Mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz vom 22. 12. 2009 (BGBl. I S. 3950) wurde § 6a in das Grunderwerbsteuergesetz eingefügt, der Steuervergünstigungen bei Umstrukturierungen im Konzern nach nationalem oder dem Recht eines EU/EWR-Mitgliedsstaates vorsieht. Ausweislich der Gesetzbegründung wollte der Gesetzgeber schnell und effektiv Wachstumshemmnisse beseitigen, um krisenfeste, planungssichere und mittelstandsfreundliche Bedingungen für Umstrukturierungen im Unternehmensverbund zu schaffen. Dieses Ziel ist noch nicht erreicht, denn in der Praxis erwies sich, dass § 6a GrEStG – wie viele Reformvorschriften – eine Reihe von auslegungsbedürftigen Begriffen enthält, die einer rechtssicheren Umsetzung der Vergünstigung im Wege stehen.
Die Obersten Finanzbehörden der Länder hatten daher mit einem koordinierten Erlass vom 1. 12. 2010 (BStBl. I S. 1321, DB0395587) zu Zweifelsfragen bei der Anwendung Stellung genommen. Dieser Erlass wird allgemein als Versuch der Finanzverwaltung gewertet, den Anwendungsbereich des § 6a GrEStG eng zu ziehen. Fest steht bereits jetzt, dass das gesetzgeberische Ziel der Schaffung von Planungssicherheit und Flexibilität verfehlt wird, denn einige wesentliche Fragestellungen wie z. B. der Begriff des herrschenden Unternehmens, der Interpretation des 5-Jahreszeitraums und die Reichweite der Nichterhebung der Grunderwerbsteuer wurden nicht hinreichend gelöst.
Hervorzuheben ist die Fragestellung, was unter „herrschendem Unternehmen“ im Sinne der Vorschrift zu verstehen ist. Hieran bestimmt sich zugleich, was überhaupt unter einem begünstigten Konzernverbund zu verstehen ist. Bei diesem Tatbestandsmerkmal hat die Finanzverwaltung das Bestehen großer Unklarheiten bereits eingeräumt. Sie hat zugleich bestätigt, dass derzeit Beratungen innerhalb der Finanzverwaltung zu diesem Thema stattfinden.
Für Grunderwerbsteuerzwecke definiert § 6a einen eigenen Unternehmensverbund. Dieser setzt immer ein herrschendes und ein oder mehrere von diesem abhängige Unternehmen voraus. Die Eingangsfrage ist bereits, was überhaupt ein „Unternehmen“ ist. Der Erlass schreibt hierzu vor, dass das herrschende Unternehmen selbst Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinne ist. Zwar gibt es nachvollziehbare Gründe für eine derartige Auslegung, die Finanzverwaltung verkennt jedoch, dass das Umsatzsteuerrecht und insbesondere dessen europarechtliche Einflüsse und Dynamik nicht in jeder Hinsicht für das Grunderwerbsteuerrecht geeignet sind. Unbeantwortet bleibt z. B. die Frage, wie bei teilweiser unternehmerischer Tätigkeit zu verfahren ist. Das die Finanzverwaltung reine Holdinggesellschaften im Erlass von der Begünstigung ausnimmt, ist insofern zwar konsequent, aber im Hinblick auf das gesetzgeberische Ziel nicht einleuchtend. Unklar ist ferner, was gelten soll, wenn die umsatzsteuerliche Unternehmereigenschaft während der Vor- und Nachbehaltefristen wegfällt. Mehr spricht also dafür, den Unternehmensbegriff in Analogie zum zivilrechtlichen Konzernbegriff weit auszulegen.
Für die praktische Anwendung wesentlich, aber unverständlicherweise immer noch unklar ist, wer innerhalb eines mehrstöckigen Konzerns herrschendes Unternehmen ist: die oberste Konzernmutter oder der jeweils zu mindestens 95% beteiligte Gesellschafter der an der Umstrukturierung beteiligten abhängigen Gesellschaft. Vertreter der Finanzverwaltung haben bestätigt, dass der Erlass davon ausgeht, dass bei mehreren herrschenden Unternehmen jeweils die Konzernspitze maßgebend ist. Das hierdurch im Ergebnis bei Umstrukturierungen in mehrstufigen Konzernen die Steuerbegünstigung allein davon abhängen soll, ob die Konzernspitze umsatzsteuerlicher Unternehmer ist und die Vor- und Nachbehaltensfristen erfüllt, kann nicht gewollt sein. Eine derartige Einengung der wirtschaftlichen Freiheit von Konzernen lässt sich nur dadurch lösen, dass herrschendes Unternehmen auch Zwischengesellschaften sein können, von denen beteiligte Gesellschaften unmittelbar oder mittelbar abhängig sind. Die Finanzverwaltung sollte den Erlass also schnellstmöglich nachbessern.