Steuerpflichtige und ihre Berater wollen das deutsche Steuerrecht für Ihre Zwecke stets steueroptimal nutzen. Dies ist innerhalb der bestehenden Gesetze grundsätzlich weder verboten noch verwerflich. Von den Gestaltungsmöglichkeiten des Steuerrechts darf der Steuerpflichtige Gebrauch machen. Stehen ihm mehrere Wege offen, kann er denjenigen wählen, bei dem die geringste Steuer anfällt. Er darf jedoch die Steuergesetze nicht umgehen, indem er Gestaltungsmöglichkeiten durch die Wahl eines rechtlich oder wirtschaftlich unangemessenen Weges missbräuchlich ausnutzt. In einem interessanten Fall hatte der BFH darüber zu entscheiden, ob das steuerliche Ziel der Verlustnutzung missbräuchlich oder ein ausreichender wirtschaftlicher Grund für eine zulässige Gestaltung ist.
In dem zugrundeliegenden Fall waren sieben Anteilseigener zu gleichen Teilen von je 1/7 an einer GmbH beteiligt, die in Vorjahren erhebliche Verluste erlitten hatte. Sechs der Anteilseigner veräußerten ringweise ihre Beteiligungen an einen Mitgesellschafter und erwarben zeit- und betragsgleich eine Beteiligung in gleicher Höhe von einem anderen Mitgesellschafter. Nach der Transaktion waren sie wieder zu identischen Teilen wie vorher an der GmbH beteiligt. Die Differenz zwischen den Kaufpreisen von TEUR 7,5 und ihren Bareinlagen von je TEUR 50 in Höhe von TEUR 42,5 machten sie als Veräußerungsverluste nach § 17 EStG geltend.
Das FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 5. 2. 2009 – 4 K 1078/05, EFG 2010 S. 99) sah hierin wie die Finanzverwaltung einen Gestaltungsmissbrauch. Dies sah der BFH erfreulicherweise anders. Er entschied (Urteil vom 7. 12. 2010 – IX R 40/09, DB 2011 S. 506), dass es dem Steuerpflichtigen freistehe, wann und an wen er seine Anteile an der GmbH veräußere. Der im Streitfall verwirklichte Sachverhalt stehe im Einklang mit den Regelungen des § 17 EStG und es lägen keine der in § 17 Abs. 2 Satz 6 EStG ausdrücklich geregelten Verlustabzugsbeschränkungen vor. Da der Steuerpflichtige damit von den im Gesetz eingeräumten Möglichkeiten Gebrauch gemacht habe, bedürfe es keiner weiteren außersteuerlichen Motive zur Rechtsfertigung i. S. des § 42 AO. Der Anteilsverkauf sei im Hinblick auf eine Verlustnutzung nicht anders zu beurteilen, als eine Liquidation. Die zeitgleichen Anteilskäufe seien nicht schädlich, da durch diese nicht das wirtschaftliche Ergebnis der vorherigen Anteilsveräußerungen aufgehoben werden. Vielmehr bilden die niedrigeren Anschaffungskosten die Basis für die Ermittlung eines zukünftigen Veräußerungsgewinns- oder verlustes.
Mit dem Urteil setzt der IX. Senat des BFH seine steuerbürgerfreundliche Linie zur Verlustrealisierung fort. Bereits vor Einführung der sog. Abgeltungsteuer hatte der BFH für die Besteuerung von Spekulationsgewinnen im Rahmen des § 23 (jetzt: § 20 Abs. 2) EStG entschieden, dass der taggleiche An- und Verkauf von Wertpapieren zur Verlustnutzung wegen des Kursrisikos nicht missbräuchlich sei (BFH-Urteil vom 25. 8. 2009 – IX R 60/07, DB 2009 S. 2354).
Das Urteil ist erfreulich, betont es doch, dass das Sparen von Steuern ein zulässiges Gestaltungsmotiv ist. Im Hinblick auf vorhandene Verluste eröffnet das Urteil interessante Gestaltungsmöglichkeiten.