Kürzlich wurden die gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 13.10.2022 zur erbschaftsteuerlichen Behandlung von (jungem) Verwaltungsvermögen und (jungen) Finanzmitteln bei Umwandlungsvorgängen veröffentlicht (BStBl I 2022 S. 1517). Vor dem Hintergrund, dass junges Verwaltungsvermögen und junge Finanzmittel vollumfänglich und ohne jegliche Begünstigung der Erbschaft- und Schenkungsteuer unterliegen, sind die Erlasse bei geplanten und ungeplanten Unternehmensnachfolgen von größter Bedeutung.
Legal-entity-Betrachtung bei der Beurteilung der Betriebszugehörigkeit
Das Gesetz definiert junges Verwaltungsvermögen als Verwaltungsvermögen, das dem Betrieb im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer weniger als zwei Jahre zuzurechnen war (§ 13b Absatz 7 Satz 2 ErbStG). Die Finanzverwaltung verfolgt bei der Auslegung des Begriffs „Betrieb“ auch in der Verbundvermögensaufstellung eine legal-entity-Betrachtung, nach der zum jungen Verwaltungsvermögen gleichermaßen die Wirtschaftsgüter gehören, die innerhalb des Zweijahreszeitraums von einer Gesellschaft in eine andere Gesellschaft im Verbund eingelegt oder die von einer anderen Gesellschaft im Verbund erworben werden (R E 13b.29 Abs. 4 ErbStR). Die legal-entity-Betrachtung leitet die Finanzverwaltung insbesondere aus der stufenweisen Ermittlung im Rahmen der Verbundvermögensaufstellung (§ 13b Absatz 9 ErbStG) ab. Fraglich war bisher, inwieweit die legal-entity-Betrachtungsweise auch bei Umwandlungsvorgängen zur Anwendung kommt.
Junges Verwaltungsvermögen durch Umwandlungsvorgänge
Nach Ansicht der obersten Finanzbehörden der Länder in den gleichlautenden Erlassen vom 13.10.2022 begründen Rechtsträgerwechsel von Verwaltungsvermögen aufgrund von Umwandlungen eine Umqualifikation in junges Verwaltungsvermögen. Eine Anrechnung der Zurechnungszeit des bisherigen Rechtsträgers soll nicht erfolgen. Wurden in den zwei Jahren vor dem Erbschaft-/Schenkungsteuerstichtag innerhalb des Unternehmensverbunds bspw. Einheiten – in beliebiger Richtung – miteinander verschmolzen, ist das übernommene Verwaltungsvermögen bei der aufnehmenden Gesellschaft als junges Verwaltungsvermögen zu erfassen. Dieselben Grundsätze gelten auch für Auf- oder Abspaltungen, Ausgliederungen und Einbringungsvorgänge von (Teil-)Betrieben. Unschädlich sind hingegen die Einbringung eines Mitunternehmeranteils unter Begründung einer doppelstöckigen Struktur und der Formwechsel einer Personen- in eine Kapitalgesellschaft. Die Zurechnung des Gesamthandsvermögens zu der legal-entity bleibt durch diese Vorgänge unberührt. Mitübertragenes Sonderbetriebsvermögen kann jedoch in junges Verwaltungsvermögen umqualifiziert werden. Die Einbringung von Kapitalgesellschaftsanteilen > 25 % und der Formwechsel einer Kapital- in eine Personengesellschaft führen nicht zu der Entstehung von jungem Verwaltungsvermögen.
Weder eine rein zivilrechtliche noch eine rein ertragsteuerliche Betrachtung
Für die Beurteilung, ob ein Umwandlungsvorgang zu einer betrieblichen Neuzuordnung von Verwaltungsvermögen führt, ist nach Ansicht der Finanzverwaltung weder eine rein zivilrechtliche noch eine rein ertragsteuerliche Betrachtung maßgeblich. Beispielsweise führt die Überführung von Verwaltungsvermögen aus einem Einzelunternehmen in ein Sonderbetriebsvermögen bei einer Mitunternehmerschaft – auch ohne zivilrechtlichen Rechtsträgerwechsel – zu einer betrieblichen Neuzuordnung und somit zur Entstehung von jungem Verwaltungsvermögen (Tz. 9 der GLE). Hingegen ist die Aufnahme eines Neu-Gesellschafters in eine bestehende Personengesellschaft – bei der ertragsteuerlich nach § 24 UmwStG die Entstehung einer „neuen“ Mitunternehmerschaft fingiert wird – ein unschädlicher Umwandlungsvorgang ohne eine erbschaftsteuerliche Neuzurechnung des im Gesamthandsbereich gehaltenen Verwaltungsvermögens (Tz. 13 der GLE).
(Keine) Berücksichtigung der betrieblichen Gesamtheit des Unternehmensverbunds
Unter Berücksichtigung der Gesetzessystematik des aktuellen ErbStG, das gem. § 13b Abs. 9 ErbStG eine konsolidierte Ermittlung des (jungen) Verwaltungsvermögens, der (jungen) Finanzmittel und der Schulden auf Ebene der Verbundobergesellschaft vorsieht, sollte der Begriff „Betrieb“ – entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung – als begünstigungsfähige Gesamtheit bzw. Unternehmensverbund auszulegen sein. Bei verbundinternen Umwandlungen ist kein erbschaftsteuerliches Missbrauchspotential zu erkennen, das es zu verhindern gelte. Die bisherige BFH-Rechtsprechung, die eine legal-entity-Betrachtung unterstützt, erging ausschließlich zum alten Erbschaftsteuerrecht und ist auf die neue Rechtslage nicht ohne Weiteres übertragbar.
Neuer Einlagebegriff für die Ermittlung von jungen Finanzmitteln?
Junge Finanzmittel sind gesetzlich definiert als der positive Saldo der eingelegten und der entnommenen Finanzmittel, welche dem Betrieb im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer weniger als zwei Jahre zuzurechnen waren (§ 13b Abs. 4 Nr. 5 Satz 2 ErbStG). Nach herrschender Literaturmeinung (Korezkij, in: BeckOK ErbStG, 17. Ed. 01.10.2022, § 13b Rn. 288.1; Schwind, ZEV 2020 S. 673 (675)) ist ein Rückgriff auf die ertragsteuerliche Definition von Einlagen und Entnahmen vorzunehmen. Die Finanzverwaltung hat sich dem in Bezug auf die Ermittlung von behaltensfristschädlichen Überentnahmen angeschlossen (vgl. R E 13a.15 Abs. 1 ErbStR).
Überraschend sind daher die Ausführungen in den gleichlautenden Erlassen hinsichtlich der Entstehung von jungen Finanzmitteln bei Umwandlungen. Bei der Ermittlung der jungen Finanzmittel kann die Auslegung des Einlagebegriffs nach Ansicht der Finanzverwaltung nicht auf die ertragsteuerliche Definition beschränkt bleiben. Wörtlich sei „als Einlagevorgang i. S. d. § 13b Abs. 4 Nr. 5 S. 2 ErbStG (…) allgemein alle Zuführungen zum Unternehmensvermögen durch Gesellschafter oder nahestehende Personen (…) zu verstehen, sofern es sich bei dem zugeführten Gegenstand um Finanzmittel handelt.“
Umwandlungen führen zu der Entstehung von jungen Finanzmitteln
Unter Anwendung dieser „finanzmittelspezifischen“ Definition von Einlagen und Entnahmen, führt der Wechsel der betrieblichen Zuordnung von Finanzmitteln durch Verschmelzungen, Auf- oder Abspaltungen, Ausgliederungen oder Einbringungsvorgänge von (Teil-)Betrieben zu der Entstehung von jungen Finanzmitteln. Selbst bei der Aufwärtsverschmelzung ist wohl davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung den Übergang von Finanzmitteln als „Einlage“ wertet. Die Begründung von jungen Finanzmitteln durch Umwandlungen widerspricht der ertragsteuerlichen Sichtweise, nach der es sich um tauchähnliche Vorgänge und gerade nicht um Einlagen handelt. Insbesondere im Fall von Aufwärtsverschmelzungen scheint die Erfassung von „Einlagen“ nicht haltbar.
Bedeutung für die Praxis
Für die Planung vorweggenommener Erbfolgen ergibt sich aus den gleichlautenden Erlassen vom 13.10.2022 die Notwendigkeit eines frühzeitigen und konsequenten Monitorings mindestens zwei Jahre vor dem geplanten Stichtag. Da junges Verwaltungsvermögen und junge Finanzmittel ohne Verschonung der Erbschaft-/Schenkungsteuer unterliegen, sollten diese weitestgehend vermieden oder reduziert werden. Sofern Unternehmensumwandlungen geplant sind, empfiehlt sich eine kritische Analyse der Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Verbundvermögens im Voraus. Die erbschaft- und schenkungsteuerlichen Risiken sollten in der betrieblichen Entscheidungsfindung berücksichtigt und durch die Steuerabteilungen überwacht werden. Ob die pro-fiskalische Ansicht der Finanzverwaltung – insbesondere im Hinblick auf die fehlende Berücksichtigung des Verbundgedankens und die eigene Auslegung des Einlagebegriffs – vor der Rechtsprechung Bestand haben wird, bleibt abzuwarten.