Mit Urteil vom 13.10.2021 (I R 18/18, DB 2022 S. 1234) hat der BFH entschieden, dass die zeitlich unbegrenzte Überlassung von Know-how durch einen ausländischen Vergütungsgläubiger zu beschränkt steuerpflichtigen Einkünften i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG führen kann. Dabei setzt das Tatbestandsmerkmal der tatsächlichen Nutzung des Know-how im Inland nicht voraus, dass das Know-how den vereinbarten Umfang und/oder die vereinbarte Qualität hatte, um die im Inland verfolgten Zwecke zu erfüllen.
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Gegenstand des BFH-Urteils war der Transfer des Know-how zur Herstellung eines Wirkstoffes mittels eines Technologietransfervertrages. Die Klägerin im Inland zahlte an eine ungarische Kapitalgesellschaft für das exklusive Recht zur Herstellung des Wirkstoffes. Die Vergütung für die Übertragung des exklusiven Rechts zur Nutzung der Technologie erfolgte als Pauschale in verschiedenen Teilzahlungen. Strittig war, ob Abzugsteuer nach § 50a EStG auf die Zahlungen einzubehalten war.
1. Tatbestandsmerkmal „zeitlich unbegrenzte Überlassung“ erfüllt
Der BFH führte in den Gründen aus, dass eine zeitlich unbegrenzte Überlassung von Know-how unter die Überlassung der Nutzung oder des Rechts auf Nutzung von gewerblichen, technischen, wissenschaftlichen und ähnlichen Erfahrungen, Kenntnissen und Fertigkeiten nach § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG fällt. Der BFH grenzte die vorstehend genannte Norm von § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG ab, die aufgrund des Verweises auf § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG nur die zeitlich begrenzte Überlassung von Rechten erfasst. Im Gegensatz zu § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG erfordert der Tatbestand von § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG, dass ein Recht überlassen wird. Eine zeitlich unbegrenzte Überlassung liegt dann nicht vor, wenn das Know-how veräußert wurde (zur Abgrenzung vgl. Manthey/Zettl, IStR 2021 S. 449). Das ist von entscheidender Bedeutung, denn für eine Veräußerung besteht keine Pflicht zum Steuerabzug. Im entschiedenen Sachverhalt stellte das FG fest, dass sich der Vertragspartner der Klägerin nicht endgültig und in seiner Substanz von seinem Know-how entledigt hatte.
2. Nexus stellt auf beabsichtigte Verwendung im Inland ab
Das Tatbestandsmerkmal der Nutzung im Inland („im Inland genutzt werden oder worden sind“ – Wortlaut des § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG) sah der BFH als erfüllt an. Es kommt auf die bestimmungsgemäße Verwendung an, d.h. das Know-how muss durch den Vergütungsschuldner im Inland verwendet oder eingesetzt werden. Es kommt laut dem BFH nicht darauf an, dass die Verwendung des Know-how auch zu dem vom Vergütungsschuldner beabsichtigten Erfolg führt.
Der BFH argumentiert, dass es für die Nutzung im Inland nach § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG ausreicht, wenn das Know-how im Inland genutzt werden soll. Die Klägerin konnte nicht mit Erfolg geltend machen, dass es nicht zu einer tatsächlichen Nutzung gekommen sei, weil das Know-how – wenn überhaupt – nicht im vertraglichen Umfang existierte bzw. nicht dem vereinbarten Umfang oder Qualität entsprach. Grundsätzlich genügt es laut dem BFH für eine tatsächliche Nutzung im Inland, wenn es zu einem Leistungsaustausch kommt. Laut dem BFH ist es unerheblich, ob der Tatbestand des § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG zum Zeitpunkt der streitigen Zahlung vollständig erfüllt war.
Bedeutung für die Praxis
Die Anknüpfung an die beabsichtigte tatsächliche Nutzung im Inland ist für die Praxis von entscheidender Bedeutung. Der BFH führt in Rz. 28 des Urteils aus, dass es für die von § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG vorausgesetzte Nutzung im Inland grundsätzlich ausreicht, wenn das überlassene Know-how in einer inländischen Betriebsstätte genutzt werden soll. Durch das Abstellen auf die beabsichtigte Nutzung weitete der BFH das Tatbestandsmerkmal „genutzt werden“ zu „genutzt werden können“ aus (vgl. Holthaus, Ubg 2022 S. 322, 328).
Die Steuer entsteht gem. § 50a Abs. 5 EStG grundsätzlich mit dem Zufluss der Vergütung. Dies kann – wie es der BFH ausführt – dazu führen, dass die Verpflichtung zum Steuerabzug bereits vor der tatsächlichen Nutzung des Know-how im Inland entsteht.
Das Abstellen auf die beabsichtigte Nutzung ist eine Erweiterung des Tatbestands des § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG. Nach m.E. sollte sich jedoch an dem Grundsatz, dass der Inlandsbezug eine tatsächliche Nutzung voraussetzt (vgl. Loschelder, in: Schmidt, § 49 EStG, Rz. 125; Bärsch et. al., in: H/H/R, § 49 EStG, Rz. 53, 1101), nichts geändert haben. Das Urteil sagt, dass sich Vergütung und Nutzung nicht zeitlich decken müssen, was aber nicht bedeuten soll, dass eine Vorauszahlung ohne jede spätere Nutzung den Inlandsbezug erfüllt (vgl. Drüen, DStR 2022 S. 822, 827). Dennoch ergibt sich zunächst die Pflicht zum Einbehalt der Steuer in Fällen, in denen zuerst Zahlungen fließen, anschließend jedoch entgegen der Planung keine Verwertung im Inland stattfindet.
In manchen Fällen wird es sich nur um ein Liquiditätsproblem handeln, da aufgrund von Doppelbesteuerungsabkommen das Besteuerungsrecht im anderen Staat liegt und daher eine Erstattung der Abzugsteuer beantragt werden kann.
Eine Änderung des Steuerabzugs sollte im Rahmen der Korrekturvorschriften der Abgabenordnung infrage kommen. Zum einen kommt eine Korrektur nach § 164 AO infrage, da eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichkommt (§§ 164 Abs. 1, 168 Satz 1 AO). Zum anderen sollte ein rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO vorliegen, wenn die ursprünglich (unterstellte) beabsichtigte Verwendung doch nicht eintritt und somit eine Änderung des Sachverhalts vorliegt. Möglicherweise kann bewirkt werden, dass die Bescheide vorläufig ergehen (§ 165 AO).
Auch wird es nun äußert schwierig Abgrenzungen zu treffen, wenn Know-how sowohl im Inland als auch im Ausland verwertet wird oder an weitere Gesellschaften im Konzern weiterüberlassen wird, da im hier diskutierten Urteil bereits die Absicht der Verwertung im Inland die Steuerpflicht begründet. Letztlich ließ der BFH offen, ob es sich bei Know-how um ein Recht i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG handeln kann.