Das BMF hat am 20.10.2022 ein neues Schreiben zur Aufteilung des Vorsteuerschlüssels bei gemischt genutzten Immobilien veröffentlicht. Hierbei geht es insbesondere um die Abgrenzung der Anwendungsbereiche von Flächen- und Umsatzschlüssel. Das BMF äußert sich außerdem zur Behandlung von Tiefgaragenstellplätzen und Fotovoltaikanlagen.
Ausgangsbeispiel
Angenommen das Treppenhaus eines vermieteten Wohn- und Geschäftshauses wird mit einem neuen Anstrich versehen. In welcher Höhe kann der Eigentümer des Objektes die (anteilige) Erstattung der an den Maler entrichteten Umsatzsteuer im Wege des Vorsteuerabzugs verlangen?
Werden Eingangsleistungen wie im Eingangsbeispiel für eine gemischt genutzte Immobilie bezogen, muss der Unternehmer die Vorsteuer in einen abzugsfähigen und einen nicht abzugsfähigen Teil zerlegen. Eine Ausnahme hiervon besteht hingegen, wenn sich die Eingangsleistungen einzelnen Nutzungseinheiten direkt zuordnen lassen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn anstelle des Treppenhauses aus dem Eingangsbeispiel eine umsatzsteuerpflichtig vermietete Gewerbeeinheit auf Kosten und Rechnung des Vermieters angestrichen wird. Eine direkte Zuordnung der Vorsteuer findet aber nicht bezüglich der Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Immobilie statt. Hierbei wird die Immobilie umsatzsteuerlich als ein Ganzes behandelt.
Nicht abziehbar ist der Teil der Vorsteuer, der zu den vorsteuerschädlichen Umsätzen gehört. Aber welcher Teil der Vorsteuer aus dem Treppenhausanstrich gehört zu den Umsätzen, die beispielsweise aus der vorsteuerschädlichen Wohnungsvermietung resultieren? Gemäß § 15 Abs. 4 UStG muss diese Zuordnung im Rahmen einer „sachgerechten Schätzung“ erfolgen. Hierbei ist nach der gesetzlichen Regelung eine Zuordnung nach dem Verhältnis der Umsätze aus den verschiedenen Nutzungen nur subsidiär zulässig. Am 20.10.2022 wurde ein neues BMF-Schreiben zur Berechnung des Vorsteuerschlüssels für gemischt genutzte Immobilien veröffentlicht, das sich mit dem Vorgang der vorgenannten „sachgerechten Schätzung“ beschäftigt. Eines der Hauptthemen ist das Verhältnis von Umsatz- und Flächenschlüssel zur Ermittlung der nichtabzugsfähigen Vorsteuer.
Anwendungsbereich des Umsatzschlüssels
Grundsätzlich erfolgt die Vorsteueraufteilung nur subsidiär nach dem Umsatzschlüssel des Unternehmers. Vorrangig ist auch nach dem neuen BMF-Schreiben vom 20.10.2022 weiterhin der Flächenschlüssel des Objektes zu verwenden, da dieser regelmäßig die präzisere Aufteilungsmethode gegenüber dem Gesamtumsatzschlüssel darstelle. Infolgedessen kann man die Vorsteuer auf den Treppenhausanstrich nach dem Verhältnis der umsatzsteuerpflichtig vermieteten Flächen zu den vorsteuerabzugsschädlich genutzten Flächen (z.B. Wohnungen) ermitteln. Die gewählte Aufteilungsmethode muss hierfür nicht die präziseste, sondern lediglich eine sachgerechte Methode sein. Die Beweislast für eine präzisere Aufteilung nach dem Umsatzschlüssel obliegt der Finanzverwaltung.
Die Anwendung eines objektbezogenen Umsatzschlüssels hingegen soll nach dem neuen BMF-Schreiben im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 07.05.2014 – V R 1/10, BFH/NV 2014 S. 1177; vom 03.07.2014 – V R 2/10, BFH/NV 2014 S. 1699) per se nicht in Betracht kommen (zu Fotovoltaikanlagen siehe weiter unten). Eine Anwendung soll (nur) dann geboten sein, wenn die Ausstattung (Dicke der Decken/Wände, Innenausstattung) der unterschiedlich genutzten Räume erheblich voneinander abweicht. Das Verhältnis der Umsätze zwischen vorsteuerabzugsschädlich und vorsteuerabzugsunschädlich genutzten Flächen wäre im Eingangsbeispiel dementsprechend nur dann maßgeblich, wenn die Ausstattung zwischen den beiden Flächengruppen erheblich voneinander abweichen würde. Das könnte z.B. dann der Fall sein, wenn die Gewerbeflächen vermieterseitig schlicht und mit einfachen Baumaterialien ausgestattet sind, wohingegen die Wohnungen luxuriös ausgestattet wurden.
Die Berechnung des Flächenschlüssels
Für die Flächenberechnung bei der Verwendung des Flächenschlüssels sollen nach dem neuen BMF-Schreiben alle Grundflächen (z.B. inkl. Keller, Tiefgarage, Lagerräumen) heranzuziehen sein. Statt der Nutzung der Grundflächen soll allerdings eine abweichende Methode zur Flächenberechnung (z.B. nach DIN 277 oder Wohnflächenverordnung) zulässig sein, wenn diese für das gesamte Gebäude einheitlich genutzt wird. Hier muss penibel darauf geachtet werden, dass für alle Mietflächen eines Objektes auch tatsächlich die gleiche Berechnungsmethode genutzt wird.
Tiefgaragen sind in den Flächenschlüssel einzubeziehen
Nach Tz. 16 des BMF-Schreibens sind für die Flächenberechnung beim Flächenschlüssel grundsätzlich die Grundflächen aller Räume anzusetzen, unabhängig davon, ob es sich um Wohn- oder Gewerbeflächen handelt. Der hierzu vorhandene Klammerzusatz nennt ausdrücklich die Tiefgarage als in die Berechnung einzubeziehende Fläche. Außenstellplätze sind hingegen im Einklang mit der Rechtsprechung des BFH nicht einzubeziehen, da diese nicht Teil des Gebäudes sind.
Ausblick
Das neue BMF-Schreiben greift die Abgrenzung des BFH zwischen Flächen- und Umsatzschlüssel auf. Ein Vorrang des Umsatzschlüssels könnte sich z.B. in Bezug auf die Aussagen zur Nutzung von Dachflächen für Fotovoltaikanlagen ergeben. Hier sollen die Dachflächen nach Ansicht der Finanzverwaltung ggf. im Rahmen des Umsatzschlüssels einzubeziehen sein. In einem zweiten Schritt soll sodann der Flächenschlüssel für die vermieteten Flächen des Gebäudes angewendet werden.
Positiv hervorzuheben ist, dass verschiedene Methoden zur Flächenberechnung beim Flächenschlüssel zulässig sind, insofern sie einheitlich verwendet werden. Dies schafft Flexibilität und Anwendungssicherheit. Auch die Klarstellung zur Behandlung von Tiefgaragenflächen ist zu begrüßen, wenngleich die Einbeziehung in der Praxis schon seit Jahren vorgenommen wird.
Es wird sich zeigen, wie die Finanzverwaltung die Grundsätze des neuen BMF-Schreibens in der Praxis anwendet. Spannend ist vor allem, ab welcher Schwelle unterschiedlicher Ausstattung die Finanzverwaltung von einer erheblichen Abweichung und damit dem Vorrang des Umsatzschlüssels ausgehen wird. Die Grundsätze des neuen BMF-Schreibens sind in allen noch offenen Fällen anzuwenden. Vertrauensschutzregelungen wurden nur für bestimmte Fallgruppen aufgenommen.