Zum Jahreswechsel ist ein umfänglich geändertes Gemeinnützigkeitsrecht in Kraft getreten. Zuvor hatte der Bundesrat am 18.12.2020 dem vom Bundestag verabschiedeten Jahressteuergesetz 2020 zugestimmt. Buchstäblich auf den letzten Metern des Gesetzgebungsverfahrens wurden in dieses auch die weitreichenden Änderungen des Gemeinnützigkeitsrechts aufgenommen. Nachfolgend werden einige Schlaglichter auf das neue Gemeinnützigkeitsrecht geworfen und die veränderten Rahmenbedingungen dargestellt.
I. Erweiterung des Katalogs begünstigter Zwecke
Zentraler Anknüpfungspunkt für die steuerliche Begünstigung von Organisationen ist der von ihnen verfolgte Zweck. Begünstigt werden etwa solche Organisationen, die gemeinnützige Zwecke verfolgen. Das Gesetz bestimmt diese Zwecke nicht abschließend. Die Frage, was dem Gemeinwohl nützt, ist praktisch und politisch fast immer kontrovers und letztlich dem Zeitgeist erlegen (fast schon legendär ist etwa § 52 Abs. 2 Nr. 21 AO, der die Förderung des Sports und in Klammern „Schach gilt als Sport“ nennt). Deshalb erlangt der das Gemeinwohl konkretisierende Zweckkatalog im Gesetz allerhöchste Bedeutung.
Das Gesetz bestimmt jetzt den Klimaschutz ausdrücklich als gemeinnützigen Zweck. Der bisherige Katalog nannte zwar bereits Natur- und Umweltschutz, doch war in der Praxis unklar, ob sich Einzelfälle zivilgesellschaftlichen Engagements zur Eindämmung des Klimawandels darunter fassen ließen.
Zeitgemäße Anpassung erfährt auch der Zweck zur Förderung tatsächlich oft diskriminierter Personengruppen. Ausdrücklich genannt werden nun ebenfalls solche, die aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität oder Orientierung benachteiligt werden. Statt von „rassisch Verfolgten“ spricht die Abgabenordnung nun von „rassistisch Verfolgten“. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollen hierdurch wissenschaftliche und gesellschaftspolitische Entwicklungen „des letzten Jahrhunderts“(!) nachvollzogen werden.
Als ausdrückliche gemeinnützige Zwecke sind nun zusätzlich die Förderung der Ortsverschönerung, des Freifunks sowie der Unterhaltung und Pflege von Friedhöfen sowie der Unterhaltung von Gedenkstätten von nichtbestattungspflichtigen Kindern und Föten aufgenommen worden.
II. Privilegierung kleiner gemeinnütziger Organisationen und Ehrenamtlicher
Nach neuem Recht werden Organisationen, die nicht mehr als 45.000 € Einnahmen pro Jahr haben, von der Verpflichtung zur zeitnahen Mittelverwendung befreit. Dabei werden Einnahmen in allen vier Sphären der Organisation (ideeller Bereich, Vermögensverwaltung, Zweckbetrieb und wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb) angerechnet.
Bisher forderte das Gesetz – ungeachtet ihrer Größe – von allen gemeinnützigen Organisationen, ihre Mittel spätestens in den auf den Zufluss folgenden zwei Kalender- oder Wirtschaftsjahren für die satzungsmäßigen und steuerbegünstigten Zwecke zu verwenden. Entsprechend war dies im Wege der Rechnungslegung (sog. Mittelverwendungsrechnung) gegenüber der Finanzverwaltung nachzuweisen, wollte die Organisation nicht eine Aberkennung der Gemeinnützigkeit riskieren.
Übungsleiterfreibetrag und Ehrenamtspauschale betragen nun statt 2.400 € 3.000 € bzw. statt 720 € 840 € pro Jahr. Damit wird zivilgesellschaftliches Engagement weiter gestärkt, auch wenn die korrespondierende zivilrechtliche Haftungsprivilegierung von Ehrenamtlichen insoweit noch hinterherhinkt (vgl. § 31a Abs. 1 und § 31b Abs. 1 BGB). Danach sind dem Wortlaut nach nur unentgeltlich tätige Organmitglieder und Vereinsmitglieder oder solche privilegiert, die eine Vergütung erhalten, die 720 € jährlich nicht übersteigt.
III. Erleichterungen bei arbeitsteiligem Zusammenwirken und Mittelbeschaffung
Das reformierte Gemeinnützigkeitsrecht ermöglicht Organisationen, erst im Zusammenwirken mit anderen Organisationen einen gemeinnützigen Zweck unmittelbar zu verfolgen. Es genügt also, wenn erst das Gesamtbild der Tätigkeit mehrerer Organisationen eine unmittelbare gemeinnützige Zweckverfolgung ergibt. Bislang verlangte der Unmittelbarkeitsgrundsatz in der Regel, dass jede gemeinnützige Organisation ihre satzungsmäßigen Zwecke selbst und nicht nur mittelbar verwirklicht. Voraussetzung des nun zulässigen arbeitsteiligen Zusammenwirkens bleibt jedoch, dass die einzelnen Teile dieses Gesamtbildes ihre gemeinnützigen Zwecke ausschließlich und selbstlos verwirklichen.
Eine zulässige Teiltätigkeit innerhalb eines solchen Gesamtbildes soll sogar darin bestehen können, dass eine Organisation ausschließlich Anteile an gemeinnützigen Körperschaften hält und verwaltet. Ob sich jedoch gemeinnützige Stiftungen tatsächlich als ein solches Holdingvehikel eignen, bleibt fraglich, da diese zivilrechtlich dem sogenannten Verbot der Selbstzweckstiftung unterworfen sind. Danach ist grundsätzlich die bloße Erhaltung des eigenen Vermögens kein zulässiger Stiftungszweck.
Durch die Flexibilisierung der Kooperationsmöglichkeiten können die im Wirtschaftsleben prägenden und wertbildenden Effekte der Arbeitsteilung verstärkt auch im Dritten Sektor (Non-Profit-Sektor) genutzt werden. Dies dürfte insbesondere bei Leistungen im Rahmen des Zweckbetriebs einen Freiheitsgewinn steuerbegünstigter Organisationen bedeuten. Das alte Recht unterwarf Kooperationen gemeinnütziger Organisationen bislang weitaus restriktiveren Vorgaben, welche operativ kreativen Projekten nicht selten im Wege standen. Freilich ist bei solchen Kooperationen wie bisher die Entstehung einer Außengesellschaft bürgerlichen Rechts zu vermeiden, da diese etwa zur Entrichtung von Gewerbesteuer herangezogen werden kann. Entgeltliche Leistungen einzelner Organisationen an nicht gemeinnützige Dritte sind dagegen nach wie vor dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzurechnen und daher grundsätzlich voll steuerpflichtig.
Für weitere Erleichterung sorgt die angehobene Freigrenze für Einnahmen aus wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb von 35.000 € auf 45.000 €. Dies dürfte Anreiz für viele steuerbegünstigte Organisationen sein, sich um eine entsprechende Mittelbeschaffung zu bemühen, was letztlich den steuerbegünstigten Zwecken zugutekommt.
IV. Mittelweitergabe
Als Flexibilisierung erweist sich das reformierte Gemeinnützigkeitsrecht auch bei der Mittelweitergabe. Jetzt können sämtliche Mittel der gemeinnützigen Organisation an eine andere gemeinnützige Organisation weitergegeben werden, auch wenn die Empfängerorganisation ihren Sitz nicht im Inland hat. Soweit in einer solchen Mittelweitergabe die einzige Art der Zweckverwirklichung bestehen soll, ist dies aber in der Satzung festzuhalten.
Das neue Recht verzichtet ausweislich seiner Begründung ausdrücklich auf eine Regelung, wonach die Empfängerorganisation die erhaltenen Mittel nur für die Zwecke der Geberorganisation verwenden darf („Zwecksynchronität“). Dies war nach altem Recht umstritten. Vorsicht ist jedoch nach wie vor dann geboten, wenn die Satzung der Geberorganisation selbst ein solches Gebot der Zwecksynchronität enthält.
Als weitergegebene Mittel sind nicht nur Bar- und Buchgeld, sondern auch alle anderen Vermögenswerte anzusehen. Ein solcher Vermögenswert ist etwa eine unentgeltliche oder verbilligte Nutzungsüberlassung einer Immobilie ebenso wie eine verbilligt erbrachte Dienstleistung.
Erfreuliche Rechtssicherheit besteht für Geberorganisationen in Fällen, in denen die Empfängerorganisation die weitergegebenen Mittel entweder nicht für steuerbegünstigte Zwecke verwendet oder ihre Steuerbegünstigung nach Mittelweitergabe verliert. Beides ist für die Geberorganisation gemeinnützigkeitsunschädlich, wenn sie auf den Fortbestand der Steuerbegünstigung der Empfängerorganisation und die gemeinnützigkeitskonforme Mittelverwendung vertrauen durfte. Damit ein solches schutzbedürftiges Vertrauen entsteht, muss sich die Geberorganisation jedoch die Steuerbegünstigung etwa durch Vorlage eines Freistellungsbescheids der Empfängerorganisation nachweisen lassen.
V. Zuwendungsempfängerregister
Zu Zwecken des sogenannten Sonderausgabenabzugs für Spenden wird zum 01.01.2024 ein Register beim Bundeszentralamt für Steuern eingeführt. Dieses soll Daten zu steuerbegünstigten Organisationen speichern (Wirtschafts-Identifikationsnummer, Name, Anschrift, Zwecke, zuständiges Finanzamt, Datum des letzten Freistellungsbescheids, Bankverbindung). Damit gehört die Tatsache, dass eine Organisation als gemeinnützig anerkannt wurde nicht mehr zum Steuergeheimnis. Der Zugewinn an Transparenz dürfte sich positiv auf das Spendenaufkommen auswirken und reiht sich in einen allgemeinen Trend zu mehr Transparenz im (Steuer)Recht ein.
VI. Ausblick
Der neue Rechtsrahmen dürfte den Dritten Sektor günstig beeinflussen. Deutschland hat den Ruf, Personen mit philanthropischen Ambitionen im internationalen Vergleich zu viele Hürden in den Weg zu stellen (vgl. nur DIE ZEIT vom 23.12.2020, S. 21 f.). Daher sind insbesondere die vielfältigen Flexibilisierungen und Erleichterungen zu begrüßen. Allerdings sollte der Gesetzgeber bei anstehenden Reformen, insbesondere im Stiftungs- und Personengesellschaftsrecht, den Abgleich mit dem neuen Gemeinnützigkeitsrecht nicht verpassen, um Wertungswidersprüche zu vermeiden. Mögliche Friktionen des reformierten Gemeinnützigkeitsrechts mit dem Haftungsregime Ehrenamtlicher und dem Verbot der Selbstzweckstiftung wurden genannt. Denn nicht nur Überregulierung kann sich als Standortnachteil erweisen, sondern auch überkomplexe (weil widersprüchliche) Regelungen.