Zur Verzinsung von Gesellschafterdarlehen: Warum der Drittvergleich kein Bankvergleich ist

RA Gerald Herrmann, Attorney-at-Law, Partner bei POELLATH, München

Die Ermittlung von fremdüblichen Darlehenszinsen bei Gesellschafterdarlehen bereitet in der Praxis oft Schwierigkeiten und wird regelmäßig in Betriebsprüfungen aufgegriffen. Die Prüfer vertreten in letzter Zeit zunehmend (auch unter Verweis auf ein Urteil des FG Köln vom 29.06.2017 – 10 K 771/16) die Auffassung, dass die mit dem Gesellschafter vereinbarte Verzinsung nicht angemessen und deshalb zu korrigieren sei. Als (Vergleichs-)Maßstab für fremdübliche Zinsen wird dabei von den Betriebsprüfern regelmäßig ein meist vorrangig zu bedienendes und voll besichertes Bankdarlehen herangezogen und in Höhe der Zinsdifferenz eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) angenommen. Dieser Praxis hat der BFH nun in einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung (BFH vom 18.05.2021 – I R 62/17, DB 2021 S. 2604) in aller Deutlichkeit widersprochen, indem er das oben genannte Urteil des FG Köln aufhob und mit einer umfangreichen „Segelanweisung“ an das FG Köln zurückverwies.

Sachverhalt

Im Streitjahr nahm die A-GmbH (Klägerin) zur Finanzierung eines Anteilskaufs mehrere Darlehen auf. Dabei erhielt die A-GmbH ein Bankdarlehen, welches mit durchschnittlich 4,78% p.a. verzinst wurde, eine Laufzeit von ca. 5 Jahren hatte und vorrangig und vollumfänglich besichert war. Außerdem erhielt die A-GmbH ein Verkäuferdarlehen, welches mit 10% p.a. verzinst, gegenüber dem Bankdarlehen nachrangig, sowie unbesichert war und eine Laufzeit von ca. 6 Jahren hatte. Zuletzt erhielt die A-GmbH noch ein Gesellschafterdarlehen ihrer alleinigen Gesellschafterin (der B-GmbH). Dieses Gesellschafterdarlehen hatte eine Laufzeit von ca. 9,5 Jahren, war sowohl gegenüber dem Bank- als auch dem Verkäuferdarlehen nachrangig, unbesichert und mit 8% p.a. verzinst.

Nach einer Betriebsprüfung bei der A-GmbH vertrat das Finanzamt die Ansicht, dass für das streitgegenständliche Gesellschafterdarlehen der B-GmbH lediglich ein Zinssatz von 5% angemessen (fremdüblich) sei und orientierte sich insoweit trotz kürzerer Laufzeit, Vorrang und voller Besicherung am Zinssatz des Bankdarlehens.

Das FG Köln folgte in erster Instanz der Auffassung des Finanzamts (FG Köln vom 29.06.2017 – 10 K 771/16) und sah dabei die unterschiedliche Ausgestaltung von Gesellschafter- und Bankdarlehen als unbeachtlich an. Die Nachrangigkeit des Gesellschafterdarlehens im Insolvenzfall sei gesetzlich angeordnet (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) und rechtfertige daher keinen Zinsaufschlag. Auch könne die gesetzlich angeordnete Nachrangigkeit im Insolvenzfall nicht durch eine Besicherung des Darlehens umgangen werden. Daher rechtfertige auch der Umstand, dass das Gesellschafterdarlehen unbesichert sei, keinen Zinsaufschlag. Darüber hinaus sei im Vermögen der A-GmbH letztlich genügend Substanz vorhanden um der Darlehensgeberin (d.h. der B-GmbH) als Sicherheit zu dienen. Letztlich könne auch der Umstand, dass das Verkäuferdarlehen trotz geringerer Laufzeit höher verzinst werde, nicht zinserhöhend beim Gesellschafterdarlehen berücksichtigt werden, da bei dem Verkäuferdarlehen die Möglichkeit bestehe, dass der Zinssatz durch andere Interessenlagen wie z.B. der Kompensation eines niedrigeren Kaufpreises beeinflusst sei.

Entscheidung des BFH

Die gegen diese Entscheidung des FG Köln gerichtete Revision der A-GmbH hatte Erfolg. Der BFH hob das Urteil auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Dabei begründete der BFH seine Entscheidung im Wesentlichen (verkürzt) wie folgt:

Besichertes Bankdarlehen ist kein Vergleichsmaßstab

Indem das FG Köln das vorrangige und voll besicherte Bankdarlehen als Maßstab für seine Prüfung herangezogen hat, habe es gegen allgemeine Erfahrungssätze verstoßen, sofern es ohne gegenteilige Feststellungen annimmt, dass ein fremder Dritter für ein nachrangiges und unbesichertes Darlehen denselben Zins („Preis“) vereinbaren würde, wie für ein besichertes und vorrangiges Darlehen. Dieser Verstoß lasse sogar die Bindung des BFH (als Revisionsinstanz) an die tatrichterlichen Feststellungen des FG entfallen.

Rangminderung im Insolvenzfall für den Fremdvergleich rechtlich unbeachtlich

Bei der Ermittlung eines fremdüblichen Darlehenszinssatzes für ein unbesichertes Gesellschafterdarlehen stehe die gesetzlich angeordnete Nachrangigkeit für Gesellschafterdarlehen im Insolvenzfall (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) einem Risikozuschlag nicht entgegen. Da bei dem anzustellenden Fremdvergleich das „Nahestehen“ wegzudenken ist, sei der Darlehensgeber nicht als Gesellschafter, sondern als fremder Dritter zu betrachten. Die Darlehensforderung eines fremden Dritten unterliege aber keiner gesetzlichen Rangminderung im Insolvenzfall. Soweit sich ein Dritter daher im Verhandlungswege freiwillig auf den Vorrang einer anderen Forderung vor der eigenen Forderung einlasse, würde er für die Hinnahme dieses Nachteils einen finanziellen Ausgleich verlangen.

Ausfallrisiko hängt wesentlich von zukünftiger Entwicklung des Darlehensnehmers ab

Auch der vom Finanzamt in erster Instanz vorgebrachte Einwand, dass das Vermögen der Klägerin (Darlehensnehmerin) über ausreichend Substanz verfüge und damit der Darlehensgeberin (d.h. der B-GmbH; Alleingesellschafterin) ausreichend Sicherheiten für eine Darlehensrückzahlung zur Verfügung standen, sei vorliegend unbeachtlich.

Ein fremder Dritter würde bei der Festlegung der Darlehensbedingungen nicht nur auf die aktuelle Vermögenssituation seines Schuldners abstellen, sondern vor allem auf dessen zukünftige wirtschaftliche Entwicklung. Denn das Ausfallrisiko eines Darlehensgebers hänge im Wesentlichen von dessen zukünftigen Entwicklungen ab. Da ein Darlehensgeber die wirtschaftliche Zukunft seines Schuldners aber allenfalls prognostizieren könne, liege es nahe, dass er bei gegebener Sachlage (Nachrangigkeit des Darlehens, fehlender Sicherheiten) einen höheren „Preis“ für die Überlassung des Kapitals fordern würde als ein abgesicherter Gläubiger.

Darüber hinaus gab der BFH dem FG Köln folgende Hinweise für den zweiten Rechtsgang mit auf den Weg:

Preisvergleich bei Nachrangigkeit und fehlender Besicherung

Soweit das FG Köln sich im zweiten Rechtsgang für die Feststellung des fremdüblichen Zinssatzes der Preisvergleichsmethode bedienen wolle, setze dies voraus, dass der zu beurteilende Preis einerseits und der als Maßstab anzulegende Vergleichspreis andererseits auf zumindest im Wesentlichen identischen Leistungsbeziehungen beruhen. Sofern das FG Köln dabei – wie im ersten Rechtsgang – das nachrangige und unbesicherte Gesellschafterdarlehen mit dem vorrangigen und besicherten Bankdarlehen vergleichen wolle (sog. interner Preisvergleich), seien entsprechende Anpassungen bei der Preisfindung erforderlich. Außerdem müsse das FG im Rahmen des Fremdvergleichs auch das Verkäuferdarlehen berücksichtigen, denn der Verkäufer sei beim Fehlen entgegenstehender Indizien als „fremder Dritter“ anzusehen.

Markt für nachrangige Kredite

Zusätzlich habe das FG Köln im Rahmen der Preisfindung das (substantiierte) Vorbringen der A-GmbH zu würdigen, dass es einen Markt für nachrangige Kredite gebe. Sofern das nach den – vom FG Köln noch zu treffenden – Feststellungen der Fall sei, gebe eben dieser Markt den zutreffenden Maßstab für einen etwaigen sog. externen Preisvergleich her. Dabei erscheine es nicht fernliegend, dass fremde Dritte auf diesem Markt bereit seien, gegen Zahlung eines höheren „Preises“ unbesicherte Nachrangdarlehen zu gewähren.

Feststellungslast trägt grundsätzlich das Finanzamt

Darüber hinaus sei es Sache des Finanzamts nachzuweisen, dass der vereinbarte Zinssatz eben nicht fremdüblich sei, denn dieses (d.h. das Finanzamt) treffe dabei grundsätzlich die Feststellungslast.

Anmerkung

Der BFH hat die Klage zwar aus verfahrenstechnischen Gründen zurückverwiesen, in seinen Ausführungen dem FG Köln aber ungewöhnlich umfangreiche Hinweise für den zweiten Rechtsgang mit auf den Weg gegeben, die fast die Hälfte des Entscheidungstextes ausmachen. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass der BFH in der Entscheidung der Vorinstanz grobe Mängel in der Ermittlung eines fremdüblichen Darlehenszinssatzes erkennt. In diesem Zusammenhang stellt der BFH deutlich klar, dass ein Drittvergleich eben kein Bankenvergleich ist und ein Risikozuschlag bei der Festlegung der Zinshöhe zum Ausgleich fehlender Besicherung oder eines Nachrangs grundsätzlich zu berücksichtigen sei. Auch wenn noch offen ist, ob die Finanzverwaltung dieses Urteil allgemein anerkennt, entzieht es ihrer bisherigen Argumentation im Rahmen von Betriebsprüfungen jedoch unzweifelhaft jegliche Grundlage. Zukünftig wird die Latte für die Finanzämter daher höher liegen, wenn sie nachweisen und begründen wollen, dass ein vereinbarter Zinssatz dem Drittvergleich eben nicht standhält. Dies auch vor dem Hintergrund, dass sich der BFH ganz zum Schluss dazu berufen fühlte, die Finanzverwaltung nochmals daran zu erinnern, dass ihr hierbei die Feststellungslast zukommt.

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