Mit Urteil vom 10. 11. 2010 – XI R 25/08, hat der BFH entschieden, dass im konkreten Fall die Feststellungsklage durch eine umsatzsteuerliche Organgesellschaft unzulässig war. Damit schränkt der BFH den Anwendungsbereich seiner eigenen Rechtsprechung ein und überträgt möglicherweise dem Zivilgericht die Feststellung, ob ein umsatzsteuerlicher Sachverhalt schwierig zu beurteilen ist oder nicht.
In der Sache ging es darum, ob die durch eine Y-GmbH im Auftrag der Z-GmbH gegenüber der Klägerin ohne Umsatzsteuer abgerechneten Entwässerungsleistungen steuerpflichtig oder der Stadtgemeinde zuzurechnen und damit hoheitlich waren. Die Klägerin war der Ansicht, dass die von ihr geleisteten Zahlungen für Abwasserentsorgungsleistungen Entgelte für umsatzsteuerpflichtige Leistungen der Z-GmbH und nicht der hoheitlichen Stadtgemeinde A seien.
Es geht bei solchen Streitigkeiten immer um die Frage, ob der Leistende dem Leistungsempfänger eine Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis erteilen muss oder nicht. Nach früher allgemeiner und soweit ersichtlich bis heute nicht bestrittener Auffassung ist die Verpflichtung zur Erteilung einer Rechnung eine Nebenpflicht aus dem Vertrag und deswegen auch vor den Zivilgerichten geltend zu machen (BGH-Urteile vom 10. 11. 1988 – VII ZR 137/87, DB 1989 S. 721 und vom 24. 2. 1988 – VIII ZR 64/87, BGHZ 103 S. 284). Das Interesse des Leistungsempfängers an einer solchen Rechnung ergebe sich aus § 15 Abs. 1 UStG, „also aus einer abgabenrechtlichen Gestaltung des Steuerschuldverhältnisses des Leistungsempfängers“ (BFH-Urteil vom 10. 7. 1997 – V R 94/96, BStBl. II 1997 S. 707 = DB 1997 S. 2106). Es hat auf diese Sichtweise wohl keinen Einfluss, dass seit dem 1. 1. 2009 die Verpflichtung zur Rechnungserteilung in § 14 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 UStG normiert ist.
In den genannten Entscheidungen hat der BGH allerdings entschieden, der Leistungsempfänger könne bei zweifelhafter Steuerrechtslage (unter anderem dazu, ob ein steuerbarer und steuerpflichtiger Umsatz vorliegt) die Erteilung einer Rechnung mit gesondert ausgewiesener Steuer nur verlangen, wenn die zuständige Finanzbehörde den Vorgang bestandskräftig der Umsatzsteuer unterworfen habe. Anderenfalls würde man dem Leistenden das Risiko aufbürden, Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 3 bzw. Abs. 2 UStG 1993 zu schulden. Seinerzeit war unberechtigt ausgewiesene Steuer – § 14 Abs. 3 UStG 1993 – nur unter sehr engen Voraussetzungen korrigierbar.
Das führte dazu, dass die zivilrechtliche Klage auf Rechnungserteilung als „derzeit unbegründet“ abgewiesen wurde. Die Frage, ob im Zweifelsfall ein steuerbarer und steuerpflichtiger Umsatz vorlag, war aber zwischen dem Leistenden und dem für ihn zuständigen Finanzamt zu klären, der Leistungsempfänger war in dieses Verfahren nicht eingebunden. Dieser konnte diese Frage aber auch nicht durch sein Finanzamt dadurch beantworten lassen, dass der den Vorsteuerabzug geltend machte, denn er hatte ja keine Rechnung.
Diesen gordischen Knoten löste der BFH mit seiner Entscheidung vom 10. 7. 1997 (V R 94/96, BStBl. II 1997 S. 707 = DB 1997 S. 2106), in welcher er eine Feststellungsklage des Leistungsempfängers zuließ. Das Finanzgericht habe, so damals der BFH, zutreffend eine rechtskräftige Entscheidung im Finanzrechtsstreit der vom BGH geforderten bestandskräftigen Umsatzsteuer-Veranlagung gleichgesetzt. Der Leistungsempfänger wolle nicht lediglich eine Feststellung in einem „fremden“ Steuerrechtsverhältnis erreichen, welches ihn nicht betreffe (das zwischen Leistendem und Finanzamt), sondern sein Feststellungsinteresse bestehe im Verhältnis zwischen ihm und dem Finanzamt.
In dem Besprechungsurteil entschied der XI. Senat des BFH, die Klägerin habe schon deswegen kein eigenes abgabenrechtliches Interesse, weil sie als Organgesellschaft ohnehin nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sei.
Ob der Organträger in diesem Sachverhalt eine zulässige Feststellungsklage vor dem Finanzgericht hätte erheben können, spricht der Senat nicht an, wahrscheinlich aber nicht Der Senat führt nämlich weiter aus, die Klägerin (Organgesellschaft) könnte ja die Z-GmbH (Auftraggeberin der Y-GmbH) auf Rechnungserteilung verklagen. Einer solchen Klage „stünde nicht das Hindernis einer zweifelhaften steuerrechtlichen Vorfrage entgegen“, „[d]enn die Steuerbarkeit und Steuerpflicht der Abwasserbeseitigungsleistungen stünde fest, wenn die Beigeladene zu 2 und nicht die Beigeladene zu 1 gegenüber der Klägerin als Leistende anzusehen wäre. Wer als Leistender anzusehen ist, ergibt sich nach der ständigen Rechtsprechung des BFH regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 28. 2. 2002 – V R 19/01, BStBl. II 2003 S. 950 = DB 2002 S. 1305). Die Klärung dieser Rechtsfrage betrifft die zivilrechtliche Rechtslage“.
Es ist sicher richtig, dass die Zivilgerichte die Vereinbarungen würdigen und damit für Umsatzsteuerzwecke auch den Leistenden bestimmen können und müssen. Die umsatzsteuerliche Beurteilung ist aber selten so zweifelsfrei, wie der XI. Senat dies offenbar für Abwasserbeseitigungsleistungen annimmt, denn warum sollte der Leistende die Erteilung einer Rechnung mit Steuerausweis verweigern, wenn die Steuerpflicht der Leistung so evident ist?