Der BFH hat jüngst entschieden, dass nach einem Verkauf von Anteilen einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft die anteiligen Gesellschaftsschulden die für die AfA maßgeblichen Anschaffungskosten des Erwerbers erhöhen (BFH vom 03.05.2022 – IX R 22/19 (DB 2022 S. 2383) und hat damit der Vorinstanz (FG Köln vom 10.10.2018; s. hierzu bereits Escher, Steuerboard vom 20.07.2020) widersprochen. Dies eröffnet ggf. die Option, zusätzliches AfA-Volumen ohne persönliche Aufwendungen des Erwerbers zu generieren, was sich in vielen Fällen günstig auswirkend wird. Gleichwohl lässt die Entscheidung einige wesentliche Fragen offen, insbesondere, ob dies unabhängig von der Rechtsform der Gesellschaft gelten kann bzw. ob dies auch bei einer reinen Anteilsschenkung gelten würde. Auch die Perspektive des Übertragenden (Verwirklichung eines Einkommensteuer-Tatbestandes?) wird (schon mangels Entscheidungserheblichkeit) nicht in den Blick genommen.
Problemaufriss
Werden Anteile an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft übertragen, stellt sich die Frage, ob Gesellschaftsschulden im Umfang des anteiligen (mittelbaren) Übergangs auf den Anteilserwerber aufgrund der Bruchteilsbetrachtung (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO) als (Teil)Entgelt für die Anteilsübertragung anzusehen sind. Dies betrifft einerseits die Frage, von welcher Anschaffungskostenbasis der Anteilserwerber künftig AfA geltend machen kann. Anderseits ist die Frage aufgeworfen, ob der Übertragende – selbst im Fall einer reinen Anteilsschenkung – ggf. ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft realisiert, insbesondere im Fall der Schenkung von Anteilen an einer Immobiliengesellschaft (§ 23 EStG).
Urteilssachverhalt
Im Streitfall verkaufte der Gesellschafter einer immobilienbesitzenden GbR seinen Gesellschaftsanteil (50 %) an Familienangehörige zum Kaufpreis von insgesamt 1.611.000 €; es fielen Erwerbsnebenkosten von 3.936,34 € an. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass ausschließlich die Summe dieser von den Erwerbern getragenen Aufwendungen zu den Anschaffungskosten zähle, welche (soweit den Gebäuden zuzuordnen) die AfA-Bemessungsgrundlage der Erwerber bestimme. Die Erwerber machten hingegen geltend, dass daneben auch der Bestand der anteilig auf sie übergehenden Gesellschaftsschulden, abzüglich des Betrags der anteilig auf sie übergehenden Bankguthaben der Gesellschaft, zu ihren Anschaffungskosten gehöre.
Entscheidung des BFH
Der IX. Senat des BFH hat sich der von den Erwerbern vertretenen Sichtweise, jedenfalls für den Entscheidungsfall, angeschlossen. Danach erhöhen die Verbindlichkeiten einer vermögensverwaltenden GbR bei einem entgeltlichen Anteilserwerb anteilig die Anschaffungskosten des Erwerbers, soweit sie den mittelbar erworbenen abnutzbaren Wirtschaftsgütern unmittelbar einzeln zugeordnet werden können. Denn Anschaffungskosten können – so der IX. Senat – allgemein auch dann vorliegen, soweit der Erwerber Verbindlichkeiten des Veräußerers übernehme, insbesondere bei Freistellung von privaten Schulden. Ob dies auch für die Übernahme von Gesellschaftsschulden oder den Eintritt in die persönliche Haftung für bestehende Gesellschaftsschulden gelte, sei allerdings nicht abschließend geklärt. Nach Ansicht des IX. Senats kommt es darauf an, ob die „übernommene“ Verbindlichkeit Teil der geschuldeten Gegenleistung sei. Wann dies der Fall sei, habe im Streitfall aber keiner Entscheidung bedurft. Denn im Streitfall habe (unstreitig) kein Zweifel an der Entgeltlichkeit der Anteilserwerbe bestanden. Einerseits sei im Zuge der Übertragung der GbR-Anteile die persönliche Haftung der Erwerber für die Gesellschaftsschulden eingetreten. Andererseits sei ein Teil des Entgelts als Barzahlung geleistet worden.
Kritische Würdigung
Die Entscheidung des IX. Senats erscheint unter Berücksichtigung einer strengen Bruchteilsbetrachtung (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO) zunächst insoweit konsequent, als sie den Erwerber von Anteilen einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft, die Grundstücke und Schulden hat, dem unmittelbaren Grundstückserwerber, der zugleich persönliche Schulden des Übertragenden übernimmt, gleichgestellt. Dies eröffnet den Steuerpflichtigen in bestimmten Konstellationen zusätzlichen Spielraum zur Generierung von AfA-Potenzial, insbesondere (wie im Entscheidungsfall) beim Kauf von Anteilen einer grundbesitzenden GbR mit Gesellschaftsschulden. Ist für den Verkäufer die 10-Jahres-Frist des § 23 EStG abgelaufen, realisiert dieser auch kein steuerbares Veräußerungsgeschäft.
Verschiedene, in der Praxis äußerst relevante Fragen bleiben jedoch unbeantwortet, insbesondere, da der IX. Senat die Frage, ob und unter welchen Umständen ggf. auch allein die Existenz von Gesellschaftsschulden zur Annahme eines entgeltlichen Geschäfts führen würde, nicht zu entscheiden hatte und der Senat hierzu offensichtlich auch keine ergänzenden Hinweise geben wollte. Wann genau kommt es zu der auch im Urteil angesprochenen „Zäsur“ durch einen derivativen (entgeltlichen) Anteilserwerb, welche dafür sorgt, dass keine unentgeltliche Anteilsübertragung vorliegt, bei welcher dem Erwerber die Anschaffung durch den Rechtsvorgänger zugerechnet wird (vgl. auch § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG) und er dessen AfA fortsetzt (§ 11d EStG)? Im Entscheidungsfall lag eindeutig ein Kaufvertrag vor, der auch eine Barzahlungskomponente enthielt. Wäre die Entscheidung anders ausgefallen, wenn die GbR-Anteile schenkweise übertragen worden wären? Oder hätte allein die Existenz von Gesellschaftsschulden in diesem Fall zur Annahme eines (teil)entgeltlichen Veräußerungsvorgangs geführt? Und wäre die Entscheidung jedenfalls dann anders ausgefallen, wenn es sich bei der Gesellschaft nicht um eine GbR, sondern um eine KG oder GmbH & Co. KG gehandelt hätte, bei welcher der Erwerber (jedenfalls bei Übergang eines Kommanditanteils, § 171 HGB) gerade nicht persönlich für die Gesellschaftsschulden haftet? Da die persönliche Haftung des Erwerbers für den erkennenden Senat entscheidungserheblich war, ist jedenfalls letzteres anzunehmen. Dies entspräche auch der bisherigen Rechtsprechung des IX. Senats, wonach eine Berücksichtigung von Gesellschaftsschulden als Veräußerungsentgelt jedenfalls im Fall der Übertragung von Kommanditanteilen ausscheidet; denn ein Veräußerungspreis könne nur dann vorliegen, wenn der Veräußerer für die Verbindlichkeit hafte und der Erwerber in diese Haftung eintrete (BFH vom 06.09.2016 – IX R 27/15, BStBl. II 2018 S. 335).
Dem Urteil vom 03.05.2022 kann demnach jedenfalls nicht entnommen werden, dass auch im Fall der Schenkung von Kommanditanteilen einer grundbesitzenden KG oder GmbH & Co. KG künftig stets davon ausgegangen werden müsste, dass allein die Existenz von Gesellschaftsschulden zu einem (teil)entgeltlichen Veräußerungsgeschäft des Schenkers führt. Dies dürfte mangels eines vom Erwerber aufgewandten Entgelts weiterhin zu verneinen sein (vgl. auch Trossen, in: BeckOK EStG, § 23 Rz. 293). Aber auch bei der Schenkung von GbR-Anteilen sprechen die besseren Gründe dafür, dass nicht allein aufgrund der Bruchteilsbetrachtung von einer tatbestandlichen Veräußerung i.S.d. § 23 EStG ausgegangen werden kann (vgl. auch Levedag, in: Schmidt, EStG, § 23 Rz. 40; Trossen, in: BeckOK EStG, § 23 Rz. 244.3). Denn eine Schenkung ist eben keine „Veräußerung“, wie sie der Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG erfordert (vgl. ausf. Escher/Weiten, DStR 2020 S. 2478 ff.). Ohne eine tatbestandliche (und ggf. steuerpflichtige) Veräußerung durch den Übertragenden sollte dann korrespondierend aber auch nicht von einer zu neuem AfA-Volumen führenden, entgeltlichen Anschaffung durch den Erwerber auszugehen sein.