Flankierend zu den Grundzügen der umsatzsteuerlichen Organschaft hatte ich Ihnen in der letzten Woche die jüngere Rechtsprechung des BFH zur finanziellen und organisatorischen Eingliederung vorgestellt. Die Judikatur hat ebenfalls zu den Anforderungen der wirtschaftlichen Eingliederung Stellung bezogen.
Das Merkmal der wirtschaftlichen Eingliederung wird gleichfalls nicht trennscharf durch die Rechtsprechung definiert. Es muss zwischen den Unternehmensbereichen von Organträger und Organgesellschaft ein vernünftiger wirtschaftlicher Zusammenhang im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit, Kooperation oder Verflechtung – auch in verschiedenen Wirtschaftszweigen – bestehen. Diesen Anforderungen genügt bereits eine fördernde und ergänzende Leistung des Organträgers gegen Entgelt, die für die Unternehmenstätigkeit der Organgesellschaft von mehr als nur unwesentlicher Bedeutung ist. Schwierigkeiten bereitet u.a. die Grenzziehung zwischen wesentlich und unwesentlicher Bedeutung. Unter Berücksichtigung des konkreten Sachverhaltes hat die Judikatur administrativen oder kaufmännischen Leistungen des Organträgers eine unwesentliche Bedeutung zugesprochen und die wirtschaftliche Eingliederung verneint. Dagegen kann die Vermietung eines Betriebsgrundstücks von wesentlicher Bedeutung sein, wenn es für die Geschäftstätigkeit der Organgesellschaft die räumliche und funktionelle Grundlage bildet.
Die geschilderte Rechtsunsicherheit könnte durch einen Blick über die Grenzen relativ einfach beseitigt werden: Nach dem Vorbild anderer EU-Mitgliedstaaten könnte Deutschland die umsatzsteuerliche Organschaft als Wahlrecht ausgestalten. Der Wortlaut des Art. 11 Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie steht dem nicht entgegen; er verlangt lediglich eine Konsultation des Beratenden Ausschusses für Mehrwertsteuer. Alternativ wäre die Normierung eines zeitnahen Feststellungsverfahrens – hinsichtlich des Vorliegens der umsatzsteuerlichen Organschaft – denkbar. Diese Lösungen entlasten Finanzverwaltung und Rechtsprechung. Ferner verschaffen sie den Steuerpflichtigen die gewünschte Planungssicherheit.
So hilfreich derartige Gesetzesänderungen auch wären, so verwunderlich ist dieses Ergebnis auch: Um unnötigen administrativen Aufwand und Liquiditätsnachteile zu vermeiden wurde das Rechtsinstitut der umsatzsteuerlichen Organschaft geschaffen. Das Vorliegen oder Nichtvorliegen der Organschaft ist infolge der Rechtssprünge der Rechtsprechung in der Praxis allerdings so ungewiss, dass es für die Steuerpflichtigen vielfach günstiger wäre, wenn sie auf die umsatzsteuerliche Organschaft freiwillig verzichten könnten. Im Steuerrecht muss der Steuerbürger manchmal schon sehr um die Ecke denken: Um Planungssicherheit zu erreichen, würden viele Unternehmen lieber auf die „Segnungen“ der umsatzsteuerlichen Organschaft verzichten.
Steuersystematisch überzeugender, aber kurzfristig kaum erreichbar wäre ein Verzicht auf die problematischen Merkmale der organisatorischen und wirtschaftlichen Eingliederung. Das setzt aber eine Änderung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie voraus und geht nur mit Zustimmung der anderen EU-Staaten. Bis zu einer solchen großen Lösung könnte der nationale Gesetzgeber der Praxis durch Einführung eines Wahlrechtes das Leben erheblich erleichtern.