Neben der Frage nach der Fortführung etwaig bestehender Gewinnabführungsverträge ist in Umwandlungsfällen für Zwecke der rückwirkenden Begründung von Organschaftsverhältnissen insbesondere das Vorliegen einer finanziellen Eingliederung der (potentiellen) Organgesellschaft zu Beginn ihres Wirtschaftsjahres in den übernehmenden Rechtsträger relevant. Finanzielle Eingliederung liegt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 S. 1 KStG vor, sofern der Organträger an der Organgesellschaft vom Beginn ihres Wirtschaftsjahres kraft seiner Beteiligung mit ununterbrochener Stimmrechtsmehrheit beteiligt ist. Umstritten ist, ob die in den §§ 2 Abs. 1, 20 Abs. 7, 8 UmwStG 1995 bzw. nunmehr in den §§ 2 Abs. 1, 20 Abs. 5, 6 UmwStG geregelten Rückwirkungsfiktionen eine auf den steuerlichen Übertragungsstichtag zurückreichende finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft in den übernehmenden Rechtsträger begründen können. Nach Ansicht der Finanzverwaltung und Teilen der finanzgerichtlichen Rechtsprechung handelt es sich bei der finanziellen Eingliederung um eine Voraussetzung tatsächlicher Art, die dementsprechend rückbeziehungsfeindlich ist. Nach ganz herrschender Auffassung im Schrifttum stellt sich die finanzielle Eingliederung indes als Tatbestandsmerkmal rechtlicher Natur dar und wird hiernach von den umwandlungssteuerlichen Rückwirkungsfiktionen erfasst.
In zwei Urteilen vom 28. 7. 2010 (I R 89/09, DB 2010 S. 2373; I R 111/09, BFH/NV 2011 S. 67) hat der BFH nunmehr für Fälle der unterjährigen Anteilseinbringung mit steuerlichem Rückbezug auf den 31.12. des vorangehenden Jahres (Rechtslage vor SEStEG), eine finanzielle Eingliederung der erworbenen Gesellschaft (Gesellschaft, an der die eingebrachten Anteile bestehen) in die übernehmende Gesellschaft zu Beginn des Wirtschaftsjahres der potentiellen Organgesellschaft bejaht.
Der I. Senat widerspricht damit der Finanzverwaltung, die bislang insb. mit Verfügung vom 21. 11. 2005 (OFD Frankfurt) die Möglichkeit der rückwirkenden Begründung einer körperschaftsteuerlichen Organschaft nach Einbringung einer Mehrheitsbeteiligung verneinte. Auf die Frage einer rechtlichen oder tatsächlichen Qualifikation der finanziellen Eingliederung und damit einer etwaigen Subsumtion der Eingliederungsvoraussetzung unter die steuerlichen Rückwirkungsfiktionen kommt es dabei nach Auffassung des BFH nicht an, so dass dieser die oben angesprochene Qualifikationsfrage in beiden Entscheidungen offen lassen konnte.
Rechtsgrundlage für das Bestehen einer finanziellen Eingliederung der erworbenen Gesellschaft zu Beginn ihres Wirtschaftsjahres in die Übernehmerin soll vielmehr § 12 Abs. 3 Satz 1 i.V. mit § 22 Abs. 1 und § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 1995 sein, wonach die übernehmende Kapitalgesellschaft in die steuerliche Rechtsstellung des einbringenden Rechtsträgers eintritt. Eine vor Eigentumsübergang an den Anteilen tatsächlich im Verhältnis zum Einbringenden bestehende finanzielle Eingliederung der erworbenen Gesellschaft wird über die Rechtsnachfolge (sog. Fußstapfentheorie) der übernehmenden Gesellschaft zugerechnet. Dass die finanzielle Eingliederung im Verhältnis zwischen übernehmender Gesellschaft und erworbener Gesellschaft bei unterjähriger Anteilseinbringung tatsächlich erst im Verlaufe des Wirtschaftsjahres der potentiellen Organgesellschaft begründet wird, hat in Folge der Fußstapfentheorie unbeachtlich zu bleiben.
Aus der Entscheidung I R 89/09 wird zudem deutlich, dass eine der übernehmenden Kapitalgesellschaft zuzurechnende finanzielle Eingliederung auch dann gegeben ist, wenn zunächst keine kapitalmäßige Beteiligung des übertragenden Rechtsträgers an der (potentiellen) Organgesellschaft besteht, sondern Letztgenannte erst durch Abspaltung, Einbringung oder Ausgliederung eines Teilbetriebs zur Neugründung geschaffen wird. Eine in Form eines unselbständigen Teilbetriebs bestehende (faktische) finanzielle Eingliederung in den einbringenden Rechtsträger kann der Übernehmerin daher über die steuerliche Rechtsnachfolge ebenfalls zugerechnet werden.
Auch unter der umwandlungssteuerlichen Rechtslage nach SEStEG sollte – trotz nunmehr fehlender Rückwirkungsfiktion für den Anteilstausch (§ 21 UmwStG) – die Rechtsprechung des BFH Gültigkeit besitzen. Denn zumindest für die Fälle des Buch- und Zwischenwertansatzes (Einzelrechtsnachfolge) wird für Zwecke des Anteilstausches durch § 23 Abs. 1 UmwStG der Eintritt der Übernehmerin in die steuerliche Rechtsstellung des einbringenden Rechtsträgers kodifiziert. Mit Spannung darf erwartet werden wie die Finanzverwaltung im neuen UmwSt-Erlass auf die jüngste BFH-Rechtsprechung reagiert.