Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen EU-rechtskonform?

Im sog. Scheuten-Urteil des EuGH wurden sämtliche Anteile an einer deutschen Kapitalgesellschaft von einer niederländischen Kapitalgesellschaft gehalten. Die niederländische Muttergesellschaft gewährte ihrer deutschen Tochtergesellschaft ein verzinsliches Darlehen. Gem. § 8 Nr. 1 GewStG sind dem Gewinn aus Gewerbebetrieb  50% bis 2007 bzw. 25% ab 2008 der Entgelte für Schulden wieder hinzuzurechnen, soweit die Entgelte für Schulden bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind. Der EuGH hatte zu entscheiden, ob die von der deutschen Tochtergesellschaft vertretene Rechtsauffassung, dass die gewerbesteuerliche Hinzurechnung der an die Muttergesellschaft gezahlten Darlehenszinsen gegen die Zinsen- und Lizenzgebühren-Richtlinie verstöße, zutreffend ist. Die deutsche Tochtergesellschaft begründete dies damit, dass die EU-Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie Doppelbesteuerungen bei Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener EU-Mitgliedstaaten beseitigen und gewährleisten soll, dass diese Zahlungen nur einmal in einem einzigen EU-Mitgliedstaat besteuert werden. Um dieses Ziel zu erreichen, sollten Steuern bei Zahlung von Zins- und Lizenzgebühren in dem EU-Mitgliedstaat, in dem diese Einkünfte anfallen (sog. Quellenstaat), beseitigt werden. Durch die gewerbesteuerliche Hinzurechnung der Entgelte für Schulden wurden die Zinszahlungen mittelbar mit Steuern belastet.

Nach Auffassung des EuGH erstreckt sich der Anwendungsbereich der EU-Zins- und Lizenzgebührenrichtlinie auf die Befreiung von in einem EU-Mitgliedstaat angefallenen Einkünften in Form von Zinsen- und Lizenzgebühren, sofern der Nutzungsberechtigte der Zinsen und Lizenzgebühren ein in einem anderen EU-Mitgliedstaat ansässiges Unternehmen oder belegene Betriebsstätte ist.

Durch die EU-Zins- und Lizenzgebührenrichtlinie soll sichergestellt werden, dass der Nutzungsberechtigte von allen Steuern auf Zinsen und Lizenzgebühren, die in einem anderen Quellenstaat innerhalb der EU entstehen, befreit ist. Der Wortlaut der EU- Zins- und Lizenzgebührenrichtlinien stellt dabei unzweifelhaft eine Verbindung zwischen der Zahlung solcher Zins- und Lizenzgebühren in einem EU-Mitgliedstaat und dem Erhalt der Zahlung durch den Nutzungsberechtigten in einem anderen EU-Mitgliedstaat her.  Sinn und Zweck der EU-Zins- und Lizenzgebührenrichtlinie sei es somit, eine rechtliche Doppelbesteuerung grenzüberschreitender Zins- und Lizenzzahlungen zu verhindern, indem eine Besteuerung der Zinsen oder Lizenzgebühren im Quellenstaat zulasten des Nutzungsberechtigten verhindert wird. Der Zahler der Zins- und Lizenzgebühren wird hingegen in der EU-Zins- und Lizenzgebührenrichtlinie nicht erwähnt. Der EuGH stellt fest, dass die EU-Zins- und Lizenzgebührenrichtlinie nur für den Nutzungsberechtigten von Zinsen und Lizenzgebühren in einem anderen EU-Mitgliedstaat gilt und nicht für den Schuldner dieser Zinsen oder Lizenzgebühren.

Die Hinzurechnung von Entgelten für Schulden gem. § 8 Nr. 1 GewStG führt jedoch nicht zu einer Verringerung der Einkünfte des Gläubigers der Zinsen. Die fragliche Rechtsvorschrift im vorliegenden Fall bezieht sich nur auf die Festsetzung der Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer des Schuldners der Zinszahlungen. In Ermangelung einer Bestimmung, die die Berechnung der Bemessungsgrundlage für die Besteuerung des Schuldners der Zinszahlung regelt,  kann die von der EU-Zins- und Lizenzgebührenrichtlinie geforderte Freistellung des Zinsgläubigers im Quellenstaat nicht analog einschlägig sein.

Der EuGH orientiert sich ausschließlich am Wortlaut der EU-Zins-und Lizenzgebührenrichtlinie und nicht an dem Sinn und Zweck. Es bleibt zu hoffen, dass die anderen EU-Mitgliedstaaten das Urteil nicht als Aufforderung verstehen, eine mittelbare Quellensteuer von Zins- und Lizenzgebühren scheinbar EU-rechtskonform einzuführen, in dem sie durch Hinzurechnungen zur steuerlichen Bemessungsgrundlage beim Schuldner der Zins- und Lizenzgebühren die Steuerbelastung erhöhen. Praktisch würde hierdurch das Ziel der EU-Zins- und Lizenzgebührenrichtlinie konterkariert. Vor diesem Hintergrund wäre es wünschenswert, wenn der deutsche Gesetzgeber sich am Sinn und Zweck der EU-Zins- und Lizenzgebührenrichtlinie orientiert und die gewerbesteuerliche Hinzurechnungen – zumindest aber § 8 Nr. 1 Buchstabe a und f GewStG – ersatzlos streicht. Gleichzeitig würde hierdurch ein deutlicher Anreiz für ausländische Investoren am Wirtschafts- und Investitionsstandort Deutschland geschaffen.

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