BMF äußert sich zur Anwendung der DBA auf Personengesellschaften

RA StB Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer, Vors. Richter am BFH a.D.

Unter dem Datum vom 16. 4. 2010 hat das BMF ein Schreiben über die Anwendung der DBA auf Personengesellschaften erlassen. Ein erster Entwurf dieses Schreibens wurde bereits am 10. 5. 2007 im Internet eingestellt. Die lange Bearbeitungsdauer wurde damit erklärt, dass der Ausgang einer Reihe von Verfahren vor dem BFH abgewartet werden sollte. Die jetzt veröffentlichte Fassung lässt aber nicht erkennen, dass sich die Finanzverwaltung von irgendeinem BFH-Urteil hätte beeinflussen lassen. Im Gegenteil: In dem Schreiben werden offensichtlich fehlerhafte Auffassungen vertreten. Zweifelsfragen werden nicht richtig angepackt. Für den Praktiker ist das Schreiben eine einzige Enttäuschung.

Unternehmensgewinne kraft Fiktion?

Beispielhaft sei auf Tz. 2.2.1 des Schreibens verwiesen. Dort wird die Auffassung vertreten, dass der abkommensrechtliche Begriff „Gewinne eines Unternehmens“ von deutschen Finanzbehörden nach deutschem innerstaatlichem Steuerrecht auszulegen sei. Er umfasse auch gewerbliche Einkünfte i. S. des § 15 Abs. 3 Nr. 1 und 2 EStG. Mit keinem Wort wird darauf eingegangen, dass der BFH in ständiger Rechtsprechung anders entscheidet. Es wird nicht einmal der Versuch unternommen, sich mit der im Schrifttum fast ausnahmslos vertretenen anderen Auffassung auseinander zu setzen.

Widerspruch zur bisherigen Verwaltungspraxis

Vor allem widerspricht die Tz. 2.2.1 auch der bisher zu § 34c EStG (Anrechnung ausländischer Steuern) allgemein geübten Verwaltungspraxis. Dazu stelle man sich eine inländische OHG vor, deren Mitunternehmer ausnahmslos im Inland unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Personen sind und die nur über Betriebsstätten im Inland verfügt. Die OHG soll an einer Kapitalgesellschaft in einem ausländischen DBA-Staat zu 100 v.H. beteiligt sein. Sie erhält von dieser Kapitalgesellschaft eine Dividende, die mit 15 v.H. ausländischer Quellensteuer belastet ist.

Es stellt sich die Frage, ob die Mitunternehmer die ausländische Quellensteuer anteilig anrechnen können. Dies setzt ausländische Einkünfte voraus. Diese Voraussetzung wäre nicht erfüllt, wenn Tz. 2.2.1 dahin zu verstehen sein sollte, dass alle Einkünfte der OHG „nur“ als (hier: inländischer) Unternehmensgewinn zu behandeln sind. Bisher war es selbstverständlich, dass § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nicht daran hindert, die von der OHG erzielte Dividende als eine solche zu behandeln, die auch aus dem anderen Vertragsstaat stammt. Es handelt sich also „auch“ um ausländische Dividendeneinkünfte, was die Anrechnung der ausländischen Quellensteuer ermöglicht.

Für den spiegelbildlichen Fall einer ausländischen Personengesellschaft vertritt das BMF in Tz. 2.2.4.1 des Schreibens genau die gegenteilige Auffassung. Hier soll die Dividende, die die ausländische Personengesellschaft erzielt, nicht dieser, sondern gemäß Art. 10 Abs. 1 OECD-MA dem inländischen Mitunternehmer der Personengesellschaft als dessen „Dividenden“-einkünfte zuzurechnen sein. Dies entspricht zwar der BFH-Rechtsprechung, zeigt aber auch, dass die Auffassung der Finanzverwaltung stark von eigenen fiskalischen Interessen abhängig ist.

Zweifelhafte Abkommensberechtigung ausländischer Personengesellschaften

Als ein anderes Beispiel sei auf Tz. 2.1.2 des BMF-Schreibens verwiesen. Hier geht es um ausländische Personengesellschaften, die im Ausland wie Körperschaften besteuert werden, die Deutschland jedoch als Mitunternehmerschaft qualifiziert. Ist eine solche ausländische Personengesellschaft an einer inländischen GmbH beteiligt und erhält sie von dieser eine Dividende, so räumt das BMF ihr das Recht ein, selbst einen Antrag auf Entlastung von der deutschen Kapitalertragsteuer zu stellen. Ob die Personengesellschaft deshalb den Quellensteuersatz für Kapitalgesellschaften beanspruchen kann, bleibt ungeregelt.

Vor allem aber unterbleibt der Hinweis, dass eine Klage, die die ausländische Personengesellschaft vor einem deutschen Finanzgericht erhebt, mit hoher Wahrscheinlichkeit als unzulässig abgewiesen wird. Die ausländische Personengesellschaft kann nämlich nicht geltend machen, in eigenen Rechten verletzt zu sein. Das Recht, in Deutschland Vorteile aus einem DBA in Anspruch nehmen zu können, kann nur einer in Deutschland steuerpflichtigen Person zustehen. Unter der Abkommensberechtigung ist nämlich das Recht zu verstehen, die in einem DBA geregelten Steuerbefreiungen und Steuerermäßigungen in Anspruch nehmen zu dürfen. Entsprechende Steuerbefreiungen und Steuerermäßigungen kommen aber nur für eine Person in Betracht, die in dem Vertragsstaat, um dessen Steuererhebung es geht, persönlich unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtig ist und der die maßgeblichen Einkünfte als Steuersubjekt zuzurechnen sind. Besteuert deshalb Deutschland die ausländische Personengesellschaft transparent, d. h. setzt Deutschland die Steuerpflicht bei den Mitunternehmern an, so ist die Personengesellschaft selbst in Deutschland nicht steuerpflichtig und damit auch nicht abkommensberechtigt.

Auseinandersetzungen vorprogrammiert

Es ließe sich noch eine Latte weiterer Beispiele anführen. Insgesamt kann man nur konstatieren, dass das BMF-Schreiben extrem oberflächlich ist; die Probleme werden nicht in ihrer Differenziertheit erkannt. Die Auseinandersetzungen zwischen Finanzverwaltung und Steuerpflichtigen, ihren Beratern und der Rechtsprechung sind gewissermaßen vorprogrammiert. Das Schreiben lässt an keiner Stelle die Bereitschaft der Finanzverwaltung erkennen, sich im Interesse an einer sachlich vernünftigen Lösung bewegen zu wollen.

RA StB Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer, Vors. Richter am BFH a.D.

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