Das BMF hat mit seinem langersehnten Schreiben vom 21.04.2022 endlich Stellung zur steuerlichen Behandlung von Kapitalrückzahlungen durch Drittstaaten-Kapitalgesellschaften genommen. Das Schreiben ist als Reaktion auf die gefestigte BFH-Rechtsprechung zu werten und stellt die Auffassung der Finanzverwaltung dar. Zwar erkennt die Finanzverwaltung eine steuerneutrale Einlagenrückgewähr durch eine Drittstaaten-Kapitalgesellschaft nun grundsätzlich an, wer aber darauf gehofft hat, dass durch das BMF-Schreiben alle Unklarheiten beseitigt werden, wird enttäuscht.
Wieso war ein BMF-Schreiben erforderlich?
In der Vergangenheit hat die Finanzverwaltung die Auffassung vertreten, dass Drittstaaten-Kapitalgesellschaften nicht dazu in der Lage seien, Kapitaleinlagen steuerneutral an ihre deutschen Anteilseigner zurückzuzahlen. Als Begründung führte die Finanzverwaltung an, dass es sich dafür um eine Rückzahlung aus dem sog. steuerlichen Einlagekonto handeln müsse. Da eine Drittstaaten-Kapitalgesellschaft jedoch weder ein steuerliches Einlagekonto führen, noch einen Antrag nach § 27 Abs. 8 KStG stellen kann, komme eine steuerneutrale Einlagenrückgewähr durch eine Drittstaaten-Kapitalgesellschaft nicht in Betracht. Der Gesetzgeber habe sich somit bewusst dafür entschieden, dass sämtliche Ausschüttungen durch Drittstaaten-Kapitalgesellschaften steuerpflichtig sein.
Da diese Auffassung nicht akzeptabel war und auf extrem wackligen Beinen stand, kam es erwartungsgemäß zu zahlreichen Finanzgerichtsverfahren, in denen der BFH der Auffassung der Finanzverwaltung mit jedem Urteil eine deutliche Absage erteilte (u.a. BFH vom 10.04.2019 – I R 15/16, DB 2019 S. 2052, vgl. hierzu Baumgartner, HB-Steuerboard vom 24.09.2019). Danach können auch Drittstaaten-Kapitalgesellschaften Einlagen steuerneutral an ihre deutschen Anteilseigner auskehren, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.
Mit dem BMF-Schreiben vom 21.04.2022 erkennt die Finanzverwaltung die Urteile nun an und erläutert, wie sie die Rechtsprechung versteht und wie diese in der Praxis anzuwenden ist.
Was das BMF-Schreiben regelt
Das BMF akzeptiert für alle noch offenen Fälle, dass eine steuerneutrale Einlagenrückgewähr durch eine Drittstaaten-Kapitalgesellschaft möglich und ein Antrag nach § 27 Abs. 8 KStG nicht erforderlich ist. Die Frage, ob es sich um eine Einlagenrückgewähr handelt, muss daher im Festsetzungsverfahren der Gesellschafter geklärt werden. Sofern an der Drittstaatengesellschaft eine Personengesellschaft beteiligt ist, was insbesondere bei Private Equity Strukturen regelmäßig der Fall ist, sollte die Frage bereits im Feststellungsverfahren auf Ebene der Personengesellschaft zu klären sein. Diese auf den ersten Blick sehr erfreuliche Aussage, ist auf den zweiten Blick problematisch. So stellt sich noch immer die extrem wichtige Praxisfrage, ob die erforderlichen Nachweise aus Sicht des Gesellschafters oder aus Sicht der Gesellschaft zu erbringen sind. Während im erstgenannten Fall nur der Teil der Einlagen und Leistungen, die den einzelnen Gesellschafter betreffen, anhand von geeigneten Unterlagen nachgewiesen werden müssen, müssten im zweitgenannten Fall auch die Einlagen und Leistungen aller anderen, auch ausländischer Gesellschafter, nachgewiesen werden. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Finanzverwaltung der erstgenannten Auffassung anschließt oder zumindest keine nicht erfüllbaren Anforderungen an die Nachweise im Falle der zweitgenannten Auffassung stellt.
Das BMF definiert Drittstaaten-Kapitalgesellschaften als Körperschaften oder Personenvereinigungen, die im Zeitpunkt der Leistung nicht in Deutschland, einem EU-Mitgliedstaat oder einem EWR-Staat der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen. Diese Aussage dürfte so zu verstehen sein, dass die jeweilige Körperschaft oder Personenvereinigung in einem Drittsaat, wie zum Beispiel den USA oder in Großbritannien unbeschränkt steuerpflichtig sein muss. EWR-Gesellschaften hingegen konnten in der Vergangenheit bereits einen Antrag nach § 27 Abs. 8 KStG stellen, wenngleich der Wortlaut der Norm dies nicht hergab. Das BMF wendet die Grundsätze des Schreibens vom 21.04.2022 daher auch auf EWR-Gesellschaften an, falls diese keinen Antrag gestellt haben. Dies steht faktisch einem Wahlrecht gleich. Für EU-Gesellschaften bedeutet dies, dass im Falle einer Einlagenrückgewähr weiterhin ein Antrag nach § 27 Abs. 8 KStG gestellt werden muss, um eine steuerneutrale Einlagenrückgewähr zu erreichen. Insoweit äußerte der BFH aber bereits Zweifel, ob die Vorschrift mit den europäischen Grundfreiheiten vereinbar ist (BFH vom 27.10.2020 – VIII R 18/17, DB 2021 S. 261 und vom 04.05.2021 – VIII R 14/20, DB 2021 S. 2468, vgl. hierzu Baumgartner, HB-Steuerboard vom 13.04.2021 bzw. vom 23.11.2021).
Zur Behandlung einer Nennkapitalrückzahlung merkt das BMF an, dass § 7 Abs. 2 KapErhStG zu beachten ist. Diese Vorschrift erfasst Fälle, in denen eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln erfolgte und die Gesellschaft innerhalb von fünf Jahren nach Ausgabe der Anteilsrechte eine Nennkapitalherabsetzung tätigt. Entsprechende Nennkapitalrückzahlungen innerhalb der fünf Jahre qualifizieren als steuerpflichtige Dividende, egal ob es sich bei den umgewandelten Gesellschaftsmitteln um Teile des steuerlichen Einlagekontos oder um einen Gewinnvortrag handelte. Nicht nachvollziehbar ist, wieso sich das BMF nicht auch zur Anwendung des § 28 KStG äußert, welcher ebenfalls Fälle betrifft, in denen Nennkapital aus der Umwandlung von Gesellschaftsmitteln entsteht. Da die Norm auf deutsche Kapitalgesellschaften anwendbar ist, sollte sie auch für Drittstaaten-Kapitalgesellschaften Anwendung finden, weshalb in der Praxis sowohl § 7 Abs. 2 KapErhStG, als auch § 28 KStG berücksichtigt werden sollte. Zum Nachweis einer steuerneutralen Nennkapitalrückzahlung verlangt das BMF insbesondere den Beschluss über die Nennkapitalherabsetzung und -rückzahlung. In der Praxis dürfte die Finanzverwaltung darüber hinaus auch Beschlüsse über die Nennkapitalerhöhung sowie entsprechende Nachweise der Leistung der Einlage bzw. Rückzahlung – z.B. Kontoauszüge – verlangen.
Auch zur Rückzahlung von nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen nimmt das BMF Stellung. So habe die Ermittlung der Einlagenrückgewähr der Höhe nach unter Beachtung der sog. Verwendungsreihenfolge nach § 27 Abs. 1 Satz 3 und 5 KStG zu erfolgen. Somit gelten zunächst Gewinne der Gesellschaft als ausgeschüttet, die auf Ebene der Gesellschafter zu steuerpflichtigen Dividenden führen. Nur soweit die Leistungen den ausschüttbaren Gewinn übersteigen, liegt eine Einlagenrückgewähr vor. Ob es sich nach ausländischem Gesellschaftsrecht um eine Rückzahlung von nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen handelt, ist für das deutsche Steuerrecht daher irrelevant. Ausgangspunkt für die Berechnung der Verwendungsreihenfolge ist die ausländische Handelsbilanz, die dem Jahr der Leistung vorausgeht. Zwischen Einlage und Leistung muss daher immer das Ende eines Wirtschaftsjahres liegen. Nach Auffassung des BMF ist eine Überleitung der ausländischen Handelsbilanz in eine deutsche Steuerbilanz nicht erforderlich. Für die Praxis bleibt jedoch zu hoffen, dass eine solche Überleitung zumindest möglich ist, da ansonsten auch noch nicht realisierte Gewinne den ausschüttbaren Gewinn beeinflussen würden. Zur Dokumentation fordert das BMF unter anderem einen Nachweis über die unbeschränkte Steuerpflicht der Drittstaaten-Kapitalgesellschaft sowie deren ausländische Bilanz, die Höhe der Beteiligung des Anteilseigners und entsprechende Beschlüsse sowie Nachweise über die geleistete Ausschüttung. Auch hier sollten zusätzlich Beschlüsse und Kontoauszüge zu den geleisteten Einlagen aufbewahrt werden, da diese Unterlagen in der Praxis regelmäßig angefordert werden.
Sofern die Drittstaaten-Kapitalgesellschaft nicht in Euro bilanziert, hat die Umrechnung zum Zeitpunkt der Ausschüttung zu erfolgen. Als Umrechnungskurs ist der Mittelwert des Devisengeldkurses auf den jeweiligen Stichtag zu berücksichtigen. Zwar bezieht sich diese Aussage des BMF nur auf die Rückzahlung von nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen, jedoch sollte sie auch auf die Nennkapitalrückzahlung Anwendung finden.
Fazit
Mit dem BMF-Schreiben erkennt die Finanzverwaltung endlich die Möglichkeit einer steuerneutralen Einlagenrückgewähr durch eine Drittstaaten-Kapitalgesellschaft an. In der Praxis kann die Finanzverwaltung eine Steuerneutralität daher nicht mehr einfach mit dem Argument ablehnen, dass Drittstaaten-Gesellschaften nicht zu einer steuerneutralen Einlagenrückgewähr in der Lage wären.
Wer aber gehofft hat, dass das BMF-Schreiben alle Unklarheiten beseitigen und für die Praxis handhabbare und rechtssichere Aussagen treffen würde, der wird enttäuscht. Insbesondere die Nachweiserfordernisse werden auch weiterhin zu Diskussionen im Rahmen von Betriebsprüfungen und anschließenden Finanzgerichtsverfahren führen, sollte die Finanzverwaltung keinen angemessenen Prüfungsmaßstab anwenden. Es bleibt deswegen nur abzuwarten, wie die Finanzverwaltung das BMF-Schreiben anwenden wird. Das letzte Kapitel in dieser Geschichte scheint noch nicht geschrieben zu sein.