Losgelöst von der aktuell diskutierten Rechtsfrage, ob in einer mehrstöckigen Beteiligungsstruktur ein Grundstück nur einer Gesellschaft oder mehreren Gesellschaften zuzurechnen ist und ob folglich einmal oder mehrfach GrESt ausgelöst wird, behandelt ein gerade veröffentlichtes BFH-Urteil (II R 24/20) eine weitere für die Praxis äußerst relevante Fallkonstellation, bei der das Risiko einer zweifachen Besteuerung mit GrESt besteht. Auf Grundlage der gefestigten BFH-Rspr. ist seit langem anerkannt, dass ein Grundstück grunderwerbsteuerlich bereits in dem Zeitpunkt einer Gesellschaft gehört, wenn der Grundstückskaufvertrag wirksam unterzeichnet ist; die dingliche Umsetzung, d.h. die Eintragung im Grundbuch, ist dagegen unbeachtlich. Allein die Nichtbeachtung dieser Grundsätze beim Timing von konzerninternen Umstrukturierungen birgt das Risiko zweifacher GrESt.
Sachverhalt
Gesellschafter einer A-GmbH waren B, C und D zu gleichen Teilen. Die Gesellschafter hatten zunächst am 30.05.2013 einen (formlosen) Beschluss über eine Kapitalerhöhung bei der A-GmbH durch Einbringung ihrer Anteile an einer weiteren GmbH, die T-GmbH, getroffen und die Geschäftsführung angewiesen, die notarielle Umsetzung vorzubereiten. Von den vier Anteilen der T-GmbH hielt die A-GmbH und C jeweils einen Geschäftsanteil. Unstreitig hielt C einen weiteren Anteil treuhänderisch für B. Hinsichtlich des D war zwischen den Beteiligten umstritten, ob C den Anteil ebenfalls treuhänderisch für D hielt.
Vor der notariellen Beurkundung des Kapitalerhöhungsbeschlusses und der Anteilseinbringungen hatte die T-GmbH jedoch am 03.07.2013 ein Grundstück zivilrechtlich wirksam erworben.
Am 28.08.2013 – also nach dem steuerpflichtigen Grundstückserwerb – wurden folgende notariell beurkundete Vereinbarungen zwischen den Gesellschaftern getroffen:
- Aufhebung der Treuhandvereinbarung zwischen B und C bezogen auf den Geschäftsanteil an der T-GmbH und Abtretung des Geschäftsanteils an B
- Beschluss über eine Kapitalerhöhung bei der A-GmbH, die durch die Einbringungen der Anteile an der T-GmbH durch B, C und D zu erfüllen waren.
Nach Umsetzung des Beschlusses vom 28.08.2013 hielt die A-GmbH folglich sämtliche Anteile an der T-GmbH. Das Finanzamt setzte daraufhin einen Feststellungsbescheid von Besteuerungsgrundlagen für die GrESt gem. § 17 GrEStG gegenüber der A-GmbH fest; es war der Ansicht, dass das Grundstück, welches durch Kaufvertrag vom 03.07.2013 durch die T-GmbH erworben worden war, im Zeitpunkt der Einbringung der Anteile bereits der T-GmbH für grunderwerbsteuerliche Zwecke gehörte; folglich sei durch die Einbringung eine grundbesitzende Gesellschaft bewegt worden. Damit hätten sich 100% der Anteile an der grundbesitzenden T-GmbH in der Hand der A-GmbH erstmals vereinigt, wodurch ein (zweiter) grunderwerbsteuerpflichtiger Vorgang ausgelöst worden sei (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG).
Urteil des Sächsischen FG
Die Vorinstanz hat zunächst die Ansicht des Finanzamts bestätigt, dass durch die Einbringungen der Anteile an der T-GmbH ein zweites Mal GrESt ausgelöst worden sei.
- Maßgeblich sei der notariell beurkundete Gesellschafterbeschluss am 28.08.2013 über die Kapitalerhöhung und Sacheinlage. Zu diesem Zeitpunkt gehörte das Grundstück für grunderwerbsteuerliche Zwecke bereits der T-GmbH, da diese das Grundstück zivilrechtlich wirksam am 03.07.2013 erworben hatte. Auf den (formlosen) Gesellschafterbeschluss vom 30.05.2013 (also vor dem Grundstückserwerb durch die T-GmbH) könne dagegen nicht abgestellt werden, da eine solche Vereinbarung für ihre Wirksamkeit der notariellen Form bedarf (§ 15 Abs. 3, Abs. 4 GmbHG). Eine spätere notarielle Beurkundung könne diesen Formfehler auch nicht rückwirkend heilen, da die Beurkundung nur ex nunc wirke.
- Nach Auffassung des Sächsischen FG scheide jedoch die Erhebung der zweiten GrESt durch Anrechnung der GrESt, die durch den vorangegangenen Grundstückserwerb ausgelöst wurde, aus (§ 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG). Insbesondere das Erfordernis der „Erwerberidentität“ für eine Anrechnung sei erfüllt. Zwar sei zivilrechtlich Erwerber des Grundstücks die T-GmbH und für die Anteile an der T-GmbH die A-GmbH. Auf diese zivilrechtliche Betrachtungsweise komme es jedoch nicht an. Entscheidend sei vielmehr eine wirtschaftliche Betrachtungsweise. Denn B, C und D hielten sämtliche Anteile an der A-GmbH und unter Berücksichtigung der Beteiligung der A-GmbH an der T-GmbH auch durchgerechnet sämtliche Anteile an der T-GmbH.
- Darüber hinaus sei auch die grunderwerbsteuerliche Konzernklausel (§ 6a GrEStG) anwendbar, da B, C und D über ihre bloße Gesellschafterstellung aufgrund der Treuhandvereinbarung gesellschaftsrechtlich verbunden seien und somit eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) begründet hätten, so dass diese GbR als herrschendes Unternehmen i.S.d. Konzernklausel anzusehen sei.
Ansicht des BFH
Der Sichtweise des Sächsischen FG ist der BFH nicht gefolgt, sondern hat bestätigt, dass bei dem vorliegenden Sachverhalt durch die Einbringungen ein zweites Mal GrESt ausgelöst wird, ohne dass die Doppelbelastung ausgeschlossen bzw. beschränkt werden kann:
- Eine Anrechnung nach § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG sei bereits aus formalen Gründen ausgeschlossen. Denn eine Anrechnung sei insbesondere keine Steuerbefreiung oder -vergünstigung. Nur eine solche Feststellung sei Bestandsteil des angegriffenen Bescheids über die Besteuerungsgrundlagen nach § 17 GrEStG. Die Frage einer Anrechnung sei vielmehr durch das Finanzamt zu klären, welches die GrESt in einem separaten Verfahren festsetzt (Festsetzungsfinanzamt). Nur dieses habe Kenntnis über die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Steuer des vorausgegangenen Erwerbsvorgangs (hier: Grundstückserwerb).
- Auch die Anwendung der Konzernklausel wurde abgelehnt. Letztlich hat der BFH es dahinstehen lassen, ob B, C und D aufgrund der Treuhandvereinbarung eine GbR und somit ein herrschendes Unternehmen für Zwecke der Konzernklausel begründet haben. Denn selbst wenn man eine solche GbR unterstellen würde, sei diese nicht Beteiligte i.S.d. Konzernklausel, da die Anteile an der T-GmbH durch die Gesellschafter selbst übertragen worden sind; zudem hätte eine solche GbR nicht die A-GmbH beherrscht (Mindestbeteiligungsquote von 95%), da sich die Treuhandvereinbarung unstreitig nur auf die Anteile an der T-GmbH bezogen.
Auswirkungen für die Praxis
Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass die Planung der richtigen zeitlichen Taktung von Restrukturierungen das A und O ist, um den Anfall mehrfacher GrESt zu vermeiden. Es mag wirtschaftliche Gründe in dem vorliegenden Sachverhalt gegeben haben, die zeitliche Abfolge der einzelnen Schritte so zu wählen, wie geschehen. Hiervon unabhängig hätte aber die zweite GrESt z.B. vermieden werden können, wenn die schuldrechtliche Wirksamkeit des Grundstückskaufvertrags unter eine aufschiebende Bedingung gestellt worden wäre, so dass die schuldrechtliche Wirksamkeit des Grundstückskaufvertrags erst nach dem Abschluss des Anteilsübertragungsvertrags eintreten konnte. Unter Vorsichtsgesichtspunkten sollte dabei die aufschiebende Bedingung regelmäßig an den wirksamen dinglichen Vollzug des Anteilsübertragungsvertrags geknüpft werden. So ist z.B. bei der Übertragung von Anteilen im Rahmen einer Umwandlung der Tatbestand der Anteilsvereinigung erst mit der Eintragung im Handelsregister verwirklicht. Zusätzlich sind bei der richtigen Taktung die Änderungen durch die Steuerreform ab dem 01.07.2021 zu beachten. Bei einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft wird nunmehr vorrangig die neue Spezialvorschrift des § 1 Abs. 2b GrEStG einschlägig sein. Bei dieser Regelung kommt es – wie bei der Spezialvorschrift für Personengesellschaften (§ 1 Abs. 2a GrEStG) – ebenfalls nicht auf die schuldrechtliche Wirksamkeit des Anteilskaufvertrags an, sondern auf den dinglichen Vollzug. Eine pauschale Aussage lässt sich also nicht treffen, sondern es ist immer eine Bewertung des Einzelfalls erforderlich. Dabei sind auch zivilrechtliche Aspekte, wie vorliegend das Formerfordernis einer notariellen Beurkundung, bei einer geplanten Anteilsübertragung einzubeziehen.
Einen „Rettungsanker“ für derart missglückte Gestaltungen im Nachgang zu finden, ist – wie der vorliegende Sachverhalt zeigt – äußerst schwierig. So ist die Verneinung der Anwendung der Konzernklausel durch den BFH wenig überraschend, weil – verkürzt gesagt – kein Beteiligter – auch nicht eine mögliche GbR – als herrschendes Unternehmen bestimmt werden konnte. Auch die formale Ablehnung der Anrechnung der GrESt (§ 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG), die durch den vorausgegangenen Grundstückserwerb ausgelöst wurde, spiegelt die herrschende Auffassung wider. Insofern musste sich der BFH nicht mehr mit der Auslegung der Vorschrift durch das Sächsische FG unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten auseinandersetzen. Eine solche wirtschaftliche Betrachtungsweise hat der BFH zwar in den letzten Jahren im Zusammenhang mit der Auslegung der Fiktionstatbestände (§§ 1 Abs. 2a – Abs. 3a GrEStG) häufiger angewendet (BFH vom 09.07.2014 – II R 49/12), dennoch muss bezweifelt werden, dass die Rechtsprechung diese Auslegung auch auf die Anrechnungsvorschrift überträgt. Zumindest die bisherigen Entscheidungen des BFH lassen eine solche Auslegung nicht erkennen. Damit bleibt der Anwendungsbereich der Anrechnungsvorschrift weiterhin wohl eher begrenzt, da neben der Erwerberidentität u.a. erforderlich ist, dass die Erwerbsvorgänge, die hintereinander umgesetzt werden, auch unterschiedliche grunderwerbsteuerliche Tatbestände verwirklichen. So würde z.B. die mehrfache Übertragung von Anteilen an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft nicht von der Regelung erfasst, da stets der gleiche Tatbestand verwirklicht wird; hinzukommt, dass in einer solchen Fallkonstellation nach der neuen Rechtslage vorrangig § 1 Abs. 2b GrEStG verwirklicht wird, der bereits vom Wortlaut der Anrechnungsregelung nicht erfasst wird.
Gesetzgeberische Maßnahmen zur Ausweitung der Anrechnungsregelung zugunsten des Steuerpflichtigen sind derzeit nicht bekannt. Umso wichtiger ist es im Vorfeld von Umstrukturierungen die einzelnen Schritte grunderwerbsteuerlich sorgfältig und optimal festzulegen.