Neue Möglichkeiten im Scheidungsfolgenrecht durch die Bedarfsabfindung

RAin Hannah Roggermaier und RA Dr. Alexander Tegge sind Associates bei POELLATH, München

Beim Abschluss eines Ehevertrags zwischen (zukünftigen) Ehegatten spielt die Wahl des Güterstands eine wichtige Rolle. Ehegatten können insbesondere zwischen der Vereinbarung einer (modifizierten) Zugewinngemeinschaft und der Gütertrennung (mit Kompensationszahlung) wählen. Dabei dürfen die erbschaft- und schenkungsteuerlichen Auswirkungen der Wahl des Güterstands nicht außer Acht gelassen werden. Zu den schenkungsteuerlichen Auswirkungen der Gütertrennung mit Kompensationszahlung hat der BFH mit Urteil vom 01.09.2021 (II R 40/19) Stellung genommen.

Überblick

Obwohl der Güterstand der Gütertrennung den Ehegatten die Möglichkeit des steuerfreien Zugewinnausgleichs (§ 5 ErbStG) nimmt, entscheiden sich Ehegatten nach wie vor häufig für diesen Güterstand. Motive für die Wahl der Gütertrennung können familiäre oder gesellschaftsvertragliche Verpflichtungen als auch die Vermeidung der für die Berechnung des Zugewinns erforderlichen komplexen Bewertungen von Immobilien oder Unternehmen sein. Auch bei internationalen Ehen wird regelmäßig der Güterstand der Gütertrennung gewählt, um im Scheidungsfalle etwaige Auslegungsschwierigkeiten zu vermeiden.

Bei der Vereinbarung einer Gütertrennung ohne jegliche Kompensationsleistung zugunsten des (finanziell) unterlegenen Ehegatten ist aufgrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle von Eheverträgen nicht auszuschließen, dass ein Familiengericht den Ehevertrag für nichtig befindet. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn der Ehevertrag eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehepartners widerspiegelt. Die Vereinbarung einer Kompensationszahlung kann daher durchaus der zivilrechtlichen Wirksamkeit dienen. Gleichwohl kann eine solche Kompensationszahlung schenkungsteuerliche Risiken mit sich bringen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Kompensationszahlung erst nach Rechtskraft der Scheidung erfolgen soll. Denn mit Rechtskraft der Scheidung fallen die Ehegatten von Steuerklasse I in Steuerklasse II und der persönliche Freibetrag reduziert sich von 500.000 € auf 20.000 €.

Erste BFH-Entscheidung zur Bedarfsabfindung

Der II. Senat des BFH hat bislang zweimal zu ehevertraglichen Kompensationszahlungen Stellung genommen (Urteil vom 17.10.2007 – II R 53/05, BStBl. II 2008 S. 256 = DB 2008 S. 564; vom 28.6.2007 – II R 12/06, BStBl. II 2007 S. 785). In beiden Fällen wertete der BFH die Kompensationszahlungen als schenkungsteuerbare freigebige Zuwendungen i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.

Mit dem Urteil vom 01.09.2021 (II R 40/19) nahm der II. Senat des BFH nach fast 14 Jahren erneut Stellung zu einem Ehevertrag mit Kompensationszahlung.

Sachverhalt des BFH-Urteils vom 01.09.2021

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die zukünftigen Ehegatten vereinbarten ehevertraglich den Ausschluss des gesetzlichen Versorgungsausgleichs, die Begrenzung des nachehelichen Unterhalts und die Gütertrennung. Im Falle der Scheidung sollte die Klägerin einen indexierten Zahlungsanspruch erhalten. Dieser Zahlungsanspruch sollte sich bei 15 vollen Ehejahren auf den Betrag von 2 Mio. DM belaufen und bei vorzeitiger Ehescheidung pro rata temporis abschmelzen. Nach Rechtskraft der Scheidung zahlte der Ehemann nach mehr als 15 Ehejahren den vereinbarten Betrag i.H.v. 2 Mio. DM. Das FG München und das Finanzamt erkannten hierin eine steuerpflichtige unentgeltliche Zuwendung.

Grundsätze der schenkungsteuerpflichtigen Pauschalabfindung

Bevor sich der BFH in seinen Entscheidungsgründen der Bedarfsabfindung zuwandte, wiederholte er die Grundsätze zur Pauschalabfindung. Eine Pauschalabfindung läge bei einer Zahlung unter Verzicht eines (möglicherweise) künftig entstehenden Zugewinnausgleichs vor Eingehung der Ehe vor und erfülle den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, da sie weder zur Befriedigung eines (außervertraglichen) Anspruchs des Verzichtenden noch als Gegenleistung für einen Verzicht getätigt werde. Ein die Pauschalabfindung rechtfertigender Anspruch bestünde in diesen Fällen nicht, da der Zugewinnausgleichsanspruch des Verzichtenden erst mit Ende der Zugewinngemeinschaft entsteht.

Grundsätze der schenkungsteuerfreien Bedarfsabfindung

Im Anschluss legte der II. Senat die Grundsätze der Bedarfsabfindung fest: Eine Bedarfsabfindung liege vor, „wenn die zukünftigen Ehegatten die Rechtsfolgen ihrer Eheschließung – abweichend von den gesetzlichen Leitbildern – umfassend individuell regeln und für den Fall der Beendigung der Ehe – z.B. durch Scheidung – Zahlungen eines Ehepartners an den anderen in einer bestimmten Höhe vorsehen, die erst zu diesem Zeitpunkt zu leisten sind („Bedarfsabfindung“).“ Bei einer Bedarfsabfindung werde keine pauschale Abfindung ohne Gegenleistung erbracht. Vielmehr würden durch umfangreiche Modifikation gesetzliche Ansprüche für den Fall der Scheidung neu austariert. Ein solches Gesamtpaket, das alle Scheidungsfolgen regelt, könne nicht in Einzelleistungen aufgeteilt und einzeln der Schenkungsbesteuerung unterworfen werden. Anders als bei der Pauschalabfindung zu Beginn der Ehe, bei der die Verpflichtung zum Zugewinnausgleich noch nicht absehbar und deshalb nicht bewertbar ist, sei bei der Bedarfsabfindung die Kompensationszahlung an die aufschiebende Bedingung der Scheidung geknüpft. Somit erfülle eine Bedarfsabfindung nicht den objektiven Tatbestand einer freigebigen Zuwendung. Auch der subjektive Tatbestand einer freigiebigen Zuwendung sei nicht erfüllt, da der Ehemann die Abfindung gezahlt hätte, um sein Vermögen vor den unwägbaren finanziellen Folgen einer Scheidung zu schützen (eingehend zur Frage der Entgeltlichkeit vgl. Tischendorf, HB Steuerboard vom 16.02.2022).

Praxishinweise

Die Kriterien einer schenkungsteuerfreien Bedarfsabfindung lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Umfassende individuelle Regelung der Scheidungsfolgen in einem Gesamtpaket,
  • Vereinbarung einer Zahlung für den Scheidungsfall,
  • Ehescheidung als aufschiebende Bedingung des Anspruchs und
  • bestimmte Höhe der Zahlung, ggfs. unter Berücksichtigung der Ehejahre.

Es ist sicherlich empfehlenswert, sich bei der Formulierung einer Bedarfsabfindung in Eheverträgen an diesen Kriterien zu orientieren und die Bedarfsabfindung ausdrücklich als solche zu bezeichnen. Die aufgezählten Kriterien dürften jedoch nicht abschließend sein. Es bleibt offen, wie sich die Kriterien auf andere Sachverhalte übertragen lassen:

Unklar ist zunächst, inwiefern der Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrags für das Vorliegen einer Bedarfsabfindung entscheidend ist. In dem vom BFH entschiedenen Fall wurde der Ehevertrag vor Eingehung der Ehe geschlossen. Zur Relevanz des Zeitpunkts des Vertragsschlusses äußerte sich der BFH nicht weiter. Daher ist unklar, ob die vom BFH entschiedenen Grundsätze zur Bedarfsabfindung auch gelten, wenn der Ehevertrag während der Ehe geschlossen wird.

Klärungsbedürftig ist außerdem, was der BFH meint, wenn er den Abschluss eines Ehevertrages verlangt, „der nach Art eines Gesamtpakets alle Scheidungsfolgen regelt“. Nach Auffassung des BFH muss die Abfindungszahlung in ein Vertragskonvolut eingebettet sein, das sich nicht in Einzelleistungen aufteilen lässt. Im Ausgangsfall wurde unter anderem der gesetzliche Versorgungsausgleich ausgeschlossen, der nacheheliche Unterhalt begrenzt und die Gütertrennung vereinbart. Daher stellt sich die Frage, ob eine steuerfreie Bedarfsabfindung ebenfalls angenommen werden kann, wenn die Ehegatten zwar Gütertrennung mit Abfindung im Scheidungsfall vereinbaren, hinsichtlich des Versorgungsausgleichs und des nachehelichen Unterhalts jedoch nicht vom Gesetz abweichen.

Außerdem drängt sich auch die Frage auf, ob die Ehegatten bei der Höhe der Bedarfsabfindung vollkommen frei sind. Der BFH hat sich nicht dazu geäußert, ob sich eine Bedarfsabfindung der Höhe nach an einer potentiellen Zugewinnausgleichsforderung orientieren muss. Jedenfalls kommt es wohl nicht auf einen etwaigen Bedarf (im unterhaltsrechtlichen Sinne) des ausgleichsberechtigten Ehegatten an. Maßgeblich ist offenbar allein eine (irgendwie geartete) Anknüpfung der Leistungshöhe an die Ehe (z.B. Anzahl der Ehejahre).

Letztlich ist ungeklärt, inwieweit der Zeitpunkt der aufschiebenden Bedingung des Anspruchs auf Bedarfsabfindung („Zeitpunkt der Ehescheidung“) vor die Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses gezogen werden kann. Der BFH knüpft lediglich „an die Beendigung der Ehe – z. B. durch Ehescheidung –“ an. Für ein Abstellen auf den vorgelagerten Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags spricht, dass für die Berechnung des Zugewinnausgleichs ebenfalls auf diesen Zeitpunkt (§ 1384 BGB) abgestellt wird. Unabdingbar ist jedoch, dass es tatsächlich zur Scheidung kommt.

Fazit

Die Entscheidung des BFH ist zu begrüßen. Sie ermöglicht es Ehegatten, eine Gütertrennung mit Abfindungszahlung zu vereinbaren, ohne schenkungsteuerliche Nachteile befürchten zu müssen und schafft damit einen Gleichklang zu § 5 Abs. 2 ErbStG. Im Gegensatz zur Zugewinngemeinschaft können die Ehegatten bei Vereinbarung einer Gütertrennung mit Bedarfsabfindung den finanziellen Ausgleich im Scheidungsfall vorab beziffern, was oftmals dem Wunsch der Ehegatten entspricht. Zu beachten ist jedoch, dass es sich noch nicht um eine gefestigte Rechtsprechung handelt. Die Entscheidung wurde bisher auch nicht im BStBl. II veröffentlicht. Es bleibt daher abzuwarten, wie der BFH seine Rechtsprechung zur Bedarfsabfindung weiterentwickeln wird.

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