FG München: Carried Interest ist Ergebnisverteilung und keine Tätigkeitsvergütung

StB Dr. Thomas Töben, SMP, Berlin

Das noch nicht veröffentlichte Urteil des FG München vom 17.11.2020 (12 K 2334/18) zur steuerlichen Einordnung des sog. Carried Interest hat nicht nur für vermögensverwaltende Private Equity (PE) und Venture Capital (VC) Fonds Bedeutung. Das Urteil hilft auch bei der zutreffenden, abkommensrechtlichen Einordnung des Carried Interest in grenzüberschreitenden PE/VC-Strukturen.

Ausgangslage

PE/VC-Fonds sind regelmäßig transparente Personengesellschaften, in denen Kapitalinvestoren als passive und andere, für den gemeinsamen Gesellschaftszweck aktiv tätige Mit-Gesellschafter, die Initiatoren, ihre „Kräfte“ (Geld/Knowhow) und Interessen bündeln. Für ihren aktiven Einsatz zur Förderung des Gesellschaftszwecks wird den Initiatoren im Gesellschaftsvertrag des Fonds ein Ergebnis- bzw. Gewinnanteil eingeräumt, der kapitaldisproportional, wirtschaftlich jedoch proportional zu den jeweiligen aktiven und passiven Gesellschafterbeiträgen ist, typischerweise in Höhe von 20% (der sog. Carried Interest).

Steuerliche Einordnung des Carried Interest

Vor dem FG München wurde darüber gestritten, ob dieser Carried Interest steuerlich

  • als Teil der Ergebnisverteilung auf Ebene der vermögensverwaltenden Fonds KG anzuerkennen oder
  • als eine Tätigkeitsvergütung im Rahmen der Ergebnisverwendung der an der Fonds KG als Gesellschafter beteiligten Kapital-Investoren zu behandeln

ist.

Das FG München bestätigt die zuerst genannte Auffassung (Teil der Ergebnisverteilung). Der Carried Interest als Ergebnisanteil an der Fonds KG wird durch die Sondervorschrift des § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG erst auf Ebene der Initiatoren in Einkünfte aus selbstständiger Arbeit umqualifiziert.

Bedeutung für die Praxis

Bedeutung hat dieser Streit vor allem für private Kapitalinvestoren von PE/VC-Fonds. Die zweitgenannte Auffassung würde – verkürzt ausgedrückt – dazu führen, dass 100% des über die Fonds KG erzielten Einkommens (i.d.R. § 20er-Einkünfte) als anteiliges steuerpflichtiges Einkommen allein den Kapitalinvestoren zugerechnet wird, obwohl diesen Gesellschaftern entsprechend der gesellschaftsvertraglich geregelten, oft zunächst an Cash-Erlösen orientierten Gewinnverteilung nur 80% zustehen und zufließen. Wegen der abgeltenden Wirkung der Abgeltungsteuer könnten diese privaten Kapitalinvestoren die den Initiatoren zustehenden „20%“ jedoch nicht steuermindernd gegenrechnen. Die anderen Gesellschafter, die Initiatoren, würden am Ergebnis/Gewinn „ihrer“ Personengesellschaft gar nicht beteiligt sein. Vielmehr sollen sie allein Tätigkeitsvergütungen von ihren Mitgesellschaftern beziehen, welche vermeintlich allein der Einfachheit halber direkt von der Personengesellschaft entrichtet werden.

Mit seiner Entscheidung führt das FG München die Rechtsprechung des VIII. BFH-Senats zu gewerblichen PE/VC-Fonds konsequent fort. Das unterlegene Finanzamt hat Revision eingelegt, die unter VIII R 2/21 beim BFH anhängig ist.

Zum Hintergrund

Die mit Wirkung ab 2004 in § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG verortete steuerliche Erfassung von kapitaldisproportionalen Ergebnisanteilen bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften (Fonds) und dort verwendete und verwirrende Begriffe, wie z.B. „Vergütung“, mag Ursache für mannigfaltige Interpretationen sein.

So spricht § 18 EStG allgemein von „Einkünften aus selbständiger Arbeit“ und jedenfalls in Absatz 1 von „Einkünften aus (freiberuflicher) Tätigkeit“. § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG gilt dagegen u.a. für Einkünfte, die ein Beteiligter an einer vermögensverwaltenden Gesellschaft als Vergütung für Leistungen zur Förderung des Gesellschaftszwecks erzielt, wenn der Anspruch auf die Vergütung unter der Voraussetzung eingeräumt worden ist, dass die kapitalgebenden Gesellschafter ihr eingezahltes Kapital vollständig zurückerhalten haben.

In diesem Spannungsfeld

  • einer einerseits zugleich „passenden“ bzw. „unpassenden“ Gesetzesnorm – hier Einkünfte aus selbstständiger Arbeit (§ 18 EStG) zur Sicherstellung der Besteuerung von Kapitaleinkünften, namentlich Anteilsveräußerungsgewinnen (§§ 17, 20 EStG), die bis Ende 2003 als solche zumeist nicht steuerbar waren (d.h. Verhinderung einer bis 2008 bestehenden, jedenfalls unliebsamen „Besteuerungslücke“), und
  • einer andererseits irreführenden, zumindest verwirrenden Verwendung von Begriffen sowohl aus dem Schuld- als auch aus dem Gesellschaftsrecht,

verlieren sich nicht nur Vertreter der Finanzverwaltung, sondern auch Doktoranden, namhafte Kommentatoren und Berater.

Geht es in grenzüberschreitenden PE/VC-Strukturen um die Zuordnung von Besteuerungsrechten für kapitaldisproportionale Ergebnis- bzw. Gewinnanteile der Initiatoren, wird – zumeist recht artifiziell – nach Anknüpfungspunkten bzw. „Aktivitäten“ im Sinne konkreter Tätigkeiten dieser Gesellschafter gesucht. Gesucht wird in diesem Zusammenhang  auch nach festen Einrichtungen und/oder gar Betriebsstätten, in denen solche „Aktivitäten“, zumindest teilweise, stattfinden und denen u.a. wohl deshalb die kapitaldisproportionalen Ergebnis- bzw. Gewinnanteile ganz oder anteilig zuzurechnen seien.

Diese nicht überzeugenden Bemühungen verkennen den „wahren“ Charakter der kapitaldisproportionalen Ergebnis- bzw. Gewinnanteile. Denn das zu verteilende Ergebnis besteht bei PE/VC-Fonds in aller Regel nur aus Einkünften aus Kapitalvermögen. Überwiegend Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen, manchmal auch Zinsen und Dividenden. Insoweit handelt es sich insgesamt um Kapitaleinkünfte (§ 20 EStG; evtl. § 17 EStG).

Über die Verteilung dieser Kapitaleinkünfte einigen sich die passiven Kapitalinvestoren und die sich um die Erreichung des gemeinsamen Gesellschaftszweck aktiv einsetzenden Mitgesellschafter in gesellschaftsvertraglichen, oft komplexen Regelungen zur Auskehrung frei verfügbarer Liquidität (dem sog. Wasserfall) und insgesamt aller Gewinne, welche die gemeinsame Personengesellschaft über die gesamte Fondslaufzeit hinweg verdient.

Entsprechend der gesellschaftsvertraglichen Regelung handelt es sich bei den kapitaldisproportionalen Ergebnis- bzw. Gewinnanteilen um eine wirtschaftlich angemessene und insoweit proportionale „Ergebnisverteilung“ und nicht um eine Tätigkeitsvergütung. Deshalb ist in grenzüberschreitenden DBA-Sachverhalten regelmäßig auch auf Art. 10 (Dividenden), Art. 11 (Zinsen) und/oder Art. 13 Abs. 5 (Anteilsveräußerungsgewinne) OECD-MA als zutreffende Verteilungsnorm zurückzugreifen, wenn es um die abkommensrechtliche Zuweisung des Besteuerungsrechts für kapitaldisproportionale Ergebnis- bzw. Gewinnanteile geht, und nicht auf Art. 7 OECD-MA oder den früheren Art. 14 OECD-MA aF , die für andere Einkünfte Geltung haben (Unternehmensgewinne/Selbständige Arbeit).

Im Hinblick auf die erst rd. 2 Jahre zurückliegende und klare Entscheidung des VIII. BFH Senats zu Carried Interest bei gewerblichen PE Fonds muss die Revision des Finanzamtes überraschen. Sie mag ein wenig an Miguel de Cervantes‘ Don Quijote erinnern. Auch dieser kämpfte unermüdlich und ohne nennenswerte Erfolgsaussichten auf verlorenen Positionen.

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