Nach den Vorschriften des ErbStG kann der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft seine Gesellschaftsanteile im Rahmen einer Schenkung bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen schenkungsteuerlich „begünstigt“ übertragen. Entsprechendes gilt im Fall einer Übertragung von Todes wegen. Eine vollständige Vermeidung von Schenkung- bzw. Erbschaftsteuer ist nicht ausgeschlossen. Voraussetzung für eine begünstigte Schenkung ist u. a. eine unmittelbare Beteiligung des Schenkers in Höhe von mehr als 25% am Nennkapital der Gesellschaft (Mindestbeteiligung) zum Zeitpunkt der Anteilsübertragung (§ 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 ErbStG). Auf die Anzahl der dem Schenker zustehenden Stimmrechte kommt es nicht an, d. h. auch die Übertragung stimmrechtsloser Anteile ist begünstigungsfähig. Danach kann z. B. die Schenkung einer 30% Beteiligung am Grundkapital einer Aktiengesellschaft in Form stimmrechtsloser Vorzugsaktien begünstigt sein.
Liegt keine Mindestbeteiligung des Schenkers vor (z. B. nur 15%-Beteiligung), ist eine begünstigte Übertragung der Anteile dennoch möglich. Der Schenker kann in diesem Fall eine (erbschaftsteuerliche) Poolvereinbarung mit weiteren Gesellschaftern der Gesellschaft abschließen, durch die insgesamt Anteile in Höhe der Mindestbeteiligung „gepoolt“ werden. Eine solche Poolvereinbarung setzt voraus, dass der Schenker und die weiteren Gesellschafter untereinander verpflichtet sind, über die Anteile nur einheitlich zu verfügen oder sie ausschließlich auf andere derselben Verpflichtung unterliegende Gesellschafter zu übertragen (Verfügungsbeschränkung) und das Stimmrecht gegenüber nichtgebundenen Gesellschaftern einheitlich auszuüben (einheitliche Stimmrechtsausübung; § 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG).
Gegenstand einer Poolvereinbarung können nach einer im Fachschrifttum vertretenen – m. E. zutreffenden – Auffassung auch stimmrechtslose Anteile sein. Erstens können stimmrechtslose Anteile von einer poolvertraglichen Verfügungsbeschränkung umfasst sein (z. B. ist nach dem Poolvertrag eine Veräußerung der Anteile nur an andere Pool-Teilnehmer zulässig). Zweitens erfüllen stimmrechtslose Anteile das poolvertragliche Erfordernis einer einheitlichen Stimmrechtsausübung.
Das Merkmal der einheitlichen Stimmrechtsausübung erläutert der Gesetzgeber in der Begründung des Regierungsentwurfs des Erbschaftsteuerreformgesetzes (BT-Drucks. 16/7918, Seite 35). Danach bedeutet eine einheitliche Stimmrechtsausübung, dass die Einflussnahme einzelner Anteilseigner zum Zwecke einer einheitlichen Willensbildung zurücktreten muss. Die einheitliche Stimmrechtsausübung kann – neben der Möglichkeit zur Bestimmung eines gemeinsamen Sprechers der Poolversammlung (z. B. Pool-Sprecher übt Stimmrechte der Pool-Teilnehmer einheitlich in der Gesellschafterversammlung aus) – dadurch erreicht werden, dass einzelne Anteilseigner auf ihr Stimmrecht verzichten oder die Anteile von vornherein stimmrechtslos sind.
Ein Inhaber stimmrechtsloser Anteile, der einer typischen Poolvereinbarung beitritt, verletzt die vertragliche Verpflichtung zur einheitlichen Ausübung der Stimmrechte nicht. Er erfüllt seine vertragliche Verpflichtung gegenüber den weiteren Pool-Teilnehmern – quasi automatisch – dadurch, dass er keine Stimmrechte ausübt bzw. ausüben kann. Gewähren die im Grundsatz stimmrechtslosen Anteile z. B. in Folge einer nichtgezahlten Vorzugsdividende in einzelnen Jahren ausnahmsweise ein Stimmrecht (vgl. § 140 Abs. 2 AktG), muss der Pool-Teilnehmer die vertragliche Verpflichtung zur einheitlichen Ausübung seines Stimmrechts „aktiv“ erfüllen (z. B. Bevollmächtigung des Pool-Sprechers). Es ist somit – so die Begründung des Gesetzentwurfs – keine Voraussetzung für die Einbeziehung der Anteile in die erbschaftsteuerliche Begünstigung, dass der konkrete Anteil ein Stimmrecht einräumt.
Eine gegenteilige Auffassung scheint die Finanzverwaltung ausweislich des Entwurfs der Erbschaftsteuer-Richtlinien 2011 zu vertreten (Stand des Entwurfs: 1. 8. 2011; verfügbar auf der Internetseite des Bundesfinanzministeriums). Eine einheitliche Stimmrechtsausübung über die im Pool vorhandenen Stimmrechte bedeutet nach dem Richtlinien-Entwurf, dass die Einflussnahme einzelner Anteilseigner zum Zwecke einer einheitlichen Willensbildung zurücktreten muss. Daraus folge – so der „Richtliniengeber“ –, dass stimmrechtslose Anteile nicht in eine Poolvereinbarung einbezogen werden können (Entwurf der ErbStR 2011 = DB0426636, R E 13b.6 Abs. 5 Satz 1; im geltenden Anwendungserlass zum ErbStG findet sich keine ausdrückliche Regelung: Erlass i. d. F. vom 29. 10. 2010, Abschn. 21 Abs. 5, BStBl. I 2010 Seite 1210). Nach dieser Auffassung dürfte zwar die begünstigte Übertragung einer Mindestbeteiligung in Form stimmrechtsloser Anteile möglich sein (z. B. stimmrechtsloser GmbH-Anteil in Höhe von 30%), die Übertragung einer den strengen Verpflichtungen einer Poolvereinbarung unterliegenden Beteiligung in Höhe von 25% oder weniger in Form stimmrechtsloser Anteile wäre dagegen nicht darstellbar (z. B. gepoolter stimmrechtsloser GmbH-Anteil in Höhe von 15%).
Sollte der Richtliniengeber an seiner Auffassung festhalten, dürften stimmrechtslose Anteile eine Hürde bei der Strukturierung von Beteiligungen an Familiengesellschaften werden. Entsprechendes dürfte bei der Strukturierung des Vermögens einer Unternehmensgruppe gelten, wenn Beteiligungen an Tochter- oder Enkelgesellschaften in Form stimmrechtsloser Anteile gehalten werden und diese Beteiligungen Gegenstand einer Poolvereinbarung sind (Poolvereinbarung zur Vermeidung sog. Verwaltungsvermögens, § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Satz 2 ErbStG). Aus erbschaftsteuerlicher Sicht könnte eine Beseitigung stimmrechtsloser Anteile in bestehenden Strukturen zwar zielführend sein (z. B. Umwandlung der stimmrechtslosen Anteile in Anteile mit Stimmrecht), organisatorisch bzw. unternehmenspolitisch dürfte dies jedoch häufig nicht gewollt sein. Es bleibt zu hoffen, dass der Richtliniengeber seine Auffassung noch einmal überdenkt und die Möglichkeit einer Poolung stimmrechtsloser Anteile – wie vom Gesetzgeber „angedacht“ – anerkennt.