Abfindungsklauseln: Überprüfungsbedarf nach der Erbschaftsteuerreform!

RA FAStR Dr. Andreas Richter LL.M., Partner bei Pöllath+Partners, Berlin

Verschiedene Anlässe können zum Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Gesellschaft führen (Kündigung, Tod, Anteilsentziehung). Rechtsfolge der Beendigung der Mitgliedschaft des Gesellschafters ist, dass er zwar sämtliche Rechte und Pflichten aus seiner Gesellschafterstellung verliert, als Ausgleich dafür aber einen Abfindungsanspruch gegen die Gesellschaft erhält. Während die gesetzliche Grundregel (§ 738 Abs. 1 BGB) normiert, dass sich die Höhe des Abfindungsanspruchs an der Höhe des vollen wirtschaftlichen Werts des Gesellschaftsanteils (Verkehrswert) orientiert, können die Gesellschafter von Personen- oder Kapitalgesellschaften als Ausfluss der grundsätzlich bestehenden Vertragsfreiheit auch eigene Regelungen für die Höhe der Abfindung des ausscheidenden Gesellschafters fixieren.

In der Praxis sehen Gesellschaftsverträge deshalb regelmäßig Abfindungsbeschränkungen in Form von Buchwert- oder Minderwertabfindungsklauseln für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters vor. Ziel solcher Regelungen ist es, einen übermäßigen Liquiditätsabfluss im Interesse des Gesellschaftfortbestandes zu verhindern, Rechtssicherheit hinsichtlich der Berechnung der Abfindung zu gewährleisten und das Ausscheiden von Gesellschaftern im Interesse der Erreichung des Gesellschaftszwecks als unattraktiv zu gestalten.

Haben sich Abfindungsbeschränkungen in der Vergangenheit als wirksame Mittel zur Erreichung dieser Ziele erwiesen, müssen sie nunmehr, weniger aus gesellschaftsrechtlichen, als vielmehr aus erbschaft- und schenkungsteuerlichen Erwägungen, auf ihre Tauglichkeit hin überprüft werden. Grundsätzlich sollten sich die Gesellschafter der Tatsache bewusst sein, dass ihr Streben nach Existenz- und Liquiditätssicherung der Gesellschaft und dessen Gewährleistung über Minderwertabfindungsklauseln seit der Erbschaftsteuerreform zum 1. 1. 2009 mit erbschaft- und schenkungsteuerlichen Belastungen konkurriert. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass Abfindungsbeschränkungen bei den verbleibenden Gesellschaftern zu einer vermögensmäßigen Bereicherung in Höhe der Differenz zwischen Abfindungsanspruch und Verkehrswert führen.

Zwar wurde diese Bereicherung bereits nach altem Recht erbschaft- bzw. schenkungsteuerlich erfasst, doch beschränkte sie sich auf die Differenz zwischen Abfindungsanspruch und Steuerwert. Da diese aber in aller Regel identisch waren, kam diese Regelung kaum zur Anwendung und führte ein Schattendasein. Infolge der Erbschaftsteuerreform ist jedoch bekanntlich eine verkehrswertorientierte Bewertung von Gesellschaftsanteilen anzustellen (§ 11 Abs. 2 BewG bzw. § 109 Abs. 2 BewG), so dass der Steuerwert nunmehr dem Verkehrswert entspricht und den vertraglichen Abfindungsanspruch häufig übersteigt. Insofern führt grundsätzlich jede Abfindungsbeschränkung zu einem steuerpflichtigen Vermögenszuwachs (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 bzw. § 7 Abs. 7 ErbStG), dessen Besteuerung  die Liquidität einer Gesellschaft unter Umständen empfindlich beeinträchtigen kann.

Neben diesen erbschaft- und schenkungsteuerlichen Gefahrenquellen, stellen sich insbesondere bei Gesellschaftsverträgen von Kapitalgesellschaften, die zur Bewertung des Gesellschaftsanteils des ausscheidenden Gesellschafters noch auf das bereits durch die Erbschaftsteuerreform überholte und durch das „vereinfachte Ertragswertverfahren“ ersetzte sog. „Stuttgarter Verfahren“ oder nur auf das jeweils „geltende steuerliche Bewertungsverfahren zur Ermittlung des gemeinen Werts“ verweisen, schwierige Auslegungsfragen. Ob und in welcher Ausprägung soll das „alte“ Stuttgarter Verfahren weiterhin Geltung beanspruchen? Handelt es sich insgesamt um eine dynamischen Verweis und soll nun als Surrogat das neue vereinfachte Ertragswertverfahren Anwendung finden? Soll die Klausel überhaupt noch Gültigkeit beanspruchen?

Eine allgemeingültige Antwort auf diese exemplarischen Fragen kann wohl nicht gefunden werden, vielmehr ist eine Auslegung der Klauseln nach den Umständen des Einzelfalls anhand der üblichen Auslegungsmethoden vorzunehmen. Führt die Auslegung jedenfalls zur Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens, kommt es regelmäßig zu Überbewertungen, so dass sich ein Ausstieg aus der Gesellschaft für den einzelnen Gesellschafter als durchaus attraktiv darstellen könnte und das eigentliche Ziel des Gesellschaftfortbestandes konterkariert werden würde.

Um vor diesem Hintergrund die Liquidität und den Fortbestand der Gesellschaft zu gewährleisten, sollten die Abfindungsklauseln in bestehenden Verträgen auf  Rechtsklarheit, Zweckmäßigkeit und Vereinbarkeit mit dem geltenden Recht untersucht werden. Selbstverständlich dürfen hierbei die erbschaft- und schenkungssteuerlichen Risiken nicht außer Acht gelassen werden. Wenig sinnvoll erscheint es aber, zur Vermeidung von erbschaft- oder schenkungssteuerlichen Belastungen die Abfindungswerte auf den Verkehrswert anzuheben. Zwar würden die verbleibenden Gesellschafter dann nicht mit Erbschaft- bzw. Schenkungsteuern belastet, müssten jedoch einen dem Verkehrswert entsprechenden und damit einen betragsmäßig zwangsläufig höheren Abfindungsanspruch des ausscheidenden Gesellschafters erfüllen.

Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang auch, dass eine etwaige Steuerentstehung bei den verbleibenden Gesellschaftern durch Inanspruchnahme der im Erbschaftsteuerrecht vorgesehenen Betriebsvermögensbegünstigung bei entsprechender Vermögens- bzw. Beteiligungsstruktur im Idealfall vollständig vermieden werden kann. Sollten die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Betriebsvermögensbegünstigung erfüllt sein, müssen bestehende Buchwert- bzw. Minderwertabfindungsklauseln meines Erachtens nicht auf den Verkehrswert angehoben werden. Unausweichlich ist demgegenüber, dass auslegungsbedürftige Klauseln dringend eine Klarstellung hinsichtlich des anzuwendenden Bewertungsverfahrens erfahren, um Auslegungsprobleme und damit potenzielle Streitfälle zu vermeiden.

Kommentare sind geschlossen.