Seit schon etwa zwei Jahren geraten Private Equity (PE)-Fonds-Strukturen verstärkt ins Visier von deutschen Ermittlungsbeamten. Obwohl die untersuchten Strukturen üblich, aber auch sehr unterschiedlich sind, geht es in mehreren Ermittlungsverfahren ohne ausreichende Differenzierung stets nur um ein Kernthema, nämlich den „Ort der Geschäftsleitung“. Die erhobenen Vorwürfe gegen deutsche Manager und Berater von PE-Fonds mit Kapitaleinkünften sind angesichts eindeutiger Rechtsprechung unbegründet. Die lang andauernden Ermittlungen sind jedoch geeignet, Deutschland als Standort für Private Equity schwer zu beschädigen. Kapitalzusagen können ausbleiben, PE-Manager abwandern. Innovative Investitionen unterbleiben. Daran kann niemand ein Interesse haben.
1. Steuerhinterziehungsvorwürfe gegen PE Fonds Manager
Deutschen Managern und Beratern sowohl von inländischen als auch ausländischen PE-Fonds, jeweils steuertransparente Personengesellschaften deutschen und ausländischen Rechts (GmbH & Co. KG / Limited Partnerships), wird die Hinterziehung von Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Kapitalertragsteuer zugunsten ausländischer Kapitalgesellschaften vorgeworfen – sogar zugunsten ausländischer Komplementär-Kapitalgesellschaften, die überhaupt kein Einkommen haben. Solche Kapitalgesellschaften sind in grenzüberschreitende und oft komplexe PE-Strukturen zumeist wie folgt eingebunden:
- Ausländische Investoren und deren Kapital werden in einer sog. Blocker-Kapitalgesellschaft gebündelt, die allein statt vieler Einzelinvestoren Kommanditisten einer deutschen PE-Fonds-Personengesellschaft wird. Nicht selten wird auch von erfahrenen Finanzbeamten die Zwischen- bzw. Vorschaltung solcher ausländischen Gesellschaften empfohlen, weil die steuerlichen Feststellungsverfahren zur Ermittlung und Zurechnung von Einkünften einfacher sind je weniger ausländische Feststellungsbeteiligte es gibt.
- Als Komplementär-Kapitalgesellschaft einer ausländischen Fonds-Personengesellschaft.
Die inländischen PE-Manager/Berater würden als faktische Geschäftsführer im Inland alles, wie auch die genannten Kapitalgesellschaften im Ausland und auch deren ausländische Geschäftsführer, „steuern“. Sie seien „faktische Geschäftsführer“ der ausländischen Kapitalgesellschaften, weil man bei grenzüberschreitenden PE-Fonds-Strukturen mit Gesellschaften im In- und Ausland aufs Ganze schauen müsse, nicht auf jede Gesellschaft einzeln und darauf, wie der Fonds agiere.
Als faktische Geschäftsführer begründeten sie eine inländische Geschäftsleitungsbetriebsstätte der ausländischen (Kapital-) Gesellschaften und damit deutsche Steuerpflichten der ausländischen Gesellschaften und deren Gesellschafter. Hierüber hätten die inländischen PE-Manager/Berater die deutschen Finanzbehörden pflichtwidrig und vorsätzlich i.S.d. § 370 Abs.1 Nr. 2 AO in Unkenntnis gelassen. Vorgeworfen wird Steuerhinterziehung durch Unterlassen.
2. Steuerhinterziehungsvorwürfe widersprechen der Rechtsprechung
Die genannten Vorwürfe treffen angesichts eindeutiger Rechtsprechung nicht zu:
- Jede Gesellschaft und deren Tagesgeschäft ist gesondert zu beurteilen (BFH vom12.1994 – I K 1/93).
- Im Zusammenhang mit dem Vorwurf einer Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO verdrängen die §§ 33, 34 und 35 AO die Rechtsfigur des faktischen Geschäftsführers. Der BGH bestätigte mit Beschluss vom 23.08.2017 sein Urteil vom 09.04.2013, wonach Täter einer Steuerhinterziehung in der Tatvariante des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO („Unterlassen“) neben dem Steuerpflichtigen und dem gesetzlichen Vertreter nur der Verfügungsberechtigte i.S.d. § 35 AO sein kann, nicht aber der faktische Geschäftsführer, dem es an einer rechtlichen Verfügungsgewalt über die Mittel des anderen mangelt (so Madauß in einer Anmerkung zum BGH-Urteil vom 23.08.2017 – 1 StR 33/17, NZWiSt 2018 S. 498 und Hinweis auf BGH in NZWiSt 2013 S. 311, Rn. 79; siehe auch BGH vom 13.07.2018 – 1 StR 34/18, NStZ 2018 S. 673: im Streitfall vertrat die Staatsanwaltschaft die Auffassung, dass für eine mittäterschaftliche Begehung eine faktische Geschäftsführerstellung nicht ausreichend ist).
3. Steuerhinterziehungsvorwürfe sind realitätsfern
Die Vorwürfe widersprechen aber nicht nur der Rechtsprechung. Sie sind auch realitätsfern. Hätten die Beschuldigten seit Gründung der ausländischen Gesellschaften deutsche Finanzbehörden vorsätzlich und pflichtwidrig über angeblich steuerlich relevante Tatsachen und deutsche Steuerpflichten dieser Gesellschaften in Unkenntnis gelassen, hätten sie dies auch den mittelbar über diese Blocker-Gesellschaften investierenden Kapitalanlegern gegenüber verschwiegen. Hierdurch hätten sie sich in strafrechtlich relevanter Weise Schadensersatzansprüchen der Anleger ausgesetzt und so ihrem eigenen Geschäft die Grundlage entzogen, ohne irgendeinen Vorteil zu haben. Ein doch eher fern liegendes Szenario, zumal eine Direktinvestition ausländischer Investoren ohne solche ausländischen Blocker-Gesellschaften nicht selten günstiger ist. Doch ebenso wie nahezu alle deutschen Investoren zwischen sich und Investitionen im Ausland eine GmbH zur Abschirmung unbekannter Risiken zwischenschalten, investieren auch ausländische Investoren zumeist nicht direkt, sondern über vor- bzw. zwischengeschaltete ausländische Kapitalgesellschaften.
4. Faktische Geschäftsführung im Übrigen auf Ausreißerfälle begrenzt
Die von der Rechtsprechung aufgestellten Hürden, welche die Annahme einer faktischen Geschäftsführung rechtfertigen könnten, werden nur selten übersprungen.
Im Zivil- und Strafrecht besteht keine Notwendigkeit, einen faktischen Geschäftsführer als „Hintermann“ ausfindig zu machen, diesem eine Verantwortung künstlich „zuzurechnen“ und als Haftungsschuldner in Anspruch zu nehmen, wenn es formelle und für die Gesellschaft nach außen auftretende Geschäftsführer gibt, die geschäftsfähig sind. Die Frage einer „geschäftsführergleichen“ Verantwortlichkeit stellt sich erst, wenn ein „echter“ Geschäftsführer, also eine natürliche Person, die als Geschäftsführer bestellt und als Geschäftsführer agiert, nicht greifbar ist. Jene Konstellationen, in denen Dritte neben einem ordnungsgemäß bestellten und als solchen agierenden Geschäftsführer tätig sind, lassen sich strafrechtlich über Mittäterschaft, Beihilfe oder Anstiftung lösen, zivilrechtlich als gesamtschuldnerische Haftung. Dafür sieht aber weder der Gesetzgeber noch die Rechtsprechung ein Bedürfnis in den hier angesprochenen Fällen des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO (siehe hierzu unter 2.).
Im Steuerecht hat die Finanzrechtsprechung der letzten 100 Jahre einen inländischen Ort der Geschäftsleitung aufgrund einer faktischen Geschäftsführung im Inland ebenso nur in Ausreißerfällen angenommen. Sie sind an einer Hand abzählbar. Und sie betrafen beherrschende (Alllein-) Gesellschafter von Kapitalgesellschaften, die an einem vorhandenen Vermögen und Einkommen der betreffenden Gesellschaften auch beteiligt waren.
Das OLG München hat in seinem Urteil vom 08.02.2012 (7 U 4030/11, n.v.) unter Bezugnahme auf die BGH-Rechtsprechung die Voraussetzungen herausgearbeitet, die vorliegen müssen, damit von einem faktischen Geschäftsführer ausgegangen werden kann. Folgende Aussagen sind diesem Urteil entnommen:
- Für die Beurteilung der Frage, ob jemand faktisch wie ein Organmitglied gehandelt und als Konsequenz seines Verhaltens sich wie ein nach dem Gesetz bestelltes Organ-Mitglied zu verantworten hat, kommt es auf das Gesamterscheinungsbild seines Auftretens vor allem auch nach außen an.
- Allein die tatsächliche Unterordnung und Weisungsabhängigkeit eines satzungsmäßigen Geschäftsführers ist nicht ausreichend, um einen „Hintermann“ als faktischen Geschäftsführer zu behandeln, der im ausländischen Recht auch „Shadow Director“ genannt wird.
- Entscheidend ist, dass der Betreffende die Geschicke der Gesellschaft – über die interne Einwirkung auf die satzungsmäßige Geschäftsführung hinaus – durch Handeln im Außenverhältnis, das die Tätigkeit des rechtlichen Geschäftsführungsorgans nachhaltig prägt, maßgeblich in die Hand genommen hat.
- Die interne Abstimmung wichtiger Entscheidungen zwischen den formellen Geschäftsführern und anderen Personen, hier den inländischen PE-Managern/Beratern, deren etwaige Einflussnahme auf die formellen Geschäftsführer und deren Entscheidungen reichen nach der Rechtsprechung für die Annahme einer faktischen Geschäftsführerstellung selbst dann nicht aus, wenn unternehmerische Entscheidungen nicht ohne Einverständnis dieser Personen erfolgen können.
- Hierbei handelt es sich um Vorgänge, die lediglich interne Einwirkungen und Weisungen auf die satzungsmäßige Geschäftsführung darstellen, nicht hingegen ein darüber hinaus erforderliches maßgebliches eigenes Handeln mit Außenwirkung für die betreffende Gesellschaft.
- Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung stellen solche Entscheidungsabläufe und auch die Rücksprache der Geschäftsführer mit externen Beratern (z.B. vor Auszahlung von Geldern) lediglich gesellschaftsinterne Einwirkungen dar, die nicht zugleich auch eine Stellung als faktischer Geschäftsführer begründen. Dies gilt selbst dann, wenn durch die Intensität der Einwirkungen die satzungsmäßigen Geschäftsführer zu „reinen Befehlsempfängern“ degradiert werden sollten (siehe auch BGH II ZR 196/00 Rz. 10 = BGHZ 150 S. 61).
- Das Institut der faktischen Geschäftsführung kann nicht pauschal bei jeglichem Handeln mit Außenwirkung anwendbar sein, mag diesem Handeln auch bedeutendes Gewicht zukommen. Selbst ein Auftreten von Beratern nach außen im Hinblick auf die Anbahnung von Geschäften für die auftraggebende Gesellschaft, das Auffinden, die Auswahl und die Kalkulation von Investitionsobjekten begründen ebenso wenig eine Stellung als faktischer Geschäftsführer wie das Zurverfügungstellen der für eine Entscheidung der betreffenden Gesellschaft wesentlichen Daten.
- Selbst ein etwaiges Mitentscheidungsrecht von Beratern bei Ankauf und Veräußerung von Investitionsobjekten lässt die Rechtsprechung für die Begründung einer faktischen Geschäftsführung nicht genügen. Ebenso wenig reicht es aus, wenn Berater Vertragsverhandlungen anführen und die Preisgestaltung mitbestimmen. Diese nach Außen in Erscheinung tretenden Tätigkeiten stellen nach der Rechtsprechung des OLG München keine Tätigkeiten dar, die üblicherweise allein den Geschäftsführern vorbehalten sind, vor allem, wenn die formalen Geschäftsabschlüsse durch die formellen Geschäftsführer erfolgen, die damit zu erkennen geben, die Gesellschaft zu vertreten.
Wie es angesichts einer derart eindeutigen Rechtsprechung zum Thema „faktische Geschäftsführung“ zu den eingangs angesprochenen Ermittlungsverfahren kommen konnte, ist nicht zu erklären.
5. PE-Fonds mit passiven Kapitaleinkünften sind mit global operierenden DAX-Konzernen nicht vergleichbar
Die Ermittlungen gegen PE-Fonds-Manager können nicht mit dem Hinweis auf anerkannte Regeln aus dem Bereich der angemessenen Verrechnungspreise bei global operierenden Konzernen mit risikobehafteten Großprojekten und Mehrstaatenbezug, wo es auf die Wertigkeit, die Funktion und das Risiko von unternehmerischen Tätigkeiten in einem Unternehmensverbund mit Gesellschaften in vielen Ländern ankomme, gerechtfertigt werden. Die dort geltenden Regeln haben keine Bedeutung für die steuerliche Beurteilung von grenzüberschreitenden PE-Fonds-Strukturen mit bloß passiven Kapitaleinkünften.
Die Vergütungen der Fremdgeschäftsführer ausländischer Blocker-Gesellschaften sind gering, weil das Tagesgeschäft (Abwicklung von Kapitalzu- und -rückflüssen und deren ordnungsgemäße Verbuchung) überschaubar ist und nur wenig Arbeit erfordert. Diese Vergütungen werden auch nicht in einem weltweiten Konzernverbund zwischen nahstehenden Unternehmen vereinbart, sondern zwischen fremden Dritten. Ein Verrechnungspreisthema gibt es nicht.
Dasselbe gilt für die Managementvergütungen, welche die aktiven PE-Manager von den PE-Fonds für die Vermögensverwaltung und mittelbar zu Lasten des Vermögens der bloß passiven Kapitalinvestoren erhalten, die den Managern als fremde Dritte gegenüberstehen. Weltweit wird seit Jahrzehnten mit den passiven Kapitalinvestoren und insoweit mit unabhängigen Parteien eine Vergütung von rd. 2% p.a. bezogen auf die Höhe der Kapitalzusagen bzw. des investierten Kapitals in marktüblicher Weise vereinbart und akzeptiert. Auch hier gibt es kein Verrechnungspreisthema.
Die Ermittlungsverfahren lassen sich auch nicht mit dem Hinweis auf erfolgsabhängige Tätigkeitsvergütungen von Fremdgeschäftsführern, wie z.B. DAX-Vorständen, rechtfertigen. Schuldrechtlich von DAX-Vorständen vereinbarte, erfolgsabhängige Vergütungen besagen in diesem Kontext nichts, zumal die schuldrechtlichen Vergütungsvereinbarungen und gesellschaftsrechtlichen Strukturen einschließlich erfolgsabhängiger Zahlungen in PE- „Personen-Gesellschaftsstrukturen“ gänzlich anderen „Spielregeln“ folgen als jene in den kapitalistisch strukturierten DAX-Konzernen. Ein Vergleich von PE-Managern mit erfolgsabhängig bezahlten DAX-Vorständen ist auch deshalb verfehlt, weil das – schließt man sich der Gedankenwelt der Ermittlungsbeamten an – zwangsläufig zu der Frage führt, ob deutsche DAX-Vorstände für die konzernzugehörigen Auslandsgesellschaften ebenfalls einen Ort der Leitung in Deutschland begründen mit der Folge, dass sie zugunsten all dieser Auslandsgesellschaften seit Jahrzehnten Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Kapitalertragsteuer in strafrechtlich relevanter Weise zu Lasten der deutschen Gebietskörperschaften hinterzogen haben. Ein geradezu absurder Gedanke.
6. Fast and Furious
Trotz der gravierenden Missverständnisse sollen die Ermittlungen gegen deutsche PE-Fonds-Manager und Berater an Fahrt aufnehmen. Ohne Differenzierung würden verschiedenste Strukturen aufgegriffen. Unverdächtige Vereinbarungen, Unterlagen und harmlose E-Mails würden „aufgetuned“, um diese unter Hinweis auf Regeln aus gänzlich anderen Bereichen als belastendes Material auf die Spur zu bringen. Im sog. Goldfinger-Komplex, in dem es ebenfalls auf den relevanten Geschäftsleitungsort ankam, bezeichnete der Vorsitzende Richter des LG Augsburg die damaligen Ermittlungen als „Ressourcenverschwendung“ und brach die Verhandlung nach zwei Verhandlungstagen ab. Das gilt in den hier angesprochenen Ermittlungsverfahren allemal, zumal es nicht um Steueroptimierung geht, sondern um die Anlage von Vermögen institutioneller Kapitalanleger, vornehmlich Versicherungen und Pensionsfonds, die daraus bloß Kapitaleinkünfte zugunsten der Versicherten und Rentner erzielen.
Deutsche Versicherungen und Pensionsfonds und auch die deutsche Regierung würden Sturm laufen, wenn ausländische Finanzbehörden in Outbound-Fällen steuerfreie Kapitalerträge deutscher institutioneller Anleger, wie Versicherungen, Pensionsfonds und Versorgungswerken, mit jenen Argumenten (weg-) besteuern wollten, wie sie in den hier dargestellten Sachverhalten sogleich auf der Bühne des Strafrechts vorgetragen werden.
Es ist dringend an der Zeit, den Fuß vom Gas nehmen. Die Verfahren müssen schnellstmöglich eingestellt werden. Etwaige verbleibende, steuerrechtliche Detailfragen müssen von Fachleuten in Ruhe und in ordentlichen Steuerverfahren besprochen und gelöst werden. In der Ruhe liegt die Kraft. Um in der einschlägigen Filmsprache zu bleiben: „No Need for Speed.“