Um für die Jahre vor 2008 zu retten, was zu retten ist, hat das BMF in einem aktuellen Schreiben (BMF vom 29. 3. 2011 – IV B 5 – S 1341/09/10004, BStBl. I 2011 S. 277 = DB0413646) die Voraussetzungen, unter denen das Darlehen eines beherrschenden Gesellschafters als nicht mehr voll werthaltig anzusehen ist, sehr eng gefasst. Dabei beschränkt sich das BMF auf die Perspektive des Darlehensgebers. Dieses Schreiben bezieht sich zwar primär auf Darlehen an verbundene ausländische Unternehmen, es enthält jedoch zu unserem Thema Ausführungen, die auf In- und Auslandssachverhalte gleichermaßen anwendbar sind.
Dreh- und Angelpunkt der Argumentation des BMF ist die Rechtsprechung zum sogenannten Konzernrückhalt. Der Rückhalt, den die Konzernbeziehung gewährt, stellt danach bereits eine ausreichende Sicherheit für ein Gesellschafterdarlehen dar. Diesen Gedanken hat der BFH zuerst im Hinblick auf die Bestimmung des angemessenen Zinssatzes für ein ansonsten unbesichertes Darlehen eines beherrschenden Gesellschafters entwickelt. Das BMF überträgt ihn auf die Bestimmung der Werthaltigkeit der Forderung.
Bei Vorliegen eines Konzernrückhaltes ist nach Auffassung der Finanzverwaltung für eine Teilwertabschreibung auf diese Darlehensforderung kein Raum, da der Rückzahlungsanspruch nicht als gefährdet anzusehen ist. Diese Überlegung gilt ausdrücklich auch für einen Darlehensverzicht; solange der Konzernrückhalt besteht, führt ein Verzicht nicht zu steuerwirksamen Aufwand bei dem verzichtenden Gesellschafter.
Die entscheidende Frage ist also, wann ein Konzernrückhalt gegeben ist. Ein Konzernrückhalt ist nach Verwaltungsauffassung anzunehmen, solange die Tochtergesellschaft eines beherrschenden Gesellschafters ihren Verpflichtungen im Außenverhältnis nachkommt oder ein beherrschender Gesellschafter die Zahlungsfähigkeit der Tochtergesellschaft gegenüber Dritten tatsächlich sicherstellt. Mit anderen Worten: Solange die Tochtergesellschaft ihren Verpflichtungen gegenüber Dritten nachkommt, ist ein Darlehen der Muttergesellschaft werthaltig.
Es bleibt dem Darlehensgeber unbenommen, sich darauf zu berufen, dass ein Rückhalt im Konzern zu einem bestimmten Zeitpunkt tatsächlich nicht mehr bestehe. Das sei der Fall, wenn der beherrschende Gesellschafter diesem Rückhalt tatsächlich nicht nachkomme oder die wirtschaftliche Situation des Konzerns keinen validen Rückhalt mehr gewähre. Solange dies nicht der Fall ist, ist im Umkehrschluss von einem bestehenden Konzernrückhalt auszugehen.
Das Schreiben ist auf die Sichtweise des Darlehensgebers angelegt. Übertragen auf die Perspektive der Tochtergesellschaft führt es zu folgendem verblüffendem Ergebnis: Der Verzicht eines Gesellschafters auf eine Forderung gegenüber seiner Tochtergesellschaft führt bei dieser zu einem steuerpflichtigen Ertrag, soweit die Verbindlichkeit nicht mehr werthaltig ist. Erfolgt der Verzicht zu einem Zeitpunkt, zu dem die Gesellschaft ihren Drittverbindlichkeiten nachkommt, wird aufgrund des Konzernrückhaltes auf eine werthaltige Forderung verzichtet. Der Verzicht ist vollständig als steuerneutrale Einlage zu sehen. Es entsteht bei der betroffenen Gesellschaft folglich kein Verzichtsgewinn.
Wenn der Konzernrückhalt zu Lasten des Darlehensgebers gelten soll, können seine Folgen nicht zugunsten des Darlehensnehmers abweichend beurteilt werden. Es bleibt abzuwarten, ob die Finanzverwaltung in der Praxis bereit ist, diese Konsequenz zu ziehen.