Gemeinsam Steuern?

Markus Hammer, Steuerberater in Bad Homburg und Prof. Dr. Andreas Suchanek, HHL Leipzig Graduate School of Management.

Möchten Sie über Ihre Steuern sprechen? „Warum nicht!“, möchte man spontan antworten. Man muss dem Staat ja nichts schenken. Dazu muss man die Vorschriften gut kennen und ein Verständnis dafür entwickeln, wie man sie anwenden kann. Doch kann das zu überraschenden Ergebnissen führen, wie ein Blick in die Vergangenheit zeigt.

 

 

 

Zinsabschlagsteuer: Der Beginn der Strukturierung von Finanzprodukten

Bis in die Mitte der 90er Jahre hatte der Fiskus erhebliche Schwierigkeiten Kapitalerträge aus Auslandsdepots zu ermitteln. Das damals gebräuchliche geflügelte Wort „Volkssport Steuersparen“ wirkt heute wie aus der Zeit gefallen. Der Gesetzgeber reagierte mit einer Regeländerung, infolgedessen Zinserträge mit einer 30%igen Zinsabschlagsteuer belastet wurden. Daneben wurde das Bankgeheimnis immer weiter abgeschwächt und der grenzüberschreitende Datenaustausch zwischen den Finanzbehörden erweitert. Sowohl in der Gesellschaft, beim Gesetzgeber als auch in der Finanzindustrie hätte das zu einer Bewusstseinsänderung führen können. Denn es ging um den an sich vernünftigen Gedanken einer gerechteren Steuerbelastung. Weil sich das Verständnis aber gerade nicht verändert hat, wurde mit der Zinsabschlagsteuer die vielleicht kreativste Zeit der steuerrechtlich legalen Strukturierung von Finanzprodukten eingeläutet.

Wie die Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen die Fantasie beflügelt

Zinserträge wurden zwar seit 1994 regelmäßig mit der Zinsabschlagsteuer belastet, jedoch blieben Veräußerungsgewinne aus Wertpapieren in aller Regel steuerfrei. Für viele Beteiligte (Kapitalanleger/Finanzinstitute) war die Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen förmlich eine Aufforderung dazu, sicherzustellen, dass die Erträge aus Kapitalanlagen eben nicht mehr als steuerpflichtige Zinsen, sondern als steuerfreie Veräußerungsgewinne definiert werden konnten. Mit sogenannten Finanzinnovationen bedienten die Finanzinstitute die Nachfrage der Kapitalanleger nach steuerfreien Veräußerungsgewinnen, während das Risikoprofil weiterhin einem zinstragenden Instrument glich. „Das Spiel“ lief immer wieder nach demselben Muster ab. Ein strukturiertes Finanzprodukt wurde erfunden, vertrieben und die Gewinne daraus als steuerfreie Veräußerungsgewinne deklariert. Die Finanzbehörden behaupteten hingegen die Steuerpflicht dieser Gewinne als Zinserträge und riefen die Gerichte an. Die Rechtsprechung bestätigte daraufhin regelmäßig die Steuerfreiheit der Erträge als Veräußerungsgewinne, weil der Zinsbegriff nicht weit genug definiert war. Daraufhin wurde das Gesetz geändert (also der Zinsbegriff erweitert) und ab diesem Zeitpunkt war dieses Finanzprodukt unverkäuflich. Dann wurde ein neues Finanzprodukt erfunden und der Kreislauf begann erneut. Dabei bleibt zu betonen, dass es sich um Anleger handelte, die sich an Recht und Gesetz hielten, dabei aber die Gestaltungsmöglichkeiten zu ihrem Vorteil nutzten, weil dies dem Verständnis der damaligen Zeit entsprach.

Entwicklung zu einer Lose-Lose-Situation

Das Problem ist, dass diese Entwicklung zu einer Lose-Lose-Situation führen kann: Die Vorschriften werden immer komplexer, die Transaktionskosten steigen, der Graubereich wird größer und damit auch die rechtlichen und ethischen Risiken für die Steuerpflichtigen.

Gerade letzteres, die Reputationsrisiken für Unternehmen, die ihre Steuerzahlungen „optimieren“ wollen, sind in den letzten Jahren gestiegen. Es geht hier nicht nur um einen gelegentlichen Artikel in den Medien, der für Unmut in der Bevölkerung und für Stress in der Öffentlichkeitsabteilung des Unternehmens sorgen kann, sondern auch darum, dass mehr und mehr „high potentials“ von ihren Arbeitgebern erwarten, dass sie gesellschaftliche Werte ernst nehmen. Integrität, oder wie der frühere BDI-Vorsitzende Grillo formulierte: „Haltung“, steht hoch im Kurs. Integrität aber heißt in unserem Kontext, dass man bereit ist, seinen Beitrag zu einem vernünftigen Steuersystem zu leisten. Hierbei gilt: Je mehr integre Teilnehmer, desto einfacher und „kostengünstiger“ können die Regeln sein.

Doch das gilt in beide Richtungen: Wer auf die Suche und Ausnutzung von Schlupflöchern verzichtet, die an der Grenze zur Illegalität sind, darf daraus keine systematischen Nachteile haben. Und das ist eine Frage der Gesetzgebung. Wenn diese so gestrickt ist, dass sie jede Menge legaler Schlupflöcher lässt und dadurch jene belohnt, die besonders aktiv sind in der (legalen) Steuergestaltung, dann darf man sich nicht wundern, wenn diese Gestaltungsmöglichkeiten genutzt werden und die Ehrlichen, die sprichwörtlich Dummen, die Benachteiligten sind.

Doch nochmals: Kein Regelsystem der Welt kann jeglichen Missbrauch vermeiden. Ein Regelsystem kann insbesondere nicht den Einfallsreichtum von Menschen vorhersehen oder gar eindämmen. Deshalb kommt es stets nicht nur auf die Regeln, sondern immer auch auf das Verständnis an.

Um mit einem Zitat aus Machiavellis „Discorsi“ zu schließen: „Wie zur Erhaltung guter Sitten Gesetze nötig sind, so sind auch zur Beachtung der Gesetze gute Sitten erforderlich.“

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