Mit Schreiben vom 15. 4. 2011 (IV D 2 – S 7270/10/10001, DOK 2011/0304805, DB 2011 S. 907) wird Abschnitt 13.5 Abs. 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) um einen Satz ergänzt und lautet nun: „(2) 1Anzahlungen können außer in Barzahlungen auch in Lieferungen oder sonstigen Leistungen bestehen, die im Rahmen eines Tauschs oder tauschähnlichen Umsatzes als Entgelt oder Teilentgelt hingegeben werden. 2Eine Vereinnahmung der Anzahlung durch den Leistungsempfänger wird in diesen Fällen nicht dadurch ausgeschlossen, dass diese Leistung selbst noch nicht als ausgeführt gilt und die Steuer hierfür nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 UStG noch nicht entstanden ist.“
Grundsätzlich entsteht die Umsatzsteuer auf eine steuerpflichtige Lieferung oder Dienstleistung mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Lieferung oder Dienstleistung ausgeführt wird. Hierfür ist nach dem Prinzip der Soll-Versteuerung unerheblich, wann der Empfänger das Entgelt entrichtet. Leistet der Empfänger aber das Entgelt ganz oder teilweise, ehe der Umsatz an ihn ausgeführt wird, liegt eine An- oder Vorauszahlung vor, welche nach dem Prinzip der Ist-Versteuerung nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums zu besteuern ist, in dem sie vereinnahmt wird.
In der nun ergänzten Regelung wird zunächst klargestellt, dass An- oder Vorauszahlungen nicht nur in Geld geleistet werden können (der Hinweis auf „Bargeld“ ist ein Anachronismus, selbstverständlich sind auch unbare Anzahlungen nach Vereinnahmung zu versteuern). Soweit die Gegenleistung selbst in einer Lieferung oder Dienstleistung besteht und diese erbracht wird, ehe die Leistung erfolgt, für welche sie geleistet wird, stellt auch diese Lieferung oder Dienstleistung eine An- oder Vorauszahlung dar.
Wenn die Gegenleistung in einer Lieferung besteht, dürfte es im Regelfall nicht schwierig sein, den Zeitpunkt festzustellen, wann diese Gegenleistung vereinnahmt wurde. Das ist dann der Fall, wenn dem Empfänger die Verfügungsmacht übertragen worden ist. Dies kann mit dem zivilrechtlichen Eigentumsübergang zusammenfallen, muss es aber nicht. Zwar wird üblicherweise die Übertragung der Verfügungsmacht der Übertragung von „Wert, Substanz und Ertrag“ gleichgestellt, während in dem hinzugefügten Satz nur vom Zufluss des wirtschaftlichen Werts die Rede ist. Man wird aber nicht davon ausgehen müssen, dass hier an versteckter Stelle ein neuer Lieferbegriff eingeführt werden soll. Diese Kurzform ist dem Bemühen geschuldet, Lieferungen und Dienstleistungen (bei denen keine Substanz übertragen wird) in einem Satz anzusprechen.
Bei Dienstleistungen als Entgelt ist der Zeitpunkt der Vereinnahmung schwieriger festzustellen. Nach Abschnitt 13.1. Abs. 3 UStAE sind sonstige Leistungen grundsätzlich im Zeitpunkt ihrer Vollendung ausgeführt. Zeitlich begrenzte Dauerleistungen sind erst mit Ablauf des entsprechenden Vertragsverhältnisses erbracht, wenn die Parteien keine Teilleistungen vereinbart haben. Teilleistungen werden umsatzsteuerlich wie eigenständige, vollendete Leistungen behandelt.
Verpflichtet sich beispielsweise ein Unternehmer, gegen eine Einmalzahlung drei Jahre lang Software-Updates oder Bug Fixes bereitzustellen oder nach Ablauf der gesetzlichen Gewährleistung weitere Reparatur- oder Ersatzleistungen zu erbringen, so sind diese Leistungen erst nach Ablauf der drei Jahre erbracht. Auch die Sonderzahlung bei einem Leasingvertrag ist eine (weitere) Zahlung für die Überlassung des Leasinggegenstandes für die vereinbarte Dauer des Vertrages, sie steht neben den monatlich zu leistenden Raten. Derartige Dauerleistungen fallen dem leistenden Unternehmer meist dann unangenehm auf, wenn eine Steuersatzerhöhung ansteht und er keine Teilleistungen vereinbart hat. Dann unterliegt nämlich das ganze Entgelt dem erhöhten Steuersatz, auch wenn es schon Jahre vorher vereinnahmt wurde, weil der Steuersatz bei Ausführung der Leistung maßgeblich ist, und das ist das Ende des vereinbarten Zeitraums.
Nun sind Fälle des tauschähnlichen Umsatzes (Dienstleistung als Entgelt für Lieferung oder Leistung) denkbar, in welchen die ausgetauschten Leistungen zwar nicht nach dieser Definition, aber faktisch an unterschiedlichen Zeitpunkten erbracht sind. Man stelle sich einen Händler hochwertiger Sitz-Rasenmäher vor, welcher mit einem Golfclub vereinbart, er – der Händler – werde für ein Jahr lang einmal wöchentlich das Grün pflegen, wenn ihm der Golfclub dafür gestatte, den verwendeten Rasenmäher ein Jahr lang prominent am Clubhaus aufzustellen und einen Hinweis anzubringen, dass der Schnitt mit diesem Gerät erfolgte.
Die beiden Leistungen sind jeweils für ein Jahr vereinbart und sind nach der genannten Regel also auch erst nach einem Jahr umsatzsteuerlich erbracht. Es ist aber nicht zu bestreiten, dass jedenfalls dem Golfclub der wirtschaftliche Wert des jeweiligen Rasenmähens wöchentlich zugeflossen ist.
Nach der Ergänzung in Abschnitt 13.5 Abs. 2 Satz 2 UStAE, die auf alle noch offenen Fälle anwendbar ist, muss deshalb der Golfclub monatlich die für seine Leistung (Duldung der Werbung am Clubhaus) erhaltene „Anzahlung“ in der Gestalt des Rasenmähens versteuern. Dem steht nicht entgegen, dass die Leistung „Rasenmähen“ erst mit Ablauf des vereinbarten Jahres erbracht ist.
Zur Klarstellung: Es wird davon ausgegangen, dass der Golfclub seine Voranmeldungen monatlich abgibt. Gäbe es einen wöchentlichen Voranmeldungszeitraum, so wären die Anzahlungen auch wöchentlich zu versteuern.
So weit, so einleuchtend. Was ist mit der Duldung der Werbung? Ist deren wirtschaftlicher Gehalt dem Händler auch zugeflossen, ehe das Jahr abgelaufen ist? Das ist offen, denn das BMF äußert sich nur für jene Fälle, in denen („wenn“) dem Leistungsempfänger der wirtschaftliche Wert der Gegenleistung zufließt, aber nicht, unter welchen Voraussetzungen dies gegeben ist.
Man kann sich auf den Standpunkt stellen, dass der wirtschaftliche Gehalt einer Duldungs- oder Unterlassungsleistung ihrem Empfänger stets und gleichmäßig zufließt. Dann hätte das zur Folge, dass der Händler seinerseits die erhaltene Anzahlung in Form der Werbe-Duldung durch den Golfclub zu versteuern hätte. Diese Sichtweise ist nicht zwingend, gegen sie dürfte aber im Normalfall schwierig zu argumentieren sein. Es mag durchaus Sachverhalte geben, in welchen der wirtschaftliche Gehalt einer Duldung unterschiedlich verläuft, beispielsweise die Überlassung von Bürgersteigflächen an Straßencafés (im Sommer wertvoller als im Winter) oder die Überlassung eines Kiosks im Stadion (nur bei geöffnetem Stadion wirtschaftlich sinnvoll), aber sie dürften nicht die Regel darstellen.
Der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, dass Stadie die Besteuerung von Tausch und tauschähnlichem Umsatz insgesamt für gemeinschaftswidrig hält (Tauschvorgänge und Umsatzsteuer, UR 2009 S. 745).