Im Rahmen der Vermögensnachfolgeplanung vermögender Privatpersonen stellt sich fast immer die Frage nach der individuellen optimalen Vermögensnachfolgestruktur. Der Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft (eG) wurde hierbei bislang weniger Beachtung geschenkt. Aus dem ersten Impuls heraus scheint sich hingegen der genossenschaftliche „Selbsthilfecharakter“ gerade für die Vermögensnachfolge anzubieten. Denn wem möchte man mehr helfen als sich und seiner Familie? Erst bei einem genaueren Hinsehen fällt auf, dass die Genossenschaft eher selten das Instrument der Wahl sein dürfte.
Begriff der Familiengenossenschaft
Bei dem Begriff „Familiengenossenschaft“ handelt es sich nicht um einen feststehenden rechtlichen Begriff. In der Regel wird unter der Familiengenossenschaft eine Genossenschaft verstanden, deren Mitglieder (nur) Familienangehörige sind. Dieses Verständnis liegt auch dem hiesigen Beitrag zugrunde, welcher nur einige wesentliche Aspekte der Familiengenossenschaft beleuchtet.
Genossenschaft und der Vermögensschutz
Ein Aspekt der Vermögensnachfolge ist zumeist der Vermögensschutz („Asset Protection“). Dieser kann teilweise mit dem Einsatz einer Genossenschaft erreicht werden. Da es sich bei einer Genossenschaft um eine eigenständige juristische Person handelt, ist die Haftung für genossenschaftliche Verbindlichkeiten auf deren Vermögen begrenzt. Ihre Mitglieder trifft damit keine Außenhaftung. Diese zeichnen Geschäftsanteile („Genossenschaftsanteil“). Hiervon zu trennen ist das Geschäftsguthaben, das den Betrag widerspiegelt, mit dem das Mitglied wertmäßig an der Genossenschaft beteiligt ist. Es besteht aus den Einzahlungen auf den Geschäftsanteil sowie Gutschriften aus Gewinnanteilen und Rückvergütungen. Scheidet ein Mitglied aus der Genossenschaft aus, hat es einen Anspruch auf Auszahlung dieses Geschäftsguthabens. Vereinfacht gesagt ist nur das Geschäftsguthaben im Falle der Geltendmachung von Ansprüchen gegen ein Mitglied pfändbar. Eine Beteiligung des Mitglieds an den stillen Reserven der Genossenschaft findet nicht statt.
Die Steuervorteile der Genossenschaft
Da der Gesetzgeber den genossenschaftlichen Selbsthilfecharakter grundsätzlich gutheißt, wird die Genossenschaft in bestimmten Fällen steuerlich privilegiert. So sind z.B. Vermietungsgenossenschaften, die Wohnungen herstellen oder erwerben und diese ihren Mitgliedern (entgeltlich) zum Gebrauch überlassen, unter bestimmten Voraussetzungen partiell steuerbefreit. Bei anderen vermeintlichen Vorteilen handelt es sich eher um Scheinvorteile. So ist z.B. bei einem genaueren Hinsehen die oft missverstandene „Genossenschaftliche Rückvergütung“ (Zahlungen der Genossenschaft an Ihre Mitglieder die unter gewissen Voraussetzungen bei der Genossenschaft Betriebsausgaben und bei den Mitgliedern steuerfreie Einnahmen darstellen) kein echter Vorteil, sondern mit Blick darauf, dass die rückvergüteten Beträge zuvor im Mitgliedergeschäft erwirtschaftet worden sein müssen, nur folgerichtig.
Bei einem steuergetriebenen Vermögensnachfolgeplanungsansatz stößt man in der Regel darauf, dass der Genossenschaft die Möglichkeit einer steuergünstigen Vererbung/Schenkung der Genossenschaftsanteile nachgesagt wird. Unter Rückgriff auf ein Urteil des FG Köln (Urteil vom 26.11.2014 – 7 K 4141/09) wird bisweilen argumentiert, dass der (niedrige) Nominalwert maßgebend sei, sodass die Erbschaft- und Schenkungsteuerbelastung über die Höhe des Geschäftsguthabens gesteuert werden könne. Dies erscheint zweifelhaft, zumal das Urteil zu einem Spezialfall (Zusammenschluss von echten Genossenschaften) ergangen ist, sodass es auf Familiengenossenschaften nur eingeschränkt übertragbar sein dürfte. Dies gilt umso mehr, als Rechtsprechung und Finanzverwaltung sonst von dem gemeinen Wert als Bewertungsmaßstab ausgehen, sprich dem Wert, der bei der Veräußerung des Geschäftsguthabens erzielt werden kann. Sollte ein Familiengenossenschaftsmodell erwogen werden, wäre in jedem Fall eine verbindliche Auskunft beim zuständigen Finanzamt einzuholen.
Zudem wird diskutiert, ob die Genossenschaft ein taugliches Mittel ist, um die – mit Jahresbeginn rigider gewordene – Wegzugsbesteuerung (§ 6 AStG) zu vermeiden. Allerdings stellen sich hier oft dieselben Probleme wie bei anderen Kapitalgesellschaftsformen.
Die genossenschaftliche Prüfung
Die genossenschaftliche Prüfung steht zumeist in Konflikt mit dem Gestaltungsziel einer größtmöglichen Anonymität. Jede Genossenschaft muss einem genossenschaftlichen Prüfungsverband angehören (Pflichtmitgliedschaft), der zwecks Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse und Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung die Einrichtungen, die Vermögenslage und die Geschäftsführung der Genossenschaft sowie – bei Überschreiten bestimmter Schwellenwerte – deren Jahresabschluss unter Einbeziehung der Buchführung und des Lageberichts prüft (Pflichtprüfung). Die Pflichtprüfung findet mindestens in jedem zweiten Geschäftsjahr der Genossenschaft statt. Übersteigt die Bilanzsumme den Wert von 2 Mio. €, ist sogar eine jährliche Pflichtprüfung gesetzlich vorgegeben. Diese schließt mit einem Prüfungsbericht, in dem der Prüfungsverband unter anderem Stellung dazu zu nehmen hat, ob und auf welche Weise die Genossenschaft im Prüfungszeitraum einen zulässigen Förderzweck verfolgt hat.
Kernproblem: Familiengenossenschaft und der genossenschaftliche Förderzweck
Eine Genossenschaft ist nach der gesetzlichen Definition eine Gesellschaft von nicht geschlossener Mitgliederzahl, deren Zweck darauf gerichtet ist, den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale oder kulturelle Belange (Förderzweck) durch einen gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern. Anders als bei anderen Kapitalgesellschaftsformen (z.B. AG oder GmbH) liegt der Zweck der Genossenschaft in der Mitgliederförderung und nicht auf der Gewinnmaximierung. Dass die Genossenschaft einen zulässigen Förderzweck im Sinne des Genossenschaftsgesetzes verfolgen muss, ist ihr charakteristisches Merkmal und wesentliche Voraussetzung für ihre rechtliche Anerkennung. Denn verfolgt die Genossenschaft keinen zulässigen Förderzweck (mehr), kann dies ihre Auflösung zur Folge haben.
Nicht jeder Förderzweck ist mit dem Genossenschaftsgedanken vereinbar. Dies zeigt in aller Deutlichkeit das in der jüngeren Vergangenheit gescheiterte Modell der sog. Kapitalanlagegenossenschaft, mit dem primär kapitalzinswirtschaftliche Zwecke verfolgt wurden, welches sogar Anlass für ein aktuelles Gesetzvorhaben zum Schutz der Genossenschaften ist (BT-Drucks. 20/1533). Das Genossenschaftswesen soll vor unseriösen Geschäftsmodellen geschützt werden soll, indem gesetzlich klargestellt wird, dass die Kapitalanlage als eigenständiger Förderzweck genossenschaftsrechtlich unzulässig ist.
Über die Frage, was genau als zulässige Fördertätigkeit unter diese gesetzlichen Merkmale fällt, herrscht in der Praxis teils viel Unsicherheit. Unstreitig ist jedenfalls, dass die (aktive) Mitgliederförderung im Vordergrund stehen muss, sodass Hauptzweck der Genossenschaft nicht die Kapitalmehrung oder die Erzielung einer möglichst hohen Rendite sein darf. Ebenso sind Genossenschaften, die nur ihr Vermögen verwalten (Vermögensverwaltungsgenossenschaft), rechtlich unzulässig, da eine Förderung der Mitglieder in diesem Fall gerade nicht stattfindet. Dieser Umstand macht die Genossenschaft für die meisten Vermögensnachfolgeplanungen ungeeignet, da im Regelfall gerade die Vermögensverwaltung im Vordergrund steht. In Einzelfällen kann dies anders sein, insbesondere wenn über die Genossenschaft eine tatsächliche und aktive Förderung der Familienmitglieder durch einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb stattfinden soll. Zudem sei angemerkt, dass die Genossenschaftsverbände vermehrt darauf hinweisen, dass bereits die Gründung einer vermögensverwaltenden Familiengenossenschaft bei einem seriös agierenden Genossenschaftsverband nicht möglich sei.
Fazit
Die Familiengenossenschaft dürfte daher eher selten eine wirkliche Gestaltungsalternative zu den sonst üblichen Gestaltungsalternativen sein. Zwar bietet sie aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Eigenheiten einige interessante Aspekte, dem stehen jedoch ebenso Nachteile gegenüber. Dies ist zum einen dem Umstand geschuldet, dass der Betrieb einer Genossenschaft wegen der unter Umständen jährlichen Pflichtprüfung durch einen Prüfungsverband einen hohen Verwaltungsaufwand erfordert und der erbschaft- und schenkungsteuerliche Bewertungsvorteil keinesfalls gesichert ist. Zum anderen stehen Familiengenossenschaften unter dem Damoklesschwert eines gerichtlichen Auflösungsverfahrens, wenn ihr Zweck nicht auf die aktive Förderung ihrer Mitglieder gerichtet ist und die tatsächliche Geschäftsführung dem entspricht.