Am 4. 7. 2011, kurz nach Abschluss der Pilotphase zur E-Bilanz, veröffentlichte das BMF einen weiteren Entwurf eines BMF-Schreibens zur Bestimmung des Mindestumfangs der nach § 5b EStG zu übermittelnden Daten. Das Schreiben enthält neue Bestimmungen zum Anwendungsbereich des § 5b EStG und sieht für bestimmte Betriebe eine Verschiebung des erstmaligen Anwendungszeitpunkts bis ins Jahr 2015 vor. Die gesetzlichen Grundlagen einiger Regelungen sind zweifelhaft. Es drängt sich der Eindruck auf, dass das E-Bilanz-Projekt inzwischen auf Seiten der Finanzverwaltung aus dem Ruder läuft.
Obgleich § 5b EStG lediglich auf die Gewinnermittlungsvorschriften des § 4 Abs. 1, § 5 und § 5a EStG verweist, sollen die anlässlich einer Betriebsveräußerung, Betriebsaufgabe, Änderung der Gewinnermittlungsart oder in Umwandlungsfällen aufzustellenden Bilanzen durch Datenfernübertragung zu übermitteln sein. Gleiches soll für Zwischenbilanzen, die auf den Zeitpunkt eines Gesellschafterwechsels als Sonderform einer Schlussbilanz aufgestellt werden ebenso wie für Liquidationsbilanzen nach § 11 KStG gelten. Diese Ausweitung des Anwendungsbereichs von § 5b EStG erfolgt ohne gesetzliche Grundlage.
Beim sachlichen Anwendungsbereich soll es zur Vermeidung von unbilligen Härten für eine Übergangszeit nicht beanstandet werden, wenn (i) inländische Unternehmen, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 oder § 5a EStG ermitteln, für ihre ausländischen Betriebsstätten, (ii) steuerbegünstige Körperschaften sowie (iii) juristische Personen des öffentlichen Rechts mit Betrieben gewerblicher Art die Inhalte der Bilanz und GuV erstmals für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2014 beginnen, durch Datenfernübertragung übermitteln. Für diese Übergangszeit sind die Bilanz sowie die GuV in Papierform abzugeben. Beim Mindestumfang der zu übermittelnden Daten wird für die Kapitalkontenentwicklung für Personengesellschaften und andere Mitunternehmerschaften festgelegt, dass eine verpflichtende Übermittlung der als Mussfelder gekennzeichneten Positionen erst für Wirtschaftsjahre zwingend erforderlich ist, die nach dem 31.12.2013 beginnen. Für Sonder- und Ergänzungsbilanzen soll es nicht beanstandet werden, wenn Sonder- und Ergänzungsbilanzen in dem Freitextfeld “Sonder- und Ergänzungsbilanzen“ im Berichtsbestandteil “Steuerliche Modifikationen“ für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31. 12. 2013 beginnen, übermittelt werden. Zur zeitlichen Anwendung des § 5b EStG – Nichtbeanstandung – wird ausgeführt, dass es von der Finanzverwaltung nicht beanstandet wird, wenn die Bilanz und GuV für den Veranlagungszeitraum 2012 noch nicht gem. § 5b EStG nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung übermittelt werden. Die Bilanz sowie GuV sollen für den Veranlagungszeitraum 2012 in diesen Fällen in Papierform abzugeben sein.
Für die Verschiebung des Mindestumfangs der zu übermittelnden Daten für die Kapitalkontenentwicklung für Personengesellschaften und andere Mitunternehmerschaften bzw. für die vereinfachte Übermittlung von Sonder- und Ergänzungsbilanzen sowie für ausländische Betriebsstätten von inländischen Unternehmen gibt es eine gesetzliche Grundlage in § 51 Abs. 4 Nr. 1 b EStG, wonach die Finanzverwaltung ohne zeitliche Begrenzung ermächtigt wird, den Mindestumfang der nach § 5b EStG zu übermittelnden Daten zu bestimmen. Bei ausländischen Betriebsstätten ist das inländische Unternehmen weiterhin verpflichtet, die Verpflichtungen aus § 5b EStG zu erfüllen. Aus verwaltungsökonomischen Gründen sollte die Finanzverwaltung die Aufbereitung der Daten nicht bei Freistellungsbetriebstätten sondern nur bei Anrechnungsbetriebsstätten vorsehen, da nur letztere im Inland steuerlich relevant sind.
Problematisch sind die übrigen Schonfristen. Nach § 51 Abs. 4 Nr. 1c EStG ist die Finanzverwaltung nur zeitlich beschränkt bis zum 31. 12. 2010 bei Erkennbarkeit der mangelnden technischen oder organisatorischen Voraussetzungen für die Umsetzung der E-Bilanz ermächtigt, den Anwendungszeitpunkt des § 5b EStG zu verschieben, was sie auch mit Zustimmung des Bundesrats durch das AnwZpvV um ein Jahr getan hat. Daher behilft sich das BMF in dem Erlass-Entwurf mit Nichtbeanstandungsregelungen, die jedoch das Risiko bergen, als begünstigende Verwaltungsakte bei Nichtanwendung nicht Rechtsmittelfähig zu sein. Daher muss das BMF die Verschiebung der Anwendungszeitpunkte zwingend durch Rechtsverordnung regeln oder wenn sie davon ausgeht, keine Rechtsgrundlage zu haben, den Gesetzgeber unverzüglich auffordern, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen. Völlig offen und dringend klärungsbedürftig ist, ob die allgemeine Nichtbeanstandungsregel für 2012 eine grundsätzliche Verschiebung des Anwendungszeitpunkts oder eine Härtefallregelung ist. Dem Vernehmen nach tendiert die Finanzverwaltung zu letzterem Verständnis. Die Finanzverwaltung sollte zeitnah nach der geplanten Verbandsanhörung am 16. 8. 2011 für Klarheit sorgen und bei Annahme einer Härtefallregelung diese beispielhaft erläutern, da in der technischen Umsetzung viele Schwierigkeiten bestehen.