Während das Kreditwesengesetz sowie das Wertpapierrecht zwischenzeitlich mit Legaldefinitionen unter anderem für „Kryptowerte“ und „Kryptoverwahrgeschäfte“ und damit einem entstehenden Regulierungsrahmen aufwarten, bedient sich die Finanzverwaltung zur Erfassung von Gewinnen aus Krypto-Veräußerungsgeschäften der bestehenden Steuergesetze. Nachdem in einstweiligen Rechtsschutzverfahren zunächst 2019 das FG Berlin-Brandenburg eine Steuerpflicht von Gewinnen aus Krypto-Veräußerungen als privates Veräußerungsgeschäft innerhalb der Jahresfrist gemäß §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG bejaht, dann aber 2020 das FG Nürnberg die Einkommensteuerpflicht aus verfahrens- und verfassungsrechtlichen Gründen verneint hatte, konnte nun mit dem FG Baden-Württemberg erstmals ein Finanzgericht im Hauptsacheverfahren zur Steuerpflicht von „privaten“ Krypto-Veräußerungsgeschäften über einschlägige Plattformen (im Urteil im Einzelnen aufgeführt) Stellung nehmen (Az. 5 K 1996/19).
Sachverhalt
Im Entscheidungsfall (Streitjahr 2017) hatte der Sohn des Klägers treuhänderisch für seinen Vater (den Kläger), für seine Mutter und für sich selbst mit Bitcoins und anderen Krypto-Währungen gehandelt. Den durch den Vater hieraus (vorsorglich) erklärten Gewinn von etwa 31.904 € unterwarf das Finanzamt der Einkommensteuer, wogegen dieser klagte. Im Kern trug der Kläger vor, dass (i) Bitcoin-Einheiten kein „Wirtschaftsgut“ im steuergesetzlichen Sinne seien sowie (ii) in Deutschland ein verfassungswidriges strukturelles Vollzugsdefizit bei der Erfassung von Krypto-Gewinnen bestehe. Da der Handel sich zumeist auf ausländischen Plattformen und über anonymisierte Konten abspiele, deren Daten nach kurzer Zeit gelöscht würden, und es der deutsche Steuergesetzgeber versäumt habe, geeignete Instrumente zu schaffen, um bei den Plattformbetreibern für die Besteuerung relevante Informationen in Erfahrung zu bringen, hänge eine Versteuerung letztlich von der eigenen Bereitschaft ab, Einkünfte aus Krypto-Geschäften in der Einkommensteuererklärung anzugeben. Im Übrigen sei unklar, wie das Finanzamt Gewinne nach Maßgabe des Amtsermittlungsgrundsatzes und des Grundsatzes der gleichmäßen Besteuerung konkret berechnen wolle.
FG Baden-Württemberg bejaht Steuerpflicht privater Krypto-Gewinne
Das FG Baden-Württemberg folgt dieser Rechtsauffassung nicht, sondern bejaht nun die Steuerpflicht der Krypto-Gewinne. Zum einen sei es „ganz herrschende Meinung“ im Fachschrifttum, gehandelte Krypto-Einheiten als „andere Wirtschaftsgüter“ im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz Nr. 2 EStG anzusehen. Zum anderen sei ein vermeintliches strukturelles Vollzugsdefizit dem Gesetzgeber nicht anzulasten, da steuergesetzliche Instrumente wie das Sammelauskunftsersuchen (§ 93 Abs. 1 und Abs. 1a AO) und bei inländischen Krypto-Börsen auch ein Kontenabruf zur Verfügung stünden sowie ein verbleibendes Vollzugsdefizit bei Sachverhalten mit Auslandsbezug aus der Souveränität anderer Staaten folge und keine Verletzung des Verfassungsgebots der gleichmäßigen Besteuerung darstelle.
BFH am Zug
Im nun folgenden Revisionsverfahren wird sich der BFH positionieren müssen, da bisher keine Entscheidung des höchsten deutschen Steuergerichts zum Krypto-Handel vorliegt.
Generell gilt, dass eine Steuerpflicht von Gewinnen einen konkreten steuergesetzlichen Tatbestand voraussetzt. Bei „privaten“ (nicht gewerblich erwirtschafteten) Krypto-Gewinnen nimmt die Finanzverwaltung an, dass diese nach §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG steuerpflichtig sind, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung höchstens ein Jahr beträgt. Der BFH muss entscheiden, ob eine Krypto-Einheit tatsächlich ein „Wirtschaftsgut“ im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz Nr. 2 EStG ist, oder ob der Gesetzgeber einen eigenen steuergesetzlichen Tatbestand noch schaffen muss. Tatsächlich ist dies im Fachschrifttum umstritten. Was macht den greifbaren Vermögensvorteil, die Substanz einer Krypto-Einheit aus? Der BFH wird dies klären müssen.
Außerhalb der einjährigen Spekulationsfrist privat erzielte Veräußerungsgewinne (als auch -Verluste!) aus dem Krypto-Handel sind steuerlich grundsätzlich unerheblich. Im Entscheidungsfall hatte der Sohn des Klägers allerdings auch für fremde Rechnung (für seine Eltern) gehandelt. Dies könnte dem BFH Anlass bieten zu klären, ab wann die private Krypto-Spekulation auch außerhalb der Jahresfrist nach § 15 EStG in einen steuerpflichtigen gewerblichen Krypto-Handel umschlägt. Hierfür reicht, ähnlich wie bei Daytradern, ein häufiger An- und Verkauf noch nicht aus, sondern es kommt darauf an, inwieweit etwa (i) ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb dafür unterhalten oder eben (ii) auf fremde Rechnung (über den engsten Familienkreis hinaus) gehandelt wird.
Verfassungswidriges strukturelles Vollzugsdefizit bei der Krypto-Besteuerung?
Hochspannend wird sodann sein, ob der BFH, wie schon 2020 das FG Nürnberg, ein strukturelles Vollzugsdefizit bei der Besteuerung von Krypto-Gewinnen erkennt. Zur Erinnerung: 2004 hatte das BVerfG auf Vorlage des BFH die Besteuerung von privaten Aktien-Spekulationsgewinnen in den Jahren 1997 und 1998 für verfassungswidrig erklärt. Dem lag zugrunde, dass nach Erkenntnissen des Bundesrechnungshofs
- Spekulationsgewinne durch die Steuerpflichtigen „überwiegend unbefriedigend“ erklärt worden waren,
- die Finanzämter den Angaben von Steuerpflichtigen zu Spekulationsgewinnen ohne erkennbare eigene Prüfung folgten,
- Kontrollen der Finanzämter, ob Einkünfte erzielt wurden, kaum stattfanden sowie
- die Finanzverwaltung seinerzeit auch keine geeigneten Instrumente zur Sachverhaltsaufklärung besaß (BVerfG, Urteil vom 9. 3. 2004 – 2 BvL 17/02).
Diese Defizite sind tatsächlich erst mit Einführung von Kapitalertragsteuer und Abgeltungsteuer behoben worden.
Ähnlichkeiten zur heutigen „Durchsetzung“ einer Besteuerung von Krypto-Spekulationsgewinnen liegen auf der Hand. Bis heute liegt keine verbindliche Anweisung des BMF an die Finanzämter zur Krypto-Besteuerung vor. Überhaupt erst am 17.06.2020 wurde der Entwurf eines BMF-Schreibens veröffentlicht. Dieser harrt weiter der Finalisierung. Von Verfassungswegen sollte der BFH nun aufklären, ob (und falls ja, seit wann) die deutsche Finanzverwaltung in der Lage ist, erklärte (und nicht erklärte) Krypto-Veräußerungsgewinne mit der gebotenen Systematik zu erfassen und zu überprüfen.
Andere Brennpunkte der Krypto-Besteuerung weiter ungeklärt
Zu zahlreichen weiteren Streitfragen der Besteuerung von Kryptowährungen ist noch keine Klärung durch die Rechtsprechung in Sicht, auch wenn der (durch die Verbände kritisierte) Entwurf des BMF-Schreibens einen Orientierungsrahmen bieten mag. Die neue Bundesregierung wäre gut beraten, die drängendsten Streitfragen (auch ob sich durch Lending oder Staking mit Krypto-Einheiten eine Spekulationsfrist auf zehn Jahre verlängert) einer steuergesetzlichen Regelung zuzuführen, anstatt sich auf ein Verwaltungsschreiben und den Ausgang von Finanzgerichtsverfahren zu verlassen.