Das BMF-Schreiben zur Einführung der E-Bilanz soll nach Überarbeitung Ende September 2011 veröffentlicht werden. Ab Mai 2012 ist die elektronische Übermittlung der E-Bilanz an die Finanzämter technisch möglich. Die E-Bilanz soll ein „Baustein“ in der E-Government-Strategie der Bundesregierung werden. Durch den Wegfall der papierbasierten Verfahrensabläufe sollen bürokratische Lasten in den Unternehmen abgebaut und das Verwaltungshandeln moderner, leistungsfähiger und effizienter gestaltet werden (BT-Drs. 16/10188 S. 13).
Zu diesem Zwecke setzt die Finanzverwaltung auf den dem englischen Sprachgebrauch entliehenen Begriff der steuerlichen (Tax) Compliance. Tax Compliance soll den Steuerpflichtigen zur Einhaltung der Steuergesetze motivieren, den Kontrollbedarf zur Umsetzung der Gesetze senken und die Effektivität des Gesetzesvollzugs verbessern. Die Bereitschaft des Steuerpflichtigen zur „freiwilligen“ Beachtung von Steuergesetzen und der damit verbundenen Pflichten soll durch Tax Compliance erhöht werden.
Die Mittel der Finanzverwaltung, den Steuerpflichtigen zu einer verbesserten Einhaltung der Steuergesetze zu motivieren, müssen jedoch geeignet sein, dieses Ziel auch zu erreichen. Es kann nicht ausschließlich darum gehen, die Effizienz der Finanzverwaltung durch die Verminderung des Kontrollbedarfs zu senken, um die Effektivität aus Sicht der Finanzverwaltung für den Gesetzesvollzug zu steigern. Diese Auffassung der Finanzverwaltung zu Tax Compliance kommt besonders deutlich in den Verfahrensvorschriften der Abgabenordnung zum Ausdruck. § 97 Abs. 1 Satz 1 AO und ähnlich § 200 Abs. 1 Satz 2 AO regeln, dass die Finanzbehörde die Vorlage von „Büchern, Aufzeichnungen, Geschäftspapieren und anderen Urkunden zur Einsicht und Prüfung“ verlangen können. Es geht um eine umfassende Informationspflicht des Steuerpflichtigen gegenüber der Steuerbehörde.
Was dieses Tax Compliance Verständnis unter dem Motto „Elektronik statt Papier“ bewirkt, kann jedenfalls nicht mit vermeintlichen Vorteilen wie „das Besteuerungsverfahren wird gleichmäßiger und gerechter“ umschrieben und gerechtfertigt werden. Die mittels der E-Bilanz nun zu übermittelnden Datensätze werden der Finanzverwaltung zudem nicht ausreichen. Was bedeutet also ein moderneres Verwaltungshandeln, dass leistungsfähiger und effizienter ist? Es bedeutet mögliche Kosteneinsparungen auf der Seite der Finanzverwaltung.
E-Bilanz als Teil eines neuen erweiterten steuerlichen Risikomanagement?
Eine explizite Rechtsgrundlage für ein deutsches Risikomanagement wird in § 88 Abs. 3 AO zu sehen sein, ohne dass eine konkrete Rechtsverordnung bisher umgesetzt ist. Fraglich ist, ob der § 5b EStG geeignet ist, eine Rechtsgrundlage für ein Risikomanagement der Finanzverwaltung zu geben. Ein direkter Bezug zu einem Risikomanagement lässt sich dem § 5b EStG nicht entnehmen. In seinen Verpflichtungen basiert der § 5b EStG auf dem in § 85 Satz 1 AO verankerten Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung.
Die Übermittlung der Jahresabschlussdaten im Rahmen der Taxonomie ermöglicht der Finanzverwaltung in einem Massenverfahren ein gezieltes Risikomanagement. Im Kern geht es darum, aus dem Gesamtfallbestand diejenigen Fälle nach sachgerechten Kriterien auszufiltern, die kontrollbedürftig sind. Ein umfassendes Risikomanagement kann mit diesem Element der Taxonomie faktisch (zu geringer Datenumfang) wie rechtlich jedoch nicht verbunden sein.
Die Kritik an dem Umfang der Taxonomie im Verhältnis der handelsrechtlichen Vorschriften der §§ 266 und 275 HGB ist in Bezug auf den Zweck des § 5b EStG und auf den Umfang der Ermächtigung durch § 51 Abs. 4 Nr. 1b EStG insoweit mehr als gerechtfertigt. Für die Unternehmen bedeutet die Implementierung der elektronischen Übermittlung der Daten eine heftig kritisierte Zusatzbelastung. Effektiv ist für die Finanzverwaltung, was für das Ziel eines behördlichen Risikomanagements im Massenverfahren erforderlich und geeignet ist. Wie effizient dieses Verwaltungshandeln ist, bleibt eine noch offene Frage.
Die Effizienz kann nur dann erreicht werden, wenn alle Unternehmen entsprechende Jahresabschlüsse und darüber hinaus weitergehende Angaben elektronisch einreichen. Die Effizienz des Risikomanagements wird aber erst nach Jahren, nach der Ermittlung von Mehrjahresvergleichen entstehen können. An kritischen Punkten verbleibt der Umstand des Stückwerks. Als Teil eines Ganzen, eines umfassenden behördlichen Risikomanagements wird die Taxonomie bislang nicht verstanden und nicht als solche von der Finanzverwaltung erläutert.
Was bleibt an weiteren Folgen?
Neben den ausführlich diskutierten Forderungen für die E-Bilanz sollte ein ganzheitliches, schlüssiges Konzept seitens der Finanzverwaltung für eine steuerliche Compliance mit einem entsprechenden Risikomanagement erarbeitet und vorgelegt werden. Andere Staaten wie die Niederlande (Modell: Horizontal Monitoring), Österreich (Modell: „Fair Play“ im Steuerverfahren), USA oder Australien haben diesen Schritt zu neuen Verfahren verbunden mit einem Umdenken innerhalb der Finanzverwaltungen bereits begonnen. Die Finanzverwaltung sollte den ersten vertrauensbildenden Schritt gehen und offen die anstehenden Veränderungen in Bezug auf ein steuerliches Risikomanagement mit den Steuerpflichtigen erörtern und offen die geplanten (?) Auswertungen aus den Daten der E-Bilanz kommunizieren.