BFH zum Vorsteuerabzug bei einer Kapitalverwaltungsgesellschaft: Der XI. Senat auf Abwegen

RA/StB Dipl.-Kfm. Sören Reckwardt, Associated Partner bei POELLATH, Berlin

Mit Urteil vom 16.12.2020 (XI R 13/19, DB 2021 S. 1046) hat der BFH über den Vorsteuerabzug einer Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG) für bestimmte, von ihr für Rechnung der von ihr verwalteten Immobilien-Sondervermögen beauftragte Eingangsleistungen entschieden. Danach kann die KVG keinen Vorsteuerabzug für Leistungsbezüge, deren Kosten in den Preis der steuerfreien Verwaltungsleistung an die Anleger eingehen, geltend machen.

Ausgangslage

Im Fall hatte die KVG im eigenen Namen und für Rechnung bestimmter Sondervermögen verschiedene Leistungen beauftragt: Sachverständige im Zusammenhang mit der Bewertung, Depotbank, Wirtschaftsprüfer im Zusammenhang mit den Jahresberichten und Steuerberater für die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen. Diese Kosten behandelte die KVG als Allgemeinkosten und machte den Vorsteuerabzug entsprechend dem Vorsteuerschlüssel des jeweiligen Sondervermögens geltend, den sie aus dem Gesamtflächenschlüssel des Sondervermögens herleitete. Demgegenüber wollte die Finanzverwaltung keinen Vorsteuerabzug zulassen.

Mit Urteil vom 09.04.2019 (3 K 1230/15) versagte das FG München den Vorsteuerabzug und begründete dies damit, dass die Leistungen – mit Ausnahme der Depotbankleistung (heute: Verwahrstellenleistung) – von der KVG im Rahmen ihrer umsatzsteuerfreien Verwaltungsleistung an die Anleger „weitergeleistet“ worden seien. Für die Depotbankleistung nahm es eine fiktive Weiterleistung an; wohl im Sinne einer Leistungs(einkaufs)kommission gem. § 3 Abs. 11 UStG, ohne dies jedoch so zu benennen. Dieses Urteil bestätigte der XI. Senat nun im Ergebnis, änderte jedoch die Begründung hinsichtlich der Depotbankleistung.

Die Entscheidung des BFH

Der BFH geht von einer „Weiterleistung“ der Eingangsleistungen im Rahmen der umsatzsteuerfreien Verwaltungsleistung der KVG aus. Hierbei unterstellt er, dass der in den Besonderen Anlagebedingungen geregelte Aufwendungsersatzanspruch der KVG Teil des Entgelts für die Verwaltungsleistung sei. Hinsichtlich der Depotbankleistung lehnt der BFH zwar zunächst das Vorliegen einer Leistungskommission gem. § 3 Abs. 11 UStG ab (Rz. 48), geht dann aber in der weiteren Prüfung von einer „(im Wege der Fiktion) von der Klägerin erbrachte(n) Depotbankleistung aus“ (Rz. 50). Diese sei zwar grundsätzlich weiterhin umsatzsteuerpflichtig, teile jedoch als unselbstständige Nebenleistung das Schicksal der gem. § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG umsatzsteuerfreien Verwaltungs­leistung.

Das Urteil des BFH hat für Verwunderung und Kopfschütteln gesorgt und geht inhaltlich leider fehl. Von den vielen kritikwürdigen Punkten des Urteils seien hier nur wenige beispielhaft herausgegriffen und näher erläutert. Zunächst verkennt der BFH, dass für keine der gegenständlichen Leistungen eine Leistungskommission gem. § 3 Abs. 11 UStG vorliegt. Diese würde die (konkrete) Beauftragung einer Leistung durch den Kommissionär im eigenen Namen aber für fremde Rechnung eines anderen Unternehmers (des Kommittenten) erfordern. Beauftragt die KVG Leistungen für Rechnung des Sondervermögens, das umsatzsteuerlich Teil des Unternehmens der KVG ist, fehlt es am Handeln für einen anderen Unternehmer. Die Anleger sind nicht Kommittenten. Sie haben zivilrechtlich keine einem Kommittenten vergleichbare Rechtsstellung, dürfen insbesondere nicht das Erlangte selbst fordern.

Die KVG schuldet gegenüber den Anlegern zivilrechtlich lediglich die Beauftragung einer Depotbank oder von Sachverständigen für die Bewertung. Die Depotbank- oder Bewertungsleistung selbst schuldet sie nicht und das KAGB regelt demgegenüber ausdrücklich, dass Depotbank und Bewerter ihre Leistungen völlig unabhängig von der KVG zu erbringen haben. Die Depotbank dient gerade der Überwachung der KVG (vgl. hierzu auch Abschn. 4.8.13 Abs. 21 UStAE und EUGH-Urteil vom 04.05.2006 – Rs. C-169/04, „Abbey National“). Wie der BFH darauf kommt, dass die KVG bei der Depotbank einen Teil ihrer eigenen Leistung an die Anleger „zukaufe“ (vgl. Rz. 51 der Urteilsgründe), ist nicht erklärlich, da die KVG Depotbankleistung rechtlich gerade nicht erbringen darf.

Die KVG schuldet zivilrechtlich die Leistungen gegenüber den Anlegern nicht selbst. Eine „Fiktion“ von umsatzsteuerlichen Leistungen außerhalb der zivilrechtlichen Leistungsverhältnisse wäre nur im Rahmen einer (hier abgelehnten) Leistungskommission möglich gewesen. Ihren Aufwendungsersatzanspruch hat die KVG nach dem KAGB gerade nur dann, wenn die Eingangsleistungen nicht zu ihrer Verwaltungsleistung gehören; für letztere erhält sie ausschließlich die Vergütung. Die ersetzten Aufwendungen gehen bei der KVG nicht in die eigene GuV. Der XI. Senat verkennt die zentrale Unterscheidung zwischen Vergütung und Aufwendungsersatz im KAGB. Ebenso verkennt das Urteil den ausdrücklichen Gesetzeszweck des § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG, die umsatzsteuerliche Neutralität der Fondsanlage, wenn es pauschal den Vorsteuerabzug versagt, obwohl das Sondervermögen seine Immobilien umsatzsteuerpflichtig vermietet. Ignoriert wird überdies, dass die gegenständlichen Leistungen als Allgemeinkosten Kostenbestandteile der Ausgangsumsätze des jeweiligen Sondervermögens werden. Denn nur in dessen Buchungskreis gehen sie in die GuV ein.

Ein rechtlicher oder sachlicher Grund, warum der BFH hierbei nun von der seit Einführung des § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG vor über 40 Jahren ständigen Praxis auf Basis der allgemeinen Umsatzsteuergrundsätze abweicht, ist nicht ersichtlich.

Bedeutung für die Praxis

Das Urteil hat große Praxisrelevanz für Kapitalverwaltungsgesellschaften in der Betriebsprüfung und laufenden Steuer-Compliance. Hier gilt es umfassend Vor- und Nachteile der gewählten Vorgehensweisen abzuwägen und sich gegenüber der Finanzverwaltung bestmöglich aufzustellen. Es bleibt zu hoffen, dass der V. Senat noch einmal Gelegenheit bekommen wird, einen vergleichbaren Sachverhalt zu beurteilen und die aktuelle Rechtsprechung korrigiert.

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