widerspräche aber dieser Fairness, wenn sich Deutschland darüberhinausgehende Besteuerungsrechte zusprechen würde, wo der Wortlaut bestimmter Anknüpfungstatbestände mehrdeutig ist. Legt man diese nach der hier vertretenen Theorie des ‚Herauswirtschaftens‘ aus, kommt man nicht nur zu einem „fairen“ Ergebnis für die beteiligten Staaten, sondern bringt auch etwas Systematik in den ansonsten ungeordneten § 49 Abs. 1 EStG.“
Die parteiische und die unparteiische Seele des Exegeten: Das BZSt sollte recht haben
Ist dem beizupflichten? Wird der Staat tatsächlich „übergriffig“, wenn er Geschäftsvorfälle besteuert, die sich auf einer Megaebene ausländischer Transaktionen abspielen?
An dieser Stelle wohnen in mir nun „‘ach!“ zwei Seelen“, die „Seele“ des nunmehrigen Beraters und die „Seele“ des „alten“ Richters. Die eine Seele neigt natürlich dazu, sich besagter Gegenwehr anzuschließen, was für den, der Rat sucht, bekanntlich durchaus teuer werden kann. Die andere Seele – die des Richters – ahnt, dass schwere Wetter aufziehen und der Preis für den Steuerbürger, das Unternehmen, im Ergebnis noch weit höher sein könnte. Beide Seelen ringen miteinander und wägen ab. Die „unparteiische“ Seele behält die Oberhand: Das BZSt sollte recht haben. Warum?
Hinreichender genuine link
Das sog. Registerprinzip steht eigenständig neben dem Belegenheits- und dem Verwertungsprinzip und ist als solches unverdächtig. Es räumt dem Quellenstaat – in etwas „ferner“, jedoch hinlänglicher territorialer Verknüpfung und deswegen völkerrechtlich verbrieft und zulässig – den erforderlichen genuine link ein und gibt ihm die Möglichkeit des Steuerzugriffs. Irgendwelche tatbestandliche Einschränkungen trifft der Gesetzgeber hierbei nicht: Bei der Eintragung des überlassenen Rechts in ein Inlandsregister ist gänzlich unbeachtlich, für und durch wen diese erfolgt ist. Dies kann, mit Einverständnis des ausländischen Überlassenden, auch der inländische Lizenznehmer sein. Gleichermaßen fehlt eine Beschränkung auf Konzernfälle. Demnach sind auch Zahlungen an Dritte einbezogen; irgendwelche Ermittlungs- und Vollzugserschwernisse hindern den Besteuerungszugriff auch in tieferverketteten Lizenzierungskonstellationen nicht, dann ggf. unter Beachtung der in § 50a Abs. 4 EStG geregelten besonderen und u.U. auch abgeltend wirkenden Anmeldungsmodalitäten.
Unbeachtlich ist weiterhin – und das steht hier konkret im Fokus –, wo die eigentlichen (Lizenz-)Einkünfte tatsächlich erwirtschaftet oder erzielt wurden. Der Inlandsbezug kann sich also auf „echte“ Auslandseinkünfte erstrecken, denen bis auf die besagte Registereintragung jeglicher sonstiger Inlandsbezug fehlt. Zwar hatte der historische Gesetzgeber des EStG 1925 in der seinerzeit noch in § 3 verfassten Registerregelung gewiss nicht im Blick, dass sich entsprechend inlandsbezogene Einkünfte aus dem Registerprinzip auch im Ausland verwirklichen können.
Doch was ändert diese Erkenntnis? Im Grunde nichts. Eine derartige, Einkünfte ausschließende qualifizierte „Inlandsradizierung“ lässt sich im Wege der Auslegung des – wie schon erwähnt – klaren Regelungstextes nicht erreichen, weder mittels irgendwelcher teleologischer oder historischer Erwägungen noch durch ein der beschränkten Steuerpflicht unterlegtes Telos eines zwischenstaatlichen „fair share“, ebenso wenig durch irgendwelche „Störgefühle“, die sich, so Schönfeld/Ellenrieder, „zwangsläufig … einstellen“ mögen.
Gibt es ein „Prinzip des Herauswirtschaftens“?
Ein Prinzip des „Herauswirtschaftens eines wirtschaftlichen Erfolges“ mag sich an manchen Einzelmerkmalen und Einzeltatbeständen des § 49 EStG festmachen lassen, mal mehr, mal weniger. Es mag auch regelungsgeschichtlich in den objektsteuerartigen Zugriffstatbeständen des Katalogs der beschränkten Steuerpflicht angelegt sein: „Bei der gegenwärtigen Struktur der deutschen Wirtschaft muß (…) darauf geachtet werden, daß möglichst alles, was aus dem Inland herausgewirtschaftet oder im Inland verdient wird, auch steuerlich erfaßt wird“, so der Bericht des 6. Ausschusses (Steuerfragen) zu § 3 des Entwurfs eines Einkommensteuergesetzes, Reichstag III. Wahlperiode 1924/25, Drucksache Nr. 1229, S. 1, sowie Drucksache Nr. 795, dort S. 39, und das aufgreifend der RFH in seinen Urteilen vom 29.01.1935 – I A 244/32, RStBl. 1935 S. 759, und vom 28.06.1932 – I A 56/32, RStBl. 1932 S. 742. Zum abschöpfend greifenden Dogma, das vom nationalen Gesetzgeber strikt zu beachten oder das auslegungsleitend wäre, taugt diese (selbstverständliche) Erkenntnis indessen sicher nicht – abgesehen davon, dass ein „Herauswirtschaften“ ohnehin durchaus auch bei im Inland registrierten Schutzrechten anzunehmen sein sollte.
Was ergibt sich aus der Idee des strukturellen Vollzugsdefizits?
Schließlich wird noch, wie so oft, die Idee des sog. strukturellen Vollzugsdefizits ins Feld geführt. Doch ist ein solches hier gegeben? Wohl nicht. Das anzunehmen scheitert schon daran, dass ein Vollzugsdefizit vorliegend nicht vermittels im Gesetz angelegter, gegenläufig wirkender Regelungsbefehle ausgelöst wird. Das aber muss es, um in verfassungsrechtlichen Höhen beachtet werden zu können. Das BVerfG hat uns das im Jahre 1991 bei den Kapitaleinkünften, deren prinzipieller Steuerpflicht und dem früheren, diese Steuerpflicht auf der Erhebungsseite konterkarierenden „Bankengeheimnis“ in schöner Weise vor Augen geführt. Von derartigem dem Gesetzgeber zurechenbaren Konterkarieren kann hier jedoch keine Rede sein. Kontrollen der Steuererklärungen sind dem Fiskus durchaus möglich, sei es durch Mitwirken des Steuerpflichtigen, sei es durch Auskunftsersuchen im Ausland. Ein etwaiges Vollzugsdefizit wäre keineswegs – so das BVerfG im Urteil vom 19.03.2013 – 2 BvR 2628/10, 2 BvR 2883/10, 2 BvR 2155/11 – „normimmanent determiniert“. Nicht über jedweder Vollzugserschwernis, jedwedem Vollzugsdefizit schwebt deswegen sogleich das von Schönfeld/Ellenrieder gesichtete „Damoklesschwert“ eines verfassungsrelevanten Regelungsdefizits.
Wenn denn schon keine qualitative, so doch immerhin eine quantitative Zugriffsbeschränkung
Was bleibt zu tun? Zunächst einmal: Es geht nicht immer, jedoch zumeist „nur“ um die Quellensteuer. Sie ist – § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG, Art. 28 DBA-USA u.ä. – einzubehalten, auch dann, wenn das Besteuerungsrecht später kraft abkommensrechtlicher Zuordnung im Ausland verbleibt, sei es nach Art. 21 Abs. 2 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 OECD-MA, sei es nach Art. 12 Abs. 1 OECD-MA. Trotzdem entsteht naturgemäß kostentreibender Verwaltungsaufwand, entstehen Haftungsrisiken u.s.w. Denen lässt sich schwerlich entgehen, jedenfalls, wenn man das Gesetz so versteht, wie es in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG zum Ausdruck kommt.
Der Inlandsbesteuerung unterfällt allerdings auch dann nur jener Erträgeanteil, der in der beschriebenen Weise mit dem inländischen Registerprinzip verbunden ist. Dieser Anteil wird objektiv nur schwer zu ermitteln sein. Aber das ist dem Steuerrecht (nicht nur) in grenzüberschreitenden Zusammenhängen ja nicht unbedingt fremd – Transfer Price-Ermittlungen lassen grüßen. Der Steuerpflichtige ist hier wie dort gehalten, tatkräftig mitzuwirken. Er ist es, der zunächst erklärungs- und nachweispflichtig ist. Dennoch: Die Spur der Inlandsradizierung wird sich irgendwann deutlich verlieren, wenn nicht gar auflösen. Besteuert werden darf indessen nur, was „ist“, nicht was „sein soll“. Und so gesehen besteht begründete Hoffnung, dass das Ganze als der berühmte Sturm im Wasserglas endet und dem deutschen Fiskus allenfalls ein bescheidener Steuerzufluss verbleibt, oder, um mit Nadia Altenburg zu formulieren: „…würde sich selbst bei Annahme eines inländischen Besteuerungsrechts im Ergebnis die Besteuerungsfolge nicht ändern, da Deutschland aufgrund der Registereintragung keine (nennenswerte) Ertragsberechtigung zugeordnet werden kann“.
Fazit
Nicht alles wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. „Viel Lärm um nichts“ stimmt trotzdem nicht, weil der mit der beschränkten Steuerpflicht einhergehende Compliance-Aufwand und die Quellensteuerbelastung dennoch beachtlich sind. Eine begrenzende Regelungsänderung täte deswegen ebenso gut wie not.