Die Bundesregierung hat das Bemühen des Bundesrates, die Regeln der Selbstanzeige deutlich zu verschärfen, gestoppt. Der jetzige Entwurf zum Jahressteuergesetz 2010 enthält diesbezüglich keine Änderungsvorschläge mehr. Das ist eine gute Nachricht. Die schlechte Nachricht besteht jedoch darin, dass den Gesetzgeber nach dem Beschluss des BGH aus dem Frühsommer 2010 eine Handlungsnotwendigkeit trifft. Denn der Beschluss des BGH führt zu erheblicher Rechtsunsicherheit, was dem Anspruch an die Klarheit einer Strafrechtsnorm in keinster Weise gerecht wird. Jeder Steuerpflichtige muss wissen, nach welchen Voraussetzungen er Straffreiheit erlangen kann bzw. nach welchen Voraussetzungen ihm diese verwehrt wird.
Das deutsche Steuerrecht gilt als kompliziert. Es ist nach Steuerarten, Besteuerungszeiträumen und –zeitpunkten und Einkunftsarten, aber auch nach Verjährungszeitpunkten zu unterscheiden. Wen wundert es dabei, dass sich die aktuelle Diskussion allein auf die „einfach“ gelagerten Fälle der Einkommensteuerhinterziehung durch das Verschweigen von Auslandskonten konzentriert. Eine solche Konstellation lag im Übrigen auch dem Beschluss des BGH zugrunde.
Leider lassen sich diese steuerlich „einfachen“ Fälle nicht einfach auf komplexe Steuersachverhalte übertragen, wie sich überwiegend im unternehmerischen Bereich zu finden sind. Jedem vernünftig Denkenden ist einsichtig, dass ein Steuerpflichtiger, der das Konto einer Bank weiter verschweigt, weil er hier keine Entdeckung fürchtet, für die Aufdeckung des Kontos bei einer anderen Bank keine Straffreiheit erreichen kann. Er muss „reinen Tisch“ machen, so der BGH.
Wie rein soll aber der Tisch eines Unternehmers werden, der einen Sachverhalt bereinigen will, der bisher bewusst falsch behandelt worden ist. Nach dem Verständnis des BGH muss er sämtliche Sachverhalte, die sich auf die gleiche Steuerart und den gleichen Besteuerungszeitraum beziehen, mit in die Berichtigung aufnehmen, die das Risiko einer steuerstrafrechtlichen Komponente haben. Wäre das noch einfach, müsste er zudem auch Sachverhalte erfassen, die leichtfertig falsch behandelt hat, die er bei gehöriger Anstrengung hätte wissen können.
Der Unternehmer wird resignieren und lieber auf die Berichtigung verzichten, weil er nicht Gefahr laufen will, durch später folgende Berichtigungen dem Vorwurf ausgesetzt zu werden, die erste Berichtigung bewusst unvollständig abgegeben zu haben. Denn er wird nicht beweisen können, dass er bezüglich der weiteren Sachverhalte gutgläubig war. Der Gesetzgeber darf die Unternehmer hier nicht alleine lassen. Er ist aufgefordert, eine Regelung zu schaffen, die es jedem Steuerpflichtigen ermöglicht, Fehler zu korrigieren ohne sich diesem geschilderten Risiko auszusetzen. Sonst läuft er Gefahr, das der eigentliche Sinn der Selbstanzeigeregelung, verborgenes Steuersubstrat der Besteuerung wieder zuzuführen, verloren geht.
Bei den Überlegungen sollte er sich nicht von der Diktion des BGH leiten lassen, dass die bisherige Fassung der Regelung zu Hinterziehungsstrategien einlädt. Wer Erfahrung mit der Beratung in diesen Fällen hat, kann berichten, dass die überwiegende Zahl der Ratsuchenden schon immer „reinen Tisch“ gemacht haben.
Schließlich wäre es ein Fehler, die Selbstanzeige gänzlich abzuschaffen, wie es Teile der Politik fordern. Das Institut der Selbstanzeige ist der Besonderheit geschuldet, dass jemand, der einmal damit angefangen hat, Steuern zu hinterziehen, damit nicht einfach wieder aufhören kann, ohne sich dem Risiko der Entdeckung auszusetzen. Hier unterscheidet sich der Steuerhinterzieher von jedem anderen, der sich einer allgemeinen Straftat schuldig macht. Letzterer kann jederzeit sein Verhalten einstellen, ohne Gefahr zu laufen, dadurch entdeckt zu werden. Der Gesetzgeber ist aufgefordert, das sog. Selbstbezichtigungsverbot, dass in Deutschland Verfassungsrang genießt, in seine Überlegungen mit einzubeziehen.