Die Verwaltung von Wagniskapitalfonds ist von der Umsatzsteuer befreit. Diese Umsatzsteuerbefreiung wurde bereits mit Wirkung vom 01.07.2021 durch das sog. Fondsstandortgesetz (vom 03.06.2021, BGBl. I 2021 S. 1498) als neue dritte Variante in § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG eingefügt (siehe hierzu Baaske, Steuerboard vom 08.07.2021). Der zentrale Begriff des „Wagniskapitalfonds“ wurde jedoch nicht gesetzlich definiert. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Fondsstandortgesetz wurde entschieden, dass die Konkretisierung der begünstigten Wagniskapitalfonds durch das (BMF im Verwaltungswege erfolgen soll (BT-Drucks. 19/28868, S. 114). Ein entsprechendes BMF-Schreiben zur Ergänzung des UStAE liegt inzwischen im Entwurf vor und wird nachfolgend näher beleuchtet.
Hintergrund und systematische Einordnung
Vor Einführung der Umsatzsteuerbefreiung für die Verwaltung von Wagniskapitalfonds sah § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG nur zwei für den Fondskontext relevante Steuerbefreiungen vor, nämlich für die Verwaltung von (i) Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) i.S.d. § 1 Abs. 2 KAGB und (ii) mit diesen (d.h. OGAW) vergleichbaren alternativen Investmentfonds (AIF) i.S.d. § 1 Abs. 3 KAGB.
Abschnitt 4.8.13 des aktuell geltenden UStAE konkretisiert das Kriterium der „Vergleichbarkeit“ insbesondere in Abs. 8 Satz 4. Danach setzt die Vergleichbarkeit eines AIF mit OGAW die kumulative Erfüllung von sieben Kriterien voraus (besondere staatliche Aufsicht, gleicher Anlegerkreis, gleiche Wettbewerbsbedingungen, mehrere Anleger, Abhängigkeit des Ertrags der Anlage von Ergebnissen der Anlage durch Verwalter, Anrecht der Anleger auf Gewinne und Risikotragung und Anlage nach Grundsatz der Risikomischung zum Zwecke der Risikostreuung). Unter diesen Voraussetzungen können auch geschlossene AIF einem OGAW vergleichbar und deren Verwaltung umsatzsteuerbefreit sein (Abschnitt 4.8.13 Abs. 9 Satz 2 UStAE). Bestimmte Erleichterungen gelten nur für offene inländische Spezial-AIF mit festen Anlagebedingungen i.S.d. § 284 KAGB sowie vergleichbare ausländische AIF (Abschnitt 4.8.13 Abs. 9 Satz 1 UStAE).
Insgesamt wird die in § 4 Nr. 8 Buchst. h Var. 2 UStG vorgesehene Umsatzsteuerbefreiung insbesondere im Fall geschlossener AIF tendenziell restriktiv durch die Finanzverwaltung ausgelegt. Die Verwaltung einer Vielzahl geschlossener AIF wird aufgrund dessen in der Praxis nach wie vor als umsatzsteuerpflichtig behandelt. Weil geschlossene AIF oftmals nicht Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinn und daher nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, ist die Belastung der Verwaltungsleistung mit Umsatzsteuer regelmäßig ein definitiver Kostenfaktor für den AIF und seine Anleger, der die Attraktivität der Anlage in deutsche Fonds beeinträchtigt. Im europäischen und internationalen Vergleich erweist sich dies als Standortnachteil. Denn die Verwaltung von Fonds ist in den meisten anderen relevanten Fondsstandorten umfassend umsatzsteuerbefreit. So ist beispielsweise im Nachbarland Luxemburg die Verwaltung von sämtlichen Fonds, einschließlich offener und geschlossener AIF, umsatzsteuerfrei (Art. 44 Nr. 1 Buchst. d des luxemburgischen UStG).
Diesen Standortnachteil für Deutschland hat der Gesetzgeber erkannt und mit dem Ziel der Beseitigung dieses Nachteils die Umsatzsteuerbefreiung für die Verwaltung von Wagniskapitalfonds geschaffen. Besonders betont wurden in der Gesetzesbegründung zum Fondsstandortgesetz der im internationalen Vergleich noch „unterentwickelte“ Venture-Capital-Markt in Deutschland und insbesondere der Kapitalbedarf für deutsche Startups (vgl. in der Gesetzesbegründung, BR-Drucks. 51/21, S. 1, 57, 117).
Eine von der Fraktion der FDP geforderte, weitergehende Ausdehnung der Umsatzsteuerbefreiung auf alle Fonds wurde ausweislich des Berichts des Finanzausschusses vom 21.04.2021 aufgrund „europarechtlicher Bedenken des Bundesministeriums der Finanzen“ bewusst nicht durch das Fondsstandortgesetz umgesetzt (BT-Drucks. 19/28868, S. 114).
Entwurf zur Ergänzung des UStAE
Der Entwurf des BMF sieht vor, dass der aktuelle UStAE um einen neuen Abs. 10 ergänzt wird, der den Begriff des Wagniskapitalfonds konkretisieren soll.
Danach sollen zu den begünstigten Wagniskapitalfonds nur bestimmte AIF gehören, einschließlich (aber nicht ausschließlich) qualifizierter Risikokapitalfonds (EuVECA-Fonds) i.S.d. sog. EuVECA-Verordnung. OGAW sollen danach keine Wagniskapitalfonds sein, werden aber ohnehin bereits von der ersten Variante des § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG erfasst.
Voraussetzung der Qualifikation eines AIF als Wagniskapitalfonds soll die Erfüllung der folgenden Kriterien sein:
- Der AIF muss zu mehr als 50% in junge, innovative Wachstumsunternehmen (Zielunternehmen) investieren. Die Zielunternehmen müssen dafür ihrerseits
a. zum Zeitpunkt der ersten Wagniskapitalbeteiligung nicht älter als 12 Jahre seit Unternehmensgründung sein (sog. Seed Stage, Early Stage, Expansion Stage);
b. zum Zeitpunkt der ersten Wagniskapitalfinanzierung als kleines oder mittleres Unternehmen (KMU) zu qualifizieren sein (gemäß Empfehlungen der Europäischen Kommission vom 06.05.2003, ABl. EU 2003 Nr. L 124 S. 36);
c. ihren Sitz in der EU oder im EWR haben, wobei auch hierfür nur der Zeitpunkt der ersten Wagniskapitalfinanzierung maßgeblich sein dürfte (d.h. nachträgliche Sitzwechsel sollten unschädlich sein); und
d. fortlaufend wirtschaftlich (mit Gewinnerzielungsabsicht) aktiv sein.
Nach diesem Maßstab ist für die Qualifikation als Wagniskapitalfonds unschädlich, wenn weniger als 50% der Zielunternehmen die Voraussetzungen der Buchst. a bis d nicht erfüllen („Schmutzquote“).
Der Entwurf sieht nicht vor, in welcher Form sich der AIF an seinen Zielunternehmen beteiligen soll. Die konkrete Form der „Wagniskapitalfinanzierung“ bzw. „Wagniskapitalbeteiligung“ wird also nicht explizit vorgeschrieben. Da keine ausdrücklichen Begrenzungen auf Eigenkapital- und eigenkapitalähnliche Instrumente vorgesehen sind, könnten neben Private Equity (PE) und Venture Capital (VC) Fonds insbesondere auch bestimmte Kreditfonds (z.B. sog. Venture Debt Fonds) als Wagniskapitalfonds erfasst sein. Diese Auslegung wäre zu begrüßen, weil solche Kreditfonds gleichermaßen – entsprechend dem Ziel des Fondsstandortgesetzes – den Venture-Capital-Markt in Deutschland und damit letztlich deutsche Startups stärken.
- Gemäß dem Entwurf zielen Wagniskapitalfonds durch „Risiko tragende Finanzierungen regelmäßig nach Erreichen des durch die Finanzierung beabsichtigten Zwecks auf einen erheblichen Wertzuwachs des Zielunternehmens ab, der zum Zeitpunkt des Ausstiegs des Fonds maßgeblich dessen Investitionsertrag bestimmt“.
Hierbei dürfte es sich um eine bloße Typusbeschreibung handeln, die den Tatbestand des Wagniskapitalfonds letztlich nicht zusätzlich einschränkt.
Diese Beschreibung trifft insbesondere auf typische PE/VC Fonds zu, die Wertzuwächse in Bezug auf ihre Zielunternehmen durch Veräußerung mittel- bis langfristig gehaltener Anlagen realisieren. Aber auch andere Fonds wie z.B. Kreditfonds streben einen erheblichen Wertzuwachs ihrer Zielunternehmen an, an denen diese Fonds z.B. über Fremdkapitalinstrumente mit gewinn- oder umsatzabhängigen Zinskomponenten partizipieren können.
- Nach dem Entwurf soll der Kapitalfluss der Investition direkt oder indirekt in die Zielunternehmen erfolgen können.
Damit wird klargestellt, dass eine Zwischenschaltung von Akquisitions-/Holdinggesellschaften (d.h. Tochtergesellschaften des AIF) oder auch von Zielfonds (im Dachfondskontext), die ihrerseits erst in das Zielunternehmen investieren und die ggf. nicht die Voraussetzungen der vorstehenden Ziffer 1. a. bis d. erfüllen, für die Qualifikation eines AIF als Wagniskapitalfonds unschädlich ist.
- Der AIF muss den gleichen Wettbewerbsbedingungen wie OGAW unterliegen und einer besonderen staatlichen Aufsicht (z.B. der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) unterstehen oder als „qualifizierter Risikokapitalfonds“ nach der EuVECA-Verordnung (EuVECA-Fonds) registriert sein.
Bei EuVECA-Fonds werden gleiche Wettbewerbsbedingungen und eine besondere staatliche Aufsicht also offenkundig unterstellt, wohingegen andere AIF wie geschlossene Spezial-AIF diese beiden Kriterien nachweisen sollen. Diese Kriterien sind auch im Katalog des Abschnitts 4.8.13 Abs. 8 Satz 4 UStAE enthalten. Die darin genannten weiteren Vergleichbarkeitskriterien (z.B. gleicher Anlegerkreis) werden für Wagniskapitalfonds aber nicht gefordert.
Auf Basis der Rechtsprechung des EuGH zur unionsrechtlichen Grundlage für die Umsatzsteuerbefreiung der Verwaltung von Fonds (Art. 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL zur „Verwaltung von durch die Mitgliedstaaten als solche definierten Sondervermögen“) kann – insoweit entgegen der Auffassung des BMF – letztlich (nur) relevant sein, ob der AIF einer „besonderen staatlichen Aufsicht“ unterliegt. Soweit Anlagevermögen einer vergleichbaren besonderen staatlichen Aufsicht unterliegen, besteht nach der EuGH-Rechtsprechung zwischen diesen Anlageformen ein unmittelbarer Wettbewerb (vgl. EuGH-Urteil vom 09.12.2015 – C-595/13, Fiscale Eenheid, ABl. EU 2016, C 48, Rn. 63). Eine gesonderte Prüfung gleicher Wettbewerbsbedingungen ist daher nicht mehr erforderlich.
Eine besondere staatliche Aufsicht ist wiederum bei sämtlichen AIF (auch bei geschlossenen Spezial-AIF) gegeben (Bujotzek/Blischke, Private Equity und Venture Capital Fonds, § 25 Rn. 166 ff.). Ausreichend ist insbesondere auch eine sog. Managerregulierung, d.h. eine Aufsicht über die Verwaltungsgesellschaft des AIF. Selbst sog. kleine registrierte Kapitalverwaltungsgesellschaften gemäß § 2 Abs. 4 KAGB (Klein-KVG) unterliegen einer solchen staatlichen Aufsicht. Eine Klein-KVG wird bereits insofern beaufsichtigt, als ihr Geschäftsbetrieb nicht ohne Registrierung bei der BaFin aufgenommen werden darf (§ 44 Abs. 1 Nr. 1, § 339 Abs. 1 Nr. 2 KAGB). Eine Klein-KVG unterliegt zudem diversen aufsichtsrechtlichen Folgepflichten (insbesondere Begrenzung des Werts der Vermögensgegenstände gemäß § 2 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 KAGB, Art. 3 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 231/2013, Kontrollbefugnisse der BaFin gemäß § 42 KAGB, Begrenzung der Vergabe von Gelddarlehen für Rechnung der AIF, Berichtspflicht gegenüber der BaFin gemäß § 44 Abs. 1, Abs. 4 bis 9 KAGB, Pflicht zur Jahresabschlussprüfung gem. § 45a KAGB). Das Erfordernis gesonderter Nachweise über eine „besondere staatliche Aufsicht“ im Einzelfall wäre daher ebenfalls verfehlt.
- Der Unternehmer, der sich auf die Umsatzsteuerbefreiung beruft (d.h. die Kapitalverwaltungsgesellschaft), muss das Vorliegen der vorstehenden Voraussetzungen durch geeignete Belege (insbesondere anhand der vertraglichen Anlagebedingungen) gegenüber der Finanzbehörde nachweisen.
Dementsprechend empfiehlt es sich, die genannten Kriterien bereits bei der Abfassung der Fondsdokumentation zu berücksichtigen (d.h. insbesondere ausdrückliche Regelungen in Gesellschaftsverträgen und Emissionsdokumenten).
Fazit
Die Finanzverwaltung versteht als Wagniskapitalfonds insbesondere PE/VC Fonds sowie möglicherweise auch Venture Debt Fonds, die überwiegend in junge KMU mit Sitz innerhalb der EU oder des EWR in frühen Phasen investieren (Seed, Early, Expansion Stage). Unter diesen Voraussetzungen sollen insbesondere EuVECA-Fonds als Wagniskapitalfonds zu qualifizieren sein. Bei Spezial-AIF sollen im Einzelfall gleiche Wettbewerbsbedingungen wie bei OGAW (Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren) und eine besondere staatliche Aufsicht nachgewiesen werden. Nach hier vertretener Auffassung ist dieses Nachweiserfordernis nicht gerechtfertigt bzw. das Erfordernis der „besonderen staatlichen Aufsicht“ selbst bei Spezial-AIF, die von einer Klein-KVG verwaltet werden, stets erfüllt.
Die Verwaltung von anderen AIF, wie z.B. überwiegend in späten Phasen investierende PE Fonds, Immobilienfonds, Infrastrukturfonds, Prozessfinanzierungsfonds usw., soll aufgrund europarechtlicher Bedenken des BMF gegen eine weitere Ausdehnung der Umsatzsteuerbefreiung umsatzsteuerpflichtig bleiben. Diese Bedenken des BMF sind nicht nachvollziehbar. Unionsrechtlich bedenklich ist vielmehr die Ungleichbehandlung wesentlich vergleichbarer AIF, die sich lediglich in Bezug auf den jeweiligen Anlagegegenstand unterscheiden. Nach der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 135 Abs. 1 Buchst. g der MwStSystRL ist das Vorliegen einer „besonderen staatlichen Aufsicht“ hinreichend, der Anlagegenstand des AIF hingegen nicht maßgeblich und damit auch kein legitimer Differenzierungsgrund (vgl. EuGH-Urteil vom 09.12.2015 – C-595/13, ABl. EU 2016, C 48, Rn. 63). Gegen eine dennoch erfolgende Erhebung von Umsatzsteuer bleibt betroffenen AIF bzw. Kapitalverwaltungsgesellschaften aktuell leider weiterhin oftmals nur der Weg über Rechtsbehelfsverfahren.
Soll das Ziel des Fondsstandortgesetzes noch erreicht werden, d.h. Standortnachteile für Deutschland beseitigt werden, ist eine Erweiterung der Umsatzsteuerbefreiung in § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG auf die Verwaltung sämtlicher geschlossener AIF unumgänglich.