Das FG Nürnberg hatte im Urteil vom 14. 12. 2010 (1 K 1134/2008) zu entscheiden, ob die Finanzbehörde für die Steuerfreistellung des Arbeitslohns in Deutschland den Nachweis verlangen durfte, dass der Arbeitslohn nach Großbritannien (GB) überwiesen oder dort entgegengenommen wurde („remitted“). Das Gericht entschied, dass ein solcher Nachweis nach dem DBA GB nicht verlangt werden kann, um den im Abkommen vorgesehenen deutschen Besteuerungsverzicht zu gewähren. Die so genannte Remittance-Base-Klausel ist auf Einkünfte aus unselbständiger Arbeit (Arbeitslohn) nicht anzuwenden. Das FG hatte einen Sachverhalt zu beurteilen, auf den das DBA GB in der bis 2010 geltenden Fassung (DBA GB – alt) anzuwenden war.
Die Tragweite des Urteils ist jedoch eingeschränkt. Denn die deutsche Finanzbehörde kann für die Steuerfreistellung auf der Grundlage des nationalen deutschen Steuerrechts von einem in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmer den Nachweis verlangen, dass der Arbeitslohn im anderen Staat (GB) besteuert wurde, oder dass der andere Staat auf sein Besteuerungsrecht verzichtet hat (§ 50d Abs. 8 EStG). Wird der Nachweis nicht geführt, versagen die deutschen Finanzbehörden die Steuerfreistellung. Das Gericht hatte über einen Sachverhalt zu entscheiden, auf den § 50d Abs. 8 EStG noch nicht anzuwenden war.
Bedeutung des Urteils für Abfindungen
Allerdings ist das Urteil für Abfindungen von Bedeutung, die ein in GB ansässiger Arbeitnehmer aus Deutschland für den Verlust des Arbeitsplatzes bezieht. Abfindungen, die dem Arbeitnehmer anlässlich des Ausscheidens aus dem Dienstverhältnis gezahlt werden, sind den Einkünften aus unselbständiger Arbeit zuzuordnen und können grundsätzlich in dem Staat besteuert werden, in dem der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Zahlung der Abfindung ansässig ist. Hier kann Deutschland nicht auf das nationale Recht zurückgreifen, um die Freistellung zu versagen, wenn der Arbeitnehmer in Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist.
Die Remittance-Base-Regelung trägt einer Besonderheit des nationalen britischen Steuerrechts Rechnung, wonach Personen, die zwar steuerrechtlich in GB ansässig sind, dort aber nicht „domizilieren“ („Non-Doms“) nur mit denjenigen ausländischen Einkünften besteuert werden, die nach GB überwiesen oder dort entgegengenommen werden (Remittance-Base-Prinzip). Soweit Einkünfte weder nach GB überwiesen noch dort entgegengenommen werden und somit in GB nach nationalem britischem Recht nicht besteuert werden können, kann Deutschland die im Abkommen vorgesehene Steuerfreistellung versagen. Die Finanzbehörden wenden die Remittance-Base-Klausel auf alle Abkommensvorschriften an, welche die Zuordnung des Besteuerungsrechts zwischen den Vertragsstaaten für bestimmte Einkünfte regeln (Verteilungsnormen).
Die Auffassung der Finanzbehörden, die Remittance-Base-Klausel auf alle Verteilungsnormen des Abkommens anzuwenden, steht zwar im Einklang mit der neu gefassten Remittance-Base-Klausel im DBA GB -neu, das auf Steuern anzuwenden ist, die ab 2011 erhoben werden. Die Auffassung der Finanzbehörden wird dagegen vom DBA GB – alt nicht getragen. Das FG setzt sich in dem rechtskräftigen Urteil ausdrücklich zur Auffassung der Finanzbehörden in Widerspruch und folgt der herrschenden Meinung in der Literatur. Danach ist die Remittance-Base-Klausel im DBA GB -alt nur anzuwenden, wenn die jeweilige Verteilungsnorm für den Besteuerungsverzicht in Deutschland voraussetzt, dass der Empfänger mit diesen Einkünften in GB steuerpflichtig ist. Dies trifft auf die Abkommensvorschrift, die die Besteuerung der Einkünfte aus unselbständiger Arbeit (Arbeitslohn) regelt, nicht zu.
Zudem führt das Gericht aus, dass die Remittance-Base-Klausel einen kausalen Zusammenhang zwischen der Überweisung nach oder Entgegennahme von Einkünften in GB und der Steuerpflichtigkeit dieser Einkünfte in GB voraussetzt. Dies bedeutet, dass auch bei Anwendung des DBA GB -neu die Remittance-Base-Klausel nicht auf Arbeitslohn anzuwenden ist, wenn dieser in GB unabhängig davon besteuert werden kann, ob dieser dorthin überwiesen oder dort entgegengenommen wurde. Sofern Abfindungen in GB unversteuert bleiben, auch wenn diese nach GB überwiesen oder dort entgegengenommen werden, wie dies unter bestimmten Voraussetzungen der Fall sein kann, muss Deutschland mangels eines kausalen Zusammenhangs zwischen Nicht-Überweisung nach oder Nicht-Entgegennahme der Abfindung in GB und einer (Nicht)Besteuerung in GB die Abfindung steuerfrei stellen.
Bleibt zu hoffen, dass die Finanzbehörden ihre Auffassung überdenken und Abfindungen, die an Arbeitnehmer mit Wohnsitz in GB gezahlt werden, in Deutschland steuerfrei stellen.