Das BMF hat am 11.05.2022 das lang erwartete Schreiben „zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung von virtuellen Währungen und von sonstigen Token” veröffentlicht. Nach einem Entwurf im Juni 2021 und einer nachfolgenden Anhörung verschiedener Verbände der Krypto-Community wird das finale Schreiben nun – 13 Jahre nach dem Start des Bitcoin 2009 – mehr Rechtssicherheit für die Besteuerung diverser Krypto-Einkünfte bringen (zur unsicheren Rechtslage bisher siehe zuletzt Wintermeier, HB Steuerboard vom 27.04.2022). Allerdings hat das BMF mit diesem Schreiben noch nicht alle in der Praxis aufgeworfenen Themen erfasst; das betrifft insbesondere Aufzeichnungs- und Mitwirkungspflichten der Steuerpflichtigen. Hierfür sind weitere Erlasse angekündigt.
Definitionen
Das BMF-Schreiben erläutert zunächst in 29 der 90 Randziffern ausführlich die wesentlichen Grundlagen und Begriffe der Krypto-Welt. Neben Definitionen für virtuelle Währungen und Token (hier zusammengefasst als Krypto Assets) werden auch die Begriffe Mining, Staking, Lending, Airdrops, Wallets, Masternodes, Forks und ICOs eingeführt und erläutert. Dieser Ansatz, begriffliche Klarheit zu schaffen ist sehr begrüßenswert und wird die Diskussionen zwischen Steuerberatern und Veranlagungsplätzen über kurze Zeit hoffentlich erleichtern. Zugleich werden Sonderfälle und neue Innovationen auch künftig Anlass für Erläuterungsbedarf bzgl. der technischen Vorgänge bieten. Das BMF wird die Entwicklung kontinuierlich begleiten und ggf. mit Aktualisierungen reagieren müssen.
Krypto Assets stets Wirtschaftsgut
Nach Ansicht des BMF stellt jede Einheit eines Krypto Assets ein Wirtschafsgut dar, das regelmäßig dem Inhaber des „Private Key“ zuzurechnen ist. Ob diese – in der Literatur mit teilweise beachtlichen Argumenten bestrittene – Auffassung Bestand haben wird, wird der BFH in einem aktuell anhängigen Revisionsverfahren (Az. IX R 3/22) entscheiden.
Folgt man der Ansicht des BMF, ist jede Veräußerung bzw. jeder Tausch – nicht nur in Fiat-Währung, sondern auch in eine andere Kryptowährung – stets ein steuerlich realisierender Vorgang. Das BMF hält damit an der Besteuerung des Tausches von Krypto Asset zu Krypto Asset fest. Damit geht Deutschland einen Weg, der in anderen EU-Ländern wie z.B. Österreich oder Frankreich nicht geteilt wird; dort wird erst bei Rücktausch in eine Fiat-Währung besteuert. Die angestrebte präzisere Besteuerung und theoretisch größere Steuergerechtigkeit stellt jedoch ein praktisches Erhebungsproblem für die Finanzämter dar, die über den Handel von Krypto-zu-Krypto in vielen Fällen keine Erkenntnisse erlangen werden.
Abgrenzung von betrieblichem zu privatem Krypto-Vermögen bleibt unpräzise
Das BMF-Schreiben konnte die Hoffnungen bzgl. einer möglichst greifbaren Abgrenzung zwischen gewerblichem Handel mit Krypto Assets und privater Vermögensverwaltung nicht vollständig erfüllen. Es verweist im Kern auf die Abgrenzung für gewerbliche Wertpapierhändler. Danach ist der An- und Verkauf von Krypto Assets für sich allein, auch wenn er einen erheblichen Umfang annimmt und sich über einen längeren Zeitraum erstreckt, noch nicht ausreichend für die Annahme von Gewerblichkeit, „solange er sich in den gewöhnlichen Formen, wie sie bei Privatleuten die Regel bilden, abspielt.“ Diese aus dem Wertpapierhandel entnommene Abgrenzung hilft beim Krypto-Handel, dem naturgemäß eine andere Geschwindigkeit anhaftet und für den eine Üblichkeit unter Privatleuten noch gar nicht besteht, in den kritischen Abgrenzungsfällen nicht weiter. Das gilt entsprechend bei Beimischung von Krypto Assets in Fonds-Strukturen.
Ordnet man Veräußerungsgewinne dem Privatvermögen zu, ist der Veräußerungsgewinn aus Krypto Assets nach einem Jahr Haltedauer steuerfrei. Eine zunächst im Juni 2021 vom BMF zirkulierte Auffassung, dass es bei bestimmten in der Branche typischen Handlungen (dem sog. Staking bzw. sog. Lending) zu einer Verlängerung der Haltefrist auf zehn Jahre kommen könnte (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 EStG), wurde nun ausdrücklich aufgegeben.
Ermittlung der Haltedauer und des Veräußerungsgewinns
Überraschend für die Branche: Während das BMF im ursprünglichen Entwurf für die Ermittlung des Veräußerungsgewinns die First-in-First-out Methode (FiFo) zur Bestimmung der Verbrauchsreihenfolge vorsah, dürfen Steuerpflichtige nun nach eigener Wahl alternativ auch die Durchschnittsmethode anwenden.
Im Übrigen enthält das BMF-Schreiben weitere Hinweise zur Ermittlung der Haltedauer sowie des Veräußerungsgewinns in Einzelfällen. Insbesondere muss der Steuerpflichtige nicht mehr, wie ursprünglich vom BMF gefordert, den „Durchschnittswert von drei Exchanges“ ermitteln, sondern es genügt die Angabe des Kurses auf einer Handelsplattform. Das vereinfacht den Dokumentationsaufwand. Das BMF statuiert weitere Präzisierungen zu besonderen Anschaffungsvorgängen (etwa durch sog. Hard Forks, oder sog. Airdrops). Die Auffassung des BMF ist für die Veranlagung zu beachten. Zugleich bietet es sich hier an die Steuerbescheide offen zu halten, da eine finanzgerichtliche Überprüfung dieser im Schrifttum oft anders beurteilten Sonderfälle sicherlich zu erwarten ist.
Krypto Assets als Arbeitslohn
Schließlich äußert sich das BMF zur Besteuerung von Krypto-Einheiten, die als Bestandteil der Vergütung an Arbeitnehmer gezahlt werden bzw. verbilligt erworben werden können. Hier kommt grundsätzlich eine Besteuerung als geldwerter Vorteil in Betracht. Das BMF stellt klar, dass nach seiner Auffassung die Einbuchung in die Wallet des Arbeitnehmers der maßgebliche Zufluss- und Bewertungszeitpunkt ist, es sei denn die versprochenen Krypto Assets können schon vor Einbuchung in die Wallet gehandelt oder abgetreten werden. Eine ursprünglich vom BMF geforderte Listung der ausgezahlten Einheiten an Krypto Exchanges wurde nunmehr aufgegeben.
Mining und Staking
Schließlich werden auch die für Krypto Assets so prägenden Vorgänge der Blockerstellung näher behandelt.
Bei der Erzielung von Einkünften aus der Blockerstellung im sog. Proof-of-Work Verfahren (oft als „Mining“ bezeichnet) geht das BMF grundsätzlich von einer gewerblichen Tätigkeit der hier tätigen Steuerpflichtigen aus. Dabei gelten neu erstellte Einheiten nach Ansicht des BMF als „angeschafft“ und sind entsprechend zu bilanzieren. Die Einordnung als „Anschaffung“ wird von den Finanzgerichten zu prüfen sein, da es bei der Erstellung neuer Einheiten an einem derivativen Erwerb von einem Dritten fehlt, der eine Anschaffung charakterisiert.
Bei der Blockerstellung im sog. Proof-of-Stake Verfahren vertritt das BMF folgende Abgrenzung: Sog. Validatoren (in der Diktion des BMF: „Forging“) seien aktiv am Markt tätig und erzielen daher grundsätzlich Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Anders soll es für die sog. Delegatoren sein (in der Diktion des BMF: „Staking“), die Einkünfte aus sonstigen Leistungen erzielen. Der praktische Unterschied zwischen diesen Tätigkeiten kann im Einzelfall gering sein; unter Umständen sind beide Tätigkeiten mit wenigen Minuten Aufwand im Jahr initiiert. Der steuerliche Unterschied ist jedoch signifikant, da im erstgenannten Fall die eingesetzten sowie die erzielten Krypto Assets gewerblich verstrickt werden.
Einordnung
Insbesondere für private (passive) Investoren ist das Schreiben sehr erfreulich. Die Steuerfreiheit für ein Investitionsobjekt nach einem Jahr Haltedauer dürfte Krypto Assets im Vergleich zu traditionellen Anlagegütern steuerlich sehr attraktiv machen. Zugleich wird das BMF-Schreiben nicht als Motor für Innovationen der Branche angesehen werden können. Neuere Entwicklungen wie beispielsweise die zuletzt viel beleuchteten Non-Fungible-Token (NFTs) wurden nicht behandelt (siehe dazu Hötzel, HB-Steuerboard vom 20.05.2021).