Nachdem die Frist zur Abgabe der Grundsteuerklärungen bundesweit bis zum 31.01.2023 verlängert wurde, ist kurzfristig eine gewisse Entspannung eingetreten. Es bleibt aber notwendig, die geforderten Daten zeitnah zusammen zu stellen und dem Finanzamt bis zur genannten Frist zur Verfügung zu stellen. Lediglich Bayern hat auf die Tatsache reagiert, dass von der Grundsteuer befreite Grundstücke nicht unter diesem Zeitdruck abgearbeitet werden müssen, und dafür auf Abgabefristen verzichtet bzw. diese auf Ende April verlängert.
Digitale Erklärung und inhaltliche Hürden
Problematisch bleibt, dass die Anforderungen einer Steuererklärung im Digitalformat für Teile der Bevölkerung, wie z.B. Eigenheimbesitzer in eher gesetztem Alter, schier unlösbar sind, zumal kein kleiner Teil der Steuerberater eine Beratung hinsichtlich der Grundsteuer aus zeitlichen, personellen und/oder wirtschaftlichen Gründen ablehnt. Doch auch inhaltlich stellen die Formulare die Steuerpflichtigen vor große Herausforderungen. Die Probleme fangen bei den grundlegendsten Angaben an. So stellt sich für viele die Frage, wer die Erklärung abzugeben hat, z.B. wenn die Immobilie rund um den Stichtag (01.01.2022) veräußert wurde, was alles zur Wohnfläche zählt, welche Garage welcher Wohnung zugeordnet werden kann, wie der Bodenrichtwert für das Grundstück zu ermitteln ist, wie einzelne Flurstücke tatsächlich genutzt werden und welcher wirtschaftlichen Einheit sie zuzuordnen sind, wie bei großen Wohnungsunternehmen die wirtschaftlichen Einheiten neu zusammengefasst werden oder wie eine Erklärung erfolgen soll, wenn bei neuen Einheiten mangels Vergabe keine Aktenzeichen oder Steuernummern vorhanden sind. Zudem verlangt die Finanzverwaltung zwar die Abgabe der Steuererklärung in digitaler Form (über das Elster-Portal), wird aber die Bescheide (bis zu drei Stück pro wirtschaftlicher Einheit: Wertbescheid, Messbescheid, Steuerbescheid) analog in Papierform versenden. Auf diese Fragen und Probleme gibt es bisher kaum Antworten, nur sukzessiv ergeben sich Lösungen.
Praxistipp: Da die Frist zur Abgabe der Feststellungserklärungen nun wieder näher rückt, raten wir bei Unsicherheiten beim Ausfüllen der Online-Formulare, die sich nicht in angemessener Zeit beheben lassen, die Freitextfelder der Erklärungsformulare zu nutzen und dort dem jeweiligen Finanzamt die Unsicherheit mitzuteilen.
Höhe der Bemessungsgrundlagen kann variieren
Letztlich ist problematisch, dass die Gemeinden erst 2024 für die Besteuerung ab 2025 einen Hebesatz festlegen müssen, was neben der ohnehin schon bestehenden Unübersichtlichkeit der verschiedenen Grundsteuermodelle zu weiterer Unsicherheit hinsichtlich der Kosten für die Steuerpflichtigen führt. Der Gesetzgeber hat für die Umsetzung der Reform Aufkommensneutralität versprochen. Dafür ist eine breite Kenntnis über die Höhe der Bemessungsgrundlagen notwendig, was der Grund für die vorzeitige Festsetzung der Grundsteuerwerte ist. Allerdings wird diese Neutralität nur auf Ebene der jeweiligen hebeberechtigten Gemeinde umsetzbar sein. Dagegen werden sich praktisch bei jeder Immobilie im Einzelfall kleine bis erhebliche Abweichungen in der Steuerlast ergeben. Zu befürchten ist zudem, dass die hebeberechtigten Gemeinden aufgrund eigener wirtschaftlicher Interessen bzw. aufgrund der allgemeinen Teuerungsrate die Gelegenheit nutzen werden, um das Steueraufkommen zu erhöhen, sei es versteckt durch Anhebung der Hebesätze noch unter der Altregelung bis einschließlich 2024 oder offen im Rahmen der Festsetzung der Hebesätze nach der Neuregelung ab 2025.
Gegen Grundsteuerwertbescheid sollte Einspruch eingelegt werden
Mit dem Eintreffen der ersten Grundsteuerwertbescheide stellt sich die Frage, wie die Steuerpflichtigen damit umgehen sollten. Hier empfehlen wir, vorsorglich Einspruch einzulegen.
Das hat vielerlei Gründe: Einer ist, dass die Einspruchsfrist wie üblich nur einen Monat beträgt. Obwohl also zunächst keine Steuerzahllast eintritt, besteht akuter Handlungsbedarf, da die Stellschrauben der Bewertung bereits jetzt bestandskräftig werden, ohne Rücksicht darauf, ob sie richtig oder falsch sind. Bemerkt man die Fehler erst bei der Steuerfestsetzung für das Jahr 2025, kann es zu spät sein. Somit sollte ein Einspruch vorsorglich eingelegt werden, um sich den Rechtsweg offen zu halten. Hierbei sollte gegen den gesamten Feststellungsbescheid Einspruch eingelegt werden, denn nur dann bleiben alle Werte änderbar. Hilfsweise sollte durchgesetzt werden, dass die Bescheide hinsichtlich der offenen Punkte für vorläufig erklärt werden, damit Änderungen auch noch möglich sind, wenn höchstrichterliche Entscheidungen Klarheit bringen. In diesem Zusammenhang können etwaige Unsicherheiten, die beim Ausfüllen der Online-Formulare aufgetreten sind, oder auch einfache Fehler beseitigt werden.
Es bestehen aber auch verfassungsrechtliche Bedenken, die einen Einspruch rechtfertigen könnten. Die nach dem Ertragswertverfahren vorgesehenen pauschalierten Mieten und die im Sachwertverfahren pauschalierten Herstellungskosten sind nicht justitiabel, genauso wenig wie die anzusetzenden Bodenrichtwerte. Durch die Typisierung der Wertansätze werden die Grundsteuerwerte teilweise so stark vereinheitlicht, sodass Wertunterschiede nicht mehr realitätsgerecht abgebildet werden. Dies kann zu krassen Missverhältnissen im Einzelfall führen. Dies gilt erst recht für stark pauschalierte Bewertungsverfahren (Bodenwert- und Äquivalenzmodelle). Da es derzeit noch kein anhängiges höchstrichterliches Verfahren gibt, kann die Finanzverwaltung einen Einspruch nicht mit der Begründung ruhen lassen, dass ein entsprechendes Verfahren abgewartet wird. Der Einspruch ist deshalb zu begründen. Entsprechende Mustereinsprüche werden durch einzelne Berater, allgemeine Beratungsstellen und Verbände zur Verfügung gestellt.
Das Ausfüllen der Freitextfelder – die zu einer manuellen Bearbeitung der Steuererklärung durch einen Sachbearbeiter führt und eine automatisierte Bearbeitung ausschließt – und die Flut an Einsprüchen werden zu einer weiteren (Über-)Belastung der Finanzverwaltung führen.
Mittelfristig bleibt abzuwarten, wann die ersten Klagen gegen die Feststellungsbescheide und damit gegen das reformierte Gesetz eingereicht werden und ob die Finanzverwaltung mit breiten, automatischen Vorläufigkeitsvermerken reagiert, die jedenfalls die Einspruchsverfahren hinsichtlich der allgemeinen Bedenken gegen die Reform überflüssig machen könnten.