Es war einmal ein nahezu idealer Holdingstandort, der hieß Deutschland – zumindest in der Theorie. Die Geschichte beginnt mit dem Standortsicherungsgesetz vom 18. 9. 1993 und dem darin erklärten Willen, den Holdingstandort Deutschland im gerade beginnenden europäischen Steuerwettbewerb nach vorne zu bringen. Der EU-weite Verzicht auf die Erhebung von Quellensteuern im zwischengesellschaftlichen Verhältnis und die Möglichkeit, Beteiligungen steuerneutral im Wege des Anteilstauschs in andere EU-Staaten zu transferieren, hatte zum 1. 1. 1992 alle bis dahin bestehenden Schutzwälle gegenüber Holdinggesellschaften niedergerissen und den Wettbewerb um den günstigsten Holdingstandort eröffnet. Bis dahin gab es als ernstzunehmenden Holdingstandort eigentlich nur die Niederlande, die bereits 1893 eine bis heute im Kern unveränderte Steuerbefreiung für Beteiligungserträge von Tochtergesellschaften eingeführt haben. Diese lange Tradition, zusammen mit einem Steuergesetzgeber und einer Finanzverwaltung, die ein offenes Ohr für die Belange der heimischen Wirtschaft haben, haben in den Niederlanden ein Steuerklima geschaffen, das schwer zu toppen ist. Kapital ist bekanntlich scheuer als ein Reh, und es genügt daher schon das leiseste Gerücht, um eine gigantische Wanderungsbewegung auszulösen.
Vermeidung von Doppelbelastungen
Es hat daher nicht viel genützt, dass der Deutsche Gesetzgeber mit der Unternehmenssteuerreform 2000/2001 nahezu ideale Steuerregelungen für die Ansiedlung von Holdinggesellschaften geschaffen hat. Die Doppelbelastung von Gewinn und Gewinnausschüttung wurde ebenso vollständig vermieden wie die Doppelbelastung von Gewinn und Veräußerungsgewinn; der Aufwand war weitgehend abzugsfähig und die Regelungen für die Gesellschafter-Fremdfinanzierung moderat. Defizite, die in dieser Form auch heute noch bestehen, gab es insbesondere hinsichtlich der Nichtanerkennung von Teilwertabschreibungen, der Nichtabzugsfähigkeit von Veräußerungsverlusten und der rein national begrenzten Organschaft. Da diese Aspekte nur im Einzelfall großes Gewicht erlangen, war Deutschland in sehr vielen Fällen ein idealer Holdingstandort.
Dass daraus nicht mehr, sondern weniger geworden ist, liegt zum einen daran, dass zu oft und zu laut darüber nachgedacht wurde, die Steuerbefreiung von Veräußerungsgewinnen wieder abzuschaffen, was einer dringenden Aufforderung zum Verlassen des Holdingstandorts Deutschland gleichkommt und der Tatsache, dass die vollständige Steuerbefreiung der Beteiligungserträge bald um 5% auf faktisch 95% reduziert wurde. Hinzu kommt eine massive Benachteiligung von Holdinggesellschaften im Rahmen der Regelung zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung bzw. der Zinsschranke sowie neuerdings auch ein Abzugsverbot für Gewinnminderungen aus Gesellschafter-Darlehen. Spätestens damit wurde die Schmerzgrenze für die Errichtung von Holdinggesellschaften in Deutschland überschritten.
Neues Gruppenbesteuerungsregime
Nach dem im Koalitionsvertrag erklärten Willen der Bundesregierung soll der Holdingstandort Deutschland gestärkt werden durch eine Neustrukturierung der Regelungen zur Verlustverrechnung, der grenzüberschreitenden Besteuerung von Unternehmenserträgen, sowie der Einführung eines modernen Gruppenbesteuerungssystems anstelle der bisherigen Organschaft. Das sind wichtige Ziele und es bleibt nur zu wünschen, dass die Bundesregierung über ein gutes Navigationssystem verfügt und den richtigen Weg einschlägt!