Mit dem 31.12.2020 naht für viele Unternehmen der erste reguläre Bilanzstichtag, an dem sich die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise in vollem Umfang in der Finanzberichterstattung niederschlagen (müssen). Wie wirken sich die geänderten Rahmenbedingungen auf die Bewertung des Anlage- und des Umlaufvermögens aus? Können aufgrund der Corona-Krise steuerlich wirksame Teilwertabschreibungen geltend gemacht werden? Und welche steuerliche Neuerung gibt es bei planmäßigen Abschreibungen?
Stetigkeitsgrundsatz in einer sich stetig verändernden Umwelt
In der handelsrechtlichen Bilanzierung gilt der Grundsatz der Stetigkeit (§ 246 Abs. 3 Satz 1, § 152 Abs. 1 Nr. 6 HGB). Allerdings kann es angesichts der gravierenden negativen Folgen der Corona-Pandemie und einer etwaigen Beeinträchtigung der Unternehmensentwicklung für das bilanzierende Unternehmen im anstehenden Jahresabschluss gute Gründe geben, wegen der geänderten Verhältnisse die Bilanzpolitik anzupassen. Unternehmen sind mit schwierigen Bedingungen konfrontiert, ohne sie selbst verursacht zu haben oder sich ihnen entziehen zu können, sodass eine Abweichung von der bisherigen Bilanzierung nach § 252 Abs. 2 HGB gerechtfertigt sein kann. Abweichungen von der bisherigen Bilanzierung können darüber hinaus aus steuerlichen Gründen erforderlich sein oder um dringend notwendige Sanierungsmaßnahmen nicht zu gefährden. Wird der Stetigkeitsgrundsatz durchbrochen, ist dies nach § 384 Abs. 2 Nr. 2 HGB im Anhang zu erläutern. Nach Auffassung des IDW ist eine Verarbeitung der Erkenntnisse aus der Corona-Krise bei Ermessensentscheidungen wie außerplanmäßigen Abschreibungen keine Durchbrechung des Stetigkeitsgrundsatzes (IDW, Fachlicher Hinweis Teil 2 vom 25.03.2020); eine „stetigkeitsdurchbrechende“ Änderung der Bilanzpolitik sieht das IDW aber, wenn die Bilanzpolitik bislang die Entstehung stiller Reserven gefördert hat und das nun vermieden werden soll.
Abschreibungen im Anlagevermögen
Wurden aufgrund der Corona-Krise die Produktionskapazitäten angepasst, weil sich (globale) Absatzmärkte verändert haben oder gänzlich weggebrochen sind, ist ein außerplanmäßiger Abschreibungsbedarf im Anlagevermögen zu prüfen. Sowohl handels- als auch steuerrechtlich kommt es bekanntlich darauf an, dass eine dauerhafte Wertminderung vorliegt (§ 253 Abs. 3 Satz 5 HGB und § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG). Wurden Maschinen oder Anlagen wegen eines nachhaltig geänderten Produktionsprogramms stillgelegt, belastet das aufgrund der zwingenden Abschreibung auf den Veräußerungs- bzw. Schrottwert das handelsrechtliche Ergebnis. Gleichzeitig ergibt sich bei Ausübung des sog. Teilwertabschreibungswahlrechts steuerliches Entlastungspotenzial. Werden Anlagen zwar aktuell nur eingeschränkt genutzt, ist aber nicht klar, ob und wann eine Rückkehr in den „Normalbetrieb“ erfolgt, dienen die allgemeinen Grundsätze zur Dauerhaftigkeit einer Wertminderung als Orientierung. Dauerhaft ist eine Wertminderung, wenn der Zeitwert bzw. Teilwert voraussichtlich während der halben Restnutzungsdauer oder mindestens für fünf Jahre unter den fortgeführten Anschaffungskosten liegt (vgl. BMF vom 02.09.2016, BStBl. I 2016 S. 995 = DB 2016 S. 2143, Rn. 8 mit Verweis auf BFH vom 29.04.2009 – I R 74/08, BStBl. II 2009 S. 899 = DB 2009 S. 1792).
Steuerlich kann unabhängig von der Handelsbilanz auch bei planmäßigen Abschreibungen durch Inanspruchnahme der neuen degressiven AfA für nach dem 31.12.2019 angeschaffte oder hergestellte bewegliche Anlagegüter Mehraufwand geltend gemacht werden. Der AfA-Satz beträgt das Zweieinhalbfache des linearen Satzes, begrenzt auf 25%. Die degressive AfA nach § 7 Abs. 2 EStG ist begrenzt auf die Jahre 2020 und 2021, sodass ein handelsrechtlicher Wechsel der Abschreibungsmethode – auch wegen der zusätzlichen Ergebnisbelastung – wohl regelmäßig nicht vollzogen wird.
Bei Finanzanlagen kann sich außerplanmäßiger Abwertungsbedarf ergeben, da sich bei Beteiligungen und verbundenen Unternehmen die Prognosen für finanzielle Überschüsse aufgrund der Corona-Krise in vielen Fällen verschlechtert haben dürften. Wird in solchen Fällen bei Bewertung mittels Ertragswert- oder DCF-Verfahren ein Wert unterhalb des Buchwerts ermittelt, ist das laut IDW eine voraussichtlich dauerhafte Wertminderung und Anlass für eine zwingende außerplanmäßige Abschreibung (IDW, Fachlicher Hinweis Teil 2 vom 25.03.2020). In Kapitalgesellschafts-Verbundstrukturen ist hier aber von der steuerlich nach § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG unwirksamen Teilwertabschreibung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 i.V.m. Nr. 1 Satz 3 EStG abzuraten, da bei späterer Wertaufholung die sog. Zuschreibungsfalle des § 8b Abs. 2 Satz 3 i. V. m. 3 Satz 1 KStG zuschnappt und 5% des Ertrags aus der Zuschreibung besteuert werden.
Abwertungsbedarf im Umlaufvermögen
Im Vorratsvermögen wirken sich Gemeinkosten für unterausgelastete Maschinen steuerlich direkt als Aufwand aus, da diese „Leerkosten“ nicht als Herstellungskosten aktiviert werden dürfen.
Das strenge Niederstwertprinzip erfordert in der Handelsbilanz außerplanmäßige Abschreibungen bzw. eine verlustfreie Bewertung der Vorräte. Eine verringerte Konsumlaune und ein zurückhaltendes Investitionsklima bei Unternehmen dürften in vielen Fällen zu Abschreibungen wegen gesunkener Veräußerungsfähigkeit oder Gängigkeitsabschlägen führen. Zwar bedarf es für entsprechende Teilwertabschreibungen in der Steuerbilanz einer dauernden Wertminderung (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG), aber bei retrograder Ermittlung unter Zugrundelegung realistischer (Ab-)Verkaufspreise angesichts der voraussichtlich weit über den 31.12.2020 hinaus anhaltenden Pandemie dürfte eine Dauerhaftigkeit regelmäßig vorliegen. Das gilt insbesondere, da im Umlaufvermögen die Wertminderung nur bis zum Bilanzerstellungszeitpunkt bzw. einem vorherigen Verkaufszeitpunkt anhalten muss (BMF vom 02.09.2016, a.a.O., Rn. 16). Da in der Steuerbilanz bei der retrograden Ermittlung nicht nur die noch anfallenden Kosten, sondern auch ein durchschnittlicher Unternehmerlohn zum Abzug kommen, übersteigt die steuerwirksame Teilwertabschreibung die handelsrechtlichen Abschreibungen.
Auch der Forderungsbestand ist wegen teilweise bestehender Liquiditätsengpässe bei (Geschäfts-)Kunden sorgfältig zu analysieren. Ggf. sind auch hier (steuerwirksam) umfangreichere Einzelwertberichtigungen vorzunehmen. Für den danach verbleibenden Bestand sind im Vergleich zum Vorjahr gestiegene Pauschalwertberichtigungen (auch steuerlich) zu berücksichtigen.