Erneute Änderung des Erbschaftsteuergesetzes

RA StB Dr. Stephan Viskorf, Counsel bei Pöllath + Partners, München

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Der Bundesrat hat am 17. 6. 2011 beschlossen, in den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Beitreibungsrichtlinieumsetzungsgesetz-BeitrRLUmsG) neben den bereits von der Bundesregierung vorgesehenen Ergänzungen des Erbschaftsteuergesetzes weitere Änderungen dieses Gesetzes aufzunehmen (Drucks. 253/11). Aus erbschaftsteuerlicher Sicht ist die vom Bundesrat angestrebte Neuschaffung eines § 7 Abs. 8 ErbStG von erheblicher Bedeutung. Der Bundesrat versucht mit § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG-E, die Besteuerungslücke bei Vermögenstransfers im Rahmen von disquotalen Einlagen per Gesetz zu schließen.

In gefestigter Rechtsprechung verneint der BFH bei Vermögensverschiebungen zwischen Gesellschaftern (Werterhöhung in Geschäftsanteilen), die aus Leistungen eines Gesellschafters an eine Kapitalgesellschaft resultieren (vgl. Viskorf, Steuerboard DB0421622), eine steuerbare Schenkung. Laut BFH fehlt es an einer zivilrechtlichen Übertragung von Vermögen zwischen den Gesellschaftern. Die Werterhöhung in dem Anteil der – weniger einbringenden – Gesellschafter sei bloßer Reflex der mitgliedschaftlichen Beteiligung an der Kapitalgesellschaft.

Diesen in seiner Stellungnahme ausdrücklich als Besteuerungslücke bezeichneten Vermögensverschiebungen im Rahmen disquotaler Einlagen stellt der Bundesrat nunmehr die Fiktion einer Schenkung entgegen. Als Schenkung soll die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft gelten, die eine an der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligte natürliche Person oder Stiftung (Bedachte) durch die Leistung einer anderen Person (Zuwendender) an die Gesellschaft erlangt. Die Vorschrift weist verschiedene Mängel und Unklarheiten auf, die nachfolgend in aller Kürze grob skizziert werden.

Verabschiedung vom Merkmal der Freigiebigkeit

Das Erbringen einer Leistung ohne Gegenleistung wird in der Regel dann zur Schenkung, wenn die Leistung subjektiv freigiebig erbracht wurde. Von diesem allgemeinen Grundsatz verabschiedet sich der Gesetzesentwurf. Die vom Bundesrat angedachte Fiktion kommt gänzlich ohne einen subjektiven Tatbestand aus. Danach ist jegliche Leistung an eine Gesellschaft bzw. jede Einlage eine Schenkung an die Mitgesellschafter, soweit sie zu einer Werterhöhung in den Anteilen von Mitgesellschaftern führt. Die Vorschrift hat damit einen stark überschießenden Charakter. Denn es werden auch solche Leistungen erfasst, die nicht freigiebig, sondern betrieblich veranlasst sind. Hierunter fallen insbesondere folgende Fallgruppen:

  1. Quotal erbrachte Leistungen der Gesellschafter (z. B. ein Gesellschafter erbringt Arbeitsleistungen, ein anderer Sacheinlagen und ein dritter Bareinlagen jeweils wertmäßig in gleicher Höhe),
  2. das Stehenlassen und Zinslosstellen von Krediten in der Krise durch Gesellschafter,
  3. der Verzicht des Mehrheitsgesellschafters auf Gesellschafterdarlehensforderungen, um eine Sanierung der Gesellschaft zu ermöglichen.

Unklarer Bereicherungsgegenstand

Der Gesetzesentwurf spricht davon, dass die „Werterhöhung“ als Schenkung gilt. Damit stellt der Gesetzesentwurf ohne Not auf eine abstrakte Wertgröße ab. Nach dem derzeitigen Wortlaut wären auf eine Schenkung im Sinne des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG-E die erbschaftsteuerlichen Begünstigungen – insbesondere die Begünstigung für Betriebsvermögen (§ 13a ErbStG) – nicht anwendbar. Dies entspricht zwar der alten Finanzverwaltungsauffassung zur Erbschaftsteuerrichtlinie 18 (R 18 Abs. 6 Satz 6 ErbStR a. F.).

Angemessener wäre es jedoch gewesen, das an die Kapitalgesellschaft Geleistete als Bereicherungsgegenstand beim Beschenkten anzusehen (vgl. z. B. ähnliche Regelung in § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Dies würde dem Umstand Rechnung tragen, dass die Fiktion des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG eine wirtschaftliche Betrachtungsweise in das ErbStG einführt, wonach der Zuwendende so behandelt wird, als ob er zunächst dem Beschenkten die Leistung gewährt und dieser sie dann nachfolgend in die Kapitalgesellschaft eingelegt hat. Diese Konstellation rechtfertigt meines Erachtens die Anwendung der erbschaftsteuerlichen Begünstigungen, insbesondere des § 13a ErbStG.

Besteuerung der verdeckten Gewinnausschüttung weiterhin nicht gesetzlich geregelt

In der Literatur vielbeachtet wurde bereits die Änderung der H 18 EStH. Darin vertritt die  Finanzverwaltung die Auffassung, dass jede verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) – soweit sie die Beteiligung des empfangenden Gesellschafters an der Kapitalgesellschaft überschreitet – eine steuerpflichtige Zuwendung der Kapitalgesellschaft an den die vGA empfangenden Gesellschafter bzw. eine im nahestehende Person ist.

Mit dem – systematisch an völlig falscher Stelle (richtiger wäre Satz 2 zu § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG!) verorteten – Satz 2 des § 7 Abs. 8 ErbStG-E will der Bundesrat ausweislich seiner Stellungnahme nunmehr gesetzlich klarstellen, dass Vermögensverschiebungen in Folge einer vGA zwischen Konzerngesellschaften weiterhin als nicht schenkungsteuerpflichtig behandelt werden. Dies soll zumindest dann gelten, soweit sie betrieblich veranlasst sind oder soweit an der leistenden und an der empfangenden Gesellschaft die gleichen Gesellschafter beteiligt sind. Durch das Erfordernis der vollumfänglichen Gesellschafteridentität bürdet der Bundesrat allerdings jedem Konzern, in dem es Splitterbeteiligungen fremder Dritter gibt, die Last auf, die betriebliche Veranlassung der vGA besonders zu dokumentieren.

Der offene Rechtsbegriff der betrieblichen Veranlassung dürfte zudem für vielfältige Streitpunkte sorgen. Schließlich ist auch die in der Stellungnahme des Bundesrates enthaltene Auffassung nicht haltbar, wonach eine betriebliche Veranlassung regelmäßig dann nicht vorliegen soll, wenn der leistende und der begünstigte Gesellschafter nahe Angehörige im Sinne des § 15 AO sind. Eine solche Vermutung ist ein eindeutiger Verstoß gegen Art. 6 GG.

Erstaunlich ist, dass der Bundesrat anscheinend davon ausgeht, dass die Schenkungsteuerbarkeit einer vGA nicht mehr gesetzlich geregelt werden muss. Dies belegt die Regelung in § 15 Abs. 4 ErbStG-E, der die automatische Anwendung der Steuerklasse III bei Schenkungen durch eine Kapitalgesellschaft verhindern soll. Der Bundesrat beruft sich für die Schenkungsteuerbarkeit der vGA auf angebliche Rechtsprechungsgrundsätze des BFH, die sich bei näherer Ansicht als ein obiter dictum in einem einzelnen Fall herausstellen. In dem dort entschiedenen Fall hatte ein Gesellschafter dafür gesorgt, dass seiner Frau durch die Kapitalgesellschaft ein überhöhtes Gehalt gezahlt wurde. Der BFH lehnte eine Zuwendung des Mannes an seine Ehefrau ab; meinte allerdings, dass ggf. eine Schenkung der Kapitalgesellschaft an die Ehefrau in Betracht käme.

Ob der BFH in einem ähnlichen Fall erneut so entscheiden würde, ist völlig unklar. Dass eine Schenkung der Kapitalgesellschaft von vornherein ausgeschlossen ist, zeigt die Stellungnahme des Bundesrates selbst eindrucksvoll auf. Darin heißt es nämlich, dass der Gesellschafter die Gesellschaft veranlasst, ein überhöhtes Gehalt zu zahlen. Damit wird überdeutlich, dass die Gesellschaft selbst nicht freigiebig handelt, sondern allein auf Veranlassung ihres Gesellschafters als „Zahlstelle“ tätig ist.

Erheblicher Nachbesserungsbedarf

Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass der Bundesrat hinsichtlich der gesetzlichen Regelung der disquotalen Einlage weit über sein Ziel hinausgeschossen ist. Eine Einengung des Tatbestands sowie eine Konkretisierung des Bereicherungsgegenstands sind meines Erachtens zwingend erforderlich. Ganz umgekehrt verhält es sich bei der vGA. Hier geht der Bundesrat zu Unrecht davon aus, dass der BFH die Schenkungsteuerbarkeit von Vermögenstransfers im Rahmen einer vGA in gefestigter Rechtsprechung anerkannt hat. Ohne eine solche gesetzliche Regelung laufen § 7 Abs. 8 Satz 2 ErbStG-E und § 15 Abs. 4 ErbStG-E daher leer.

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