Aktuellen Studien zufolge (unter anderem DIHK) wird die Suche nach Unternehmensnachfolgern immer schwieriger – nicht zuletzt durch Krisen und die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Die aktuelle Energiekrise wird diese Situation zusätzlich verschärfen. Es gilt im Nachfolgeprozess die unternehmerischen Interessen der jüngeren Generation zu beachten; diese sind möglicherweise nicht mehr ausschließlich auf das eine Familienunternehmen gerichtet, sondern auf mehrere unternehmerische Investments. Diese können in einer Familienholding gebündelt werden, wobei ökonomische, rechtliche und steuerliche Hürden zu bewältigen sind, aber auch Chancen für ein künftiges verändertes Unternehmertum schaffen.
Herausforderung der älteren und jüngeren Generation: Schenkung mit Perspektive für die jüngere Generation
Neben der klassischen Unternehmensnachfolge – also die Übertragung von Anteilen am Familienunternehmen auf die nächste Generation, die das Familienunternehmen weiterführt – beobachten wir neue Tendenzen im Nachfolgeprozess. Für viele Nachwuchsunternehmer gibt es nicht mehr nur das eine Familienunternehmen, sondern mehrere interessante unternehmerische Betätigungsfelder. Sie wollen zwar das Familienunternehmen fortführen, aber gegebenenfalls auch darüberhinausgehende unternehmerische Interessen und Investments verwirklichen. Diese Diversifizierung unternehmerischer Betätigungen kann die Gründung einer Familienholding oder eines Family-Offices erforderlich machen, das verschiedene Unternehmensbeteiligungen und Investments neben den Anteilen am Familienunternehmen bündelt.
Begünstigte Schenkung — Herausforderung 90%-Einstiegstest
Die Übertragung der Anteile am Familienunternehmen auf die Nachfolgegeneration soll regelmäßig möglichst wenig Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer auslösen. Ziel muss es daher sein, das Unternehmensvermögen vor einer geplanten Schenkung so zu strukturieren, dass die Verschonungsregelungen für Betriebsvermögen und Anteile an Kapitalgesellschaften gem. §§ 13a, b, c und § 28a ErbStG optimal greifen und im Idealfall eine 100%ige Verschonung von der Erbschaftsteuer erreicht wird. Die erste Hürde ist dabei der sogenannte Einstiegstest. Wird der Einstiegstest – der auch 90%-Test genannt wird – nicht bestanden, wird die Unternehmensübertragung vollständig nicht von der Erbschaft- und Schenkungsteuer verschont.
Nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip wird keine Verschonung für die Schenkung oder Erbschaft der Beteiligung am Unternehmen gewährt, wenn das Brutto-Verwaltungsvermögen nebst Brutto-Finanzmitteln (also ohne Abzug von Verbindlichkeiten) mindestens 90% des gemeinen Werts des übertragenen Unternehmens ausmacht (§ 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG). In Unternehmensgruppen mit hohem Finanzmittelbestand und verhältnismäßig niedrigem Unternehmenswert, was insbesondere in der Branche der Handelsunternehmen der Fall sein kann, ist regelmäßig ein hoher Anteil an sogenanntem Verwaltungsvermögen/Finanzmittelvermögen vorhanden, welches mit seinem Brutto-Wert (d.h. ohne Abzug korrespondierender Verbindlichkeiten) häufig dazu führt, dass die 90%-Grenze erreicht oder überschritten wird. Die Unternehmensbeteiligung ist dann wie Barvermögen bei der Erbschaftsteuer zu versteuern. Der Höchststeuersatz in Steuerklasse I beträgt 30%, in Steuerklasse III gar 50%.
An der Verfassungsmäßigkeit des 90%-Tests, wonach das im Unternehmen vorhandene Verwaltungsvermögen und Finanzmittelvermögen ohne Abzug der Verbindlichkeiten in die Berechnung der 90%-Grenze einzubeziehen sind, bestehen ernsthafte Zweifel. Das FG Münster hat in seinem Urteil vom 24.11.2021 (3 K 2174/19 Erb, vgl. hierzu Mai, DB 2022 S. 363 [Link auf: https://research.owlit.de/lx-document/DB1397706]) festgestellt, dass die Vorschrift des § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG ihrem Normzweck entsprechend im Wege der teleologischen Reduktion einschränkend auszulegen ist. Wenn die betreffende Gesellschaft (im Ausgangsfall handelte es sich um eine Kapitalgesellschaft) ihrem Hauptzweck nach einer begünstigten, insbesondere originär gewerblichen Tätigkeit dient, soll der 90%-Test nicht zur Anwendung kommen, da in derartigen Fällen keine Missbrauchsgefahr bestehe. Das Gericht hat die Revision zugelassen (Az. BFH: II R 49/21). Eine höchstrichterliche Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit des 90%-Tests bleibt abzuwarten und bereits verwirklichte Sachverhalte sollten mit dem Einspruch offengehalten werden.
Bestehendes Unternehmen auf eine Familienholding übertragen
Neben dem erbschaftsteuerlichen Gelingen der Unternehmensnachfolge sind weitere Herausforderungen zu bewältigen. Dies betrifft unter anderem die Neuaufstellung der Governance im Unternehmen, die in der Beratungspraxis eine bedeutende Rolle spielt, hier jedoch nicht detailliert thematisiert werden kann. Die Familie muss ein Regelwerk über mögliche Rollen der einzelnen Familiengesellschafter und weiterer Familienmitglieder im Unternehmen schaffen. Die Familienmitglieder müssen sich dabei auch zu ihren eigenen künftigen Rollen finden. Zu entscheiden ist dabei z.B., ob die nächste Generation selbst in die Geschäftsführung eintritt oder eine Fremdgeschäftsführung angestrebt wird, die ggf. durch ein neu installiertes Gesellschaftsorgan, wie z.B. einen Beirat überwacht und/oder beraten wird. Mitglieder dieses Beirats können die Unternehmer der jüngeren Generation sein, wie auch Familienexterne und – gegebenenfalls für eine Übergangszeit – Unternehmer der Senior-Generation.
Nicht selten steht im Zusammenhang mit dem Nachfolgeprozess die Neuerrichtung einer Familienholding oder die Modifikation einer bereits bestehenden Holding. Will die Nachfolgegeneration künftig mehrere unternehmerische Betätigungen gemeinsam verfolgen, braucht sie gegebenenfalls ein Vehikel, um verschiedene Beteiligungen zu verwalten. Die Beweggründe für eine Holding sind vor allem ökonomischer, rechtlicher und steuerlicher Art. Der Weg in die Holdingstruktur in Kombination mit dem Nachfolgeprozess erfordert es, die zeitlich sinnvolle Reihenfolge für die schenkungsteuerliche Beurteilung zu prüfen. Ein ganzheitliches Nachfolgekonzept ist dringend anzuraten.
Wird die Holding vor der Schenkung des Familienunternehmens installiert, indem z.B. die Unternehmensanteile (noch von der Senior-Generation) in eine Holding eingebracht werden, kann dies dazu führen, dass hierdurch sogenanntes junges Verwaltungsvermögen entsteht, das bei einer anschließenden Schenkung der Anteile am Familienunternehmen für einen Zeitraum von 2 Jahren nicht von der Verschonung gem. §§ 13a, 13b, 13c, 28a ErbStG profitiert. Wird der Unternehmensanteil hingegen geschenkt und erfolgt danach z.B. die Einbringung der geschenkten Unternehmensanteile in eine Holding, ist zu beachten, dass die geschenkten Unternehmensanteile Behaltensfristen unterliegen und insbesondere Veräußerungsvorgänge oder diesen gleichgestellte Maßnahmen – wie etwa großvolumige Ausschüttungen oder Entnahmen nach einer Schenkung – dazu führen, dass eine nicht unerhebliche Nachversteuerung im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsteuer ausgelöst wird. Umstrukturierungen im Zusammenhang mit einem Nachfolgeprozess können erhebliche Steuerbelastungen auslösen und sollten sorgfältig auf steuerliche Implikationen im Vorfeld geprüft werden.
Andererseits kann ein breit gestreutes unternehmerisches Engagement der jüngeren Generation durch Hinzuerwerb neuer unternehmerischer Investments in einer Familienholding dazu führen, dass etwa die Akquisition weiterer Unternehmensbeteiligungen sich positiv auf das nach der Schenkung der Unternehmensanteile einzuhaltende Lohnsummenerfordernis auswirkt. Letztlich ist es nämlich die Intention des Gesetzgebers, durch die Verschonung von Betriebsvermögen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer Arbeitsplätze zu erhalten, weitere unternehmerische Investitionen zu fördern und Ausschüttungen bzw. Entnahmen in den privaten Bereich der Gesellschafter zu sanktionieren, wenn diese aus der geschenkten Unternehmenssubstanz resultieren. In einer Holdingstruktur bzw. einem Family-Office kann dies gelingen, weil innerhalb dieses Vehikels investiert und reinvestiert wird.
Wenn die junge Unternehmergeneration örtlich flexibel und mobil sein möchte und sich aus beruflichen und/oder privaten Gründen gegebenenfalls an verschiedenen Orten im In- und Ausland aufhalten wird, sind bei der Ausgestaltung der Familienholding und deren Rechtsform Aspekte der Wegzugs- und Entstrickungsbesteuerung ebenfalls zu berücksichtigen. Zuletzt wurde als Folge der EuGH-Rechtsprechung (Urteil vom 26.02.2019 – C-581/17, Martin Wächtler) durch das ATAD-Umsetzungsgesetz vom 25.06.2021 (ATADUmsG, BGBl. I 2021 S. 2035) mit Wirkung vom 01.01.2022 die Wegzugsbesteuerung verschärft und ist nun auch bei einem Wegzug innerhalb der EU/EWR ein steuerliches Risiko, welches in einem ganzheitlichen Nachfolgeprozess Beachtung finden muss.